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VwGH vom 04.06.2003, 99/13/0238

VwGH vom 04.06.2003, 99/13/0238

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Ginthör, über die Beschwerde des R und der MA in W, vertreten durch Prüf - Treuhand Gesellschaft mbH & Co OHG, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Berggasse 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom , Zl. RV/399-16/01/98, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1996 und 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus einem im Jahr 1996 erworbenen Mietobjekt in Wien, L.-Gasse 4. Die Berechnung der Bemessungsgrundlage der AfA bei der Ermittlung der Vermietungseinkünfte bildet den Streitpunkt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Die Begründung zu den Bescheiden über die Einkünftefeststellung für die Jahre 1996 und 1997 enthielt den Hinweis, dass die geltend gemachte AfA von 2 % nur dann zulässig sei, wenn das Gebäude vor 1915 erbaut und vor dem angeschafft worden sei oder ein Schätzungsgutachten über die Restnutzungsdauer vorgelegt werde. Da das Gebäude erst 1996 erworben und kein Schätzungsgutachten vorgelegt worden sei, sei die AfA mit 1,5 % anzusetzen gewesen. Im Wege der Berufung brachten die Beschwerdeführer ein Gutachten eines Immobilientreuhänders vom bei, aus dem ersichtlich sei, dass der Erhaltungszustand des - ca. im Jahr 1910 errichteten, sechsgeschossigen - Mietwohnhauses eine AfA von 2 % rechtfertige.

Mit Vorhalt teilte die belangte Behörde den Beschwerdeführern mit, dass ein Sachverständiger für das Immobilienwesen nicht dazu berufen sei, ein kompetentes Gutachten über den Bauzustand eines Gebäudes zu fällen. Die Beschwerdeführer würden daher eingeladen, ein ausführlich begründetes Gutachten eines Bausachverständigen vorzulegen. Im daraufhin beigebrachten Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen für das Bauwesen wurde die wirtschaftliche Restnutzungsdauer auf Grund der "Bauweise und des derzeitigen Bauzustandes" des rd. 100 Jahre alten Wohn- und Geschäftshauses auf 30 bis maximal 35 Jahre geschätzt.

In einem Vorhalt vom gab die belangte Behörde den Beschwerdeführern bekannt, dass auf Grund des nunmehr vorgelegten schlüssigen Gutachtens von einer Restnutzungsdauer des Hauses von 35 Jahren auszugehen sei. Damit sei die Aufteilung des Kaufpreises auf das abnutzbare Gebäude und den nicht abnutzbaren Grund und Boden neuerlich zu überprüfen. Diese Aufteilung habe nach dem Sachwertverhältnis, also nach dem Verhältnis der Verkehrswerte, zu erfolgen. Dabei sei zu beachten, dass der Anteil von Grund und Boden am Gesamtwert der Liegenschaft von den verschiedensten Faktoren beeinflusst sein könne, wie Lage des Grundstückes oder Höhe und Bauzustand des Gebäudes. Weil in den letzten Jahren in der Gegend des 6. Wiener Gemeindebezirkes keine Veräußerungen von nacktem Grund und Boden stattgefunden hätten, könne auch im vorliegenden Fall nur ein Prozentsatz für Grund und Boden pauschal ausgeschieden werden. Bei Gebäuden mit gutem Bauzustand und entsprechender Restnutzungsdauer seien Prozentsätze zwischen 20 und 25 % üblich. Es sei auch vertretbar, eine Korrelation zwischen Grund und Boden und Restnutzungsdauer herzustellen. Bei geringer Restnutzungsdauer werde der Grund und Boden in kurzer Zeit frei werden, die Anschaffungskosten würden daher zum Großteil darauf entfallen. Bei langer Restnutzungsdauer werde das Gegenteil der Fall sein. Ausgehend von der Prämisse, dass der Anteil für Grund und Boden bei einem Miethaus mit einer Restnutzungsdauer von 66,66 Jahren 20 % und bei einem Abbruchgebäude (Restnutzungsdauer 0 Jahre) 100 % betrage, würde sich im Beschwerdefall bei einer Restnutzungsdauer von 35 Jahren ein Anteil von Grund und Boden von 58 % ergeben (vgl. Lenneis, Fiktive Anschaffungskosten, Anteil von Grund und Boden, Restnutzungsdauer von Gebäuden - unbekannte Größen?, ÖStZ 1998, S. 576).

In einer Stellungnahme zu diesem Vorhalt vom führten die Beschwerdeführer aus, die strittige Liegenschaft habe bei einer Nutzfläche von 1.483 m2 eine Grundfläche von nur 329 m2. Dieses Verhältnis weise auf eine maximale Ausnützung derselben hin und könne bei einer Neuverbauung durch die im Flächenwidmungsplan ausgewiesene Bauklasse nicht mehr erreicht werden. Wegen dieses Umstandes sowie des 85 %igen Belages mit Altmietern, die verständlicherweise nicht bereit seien, die großen, freundlichen Wohnungen mit einem Zins von 17,20/m2 aufzugeben, könne ein Abbruch ausgeschlossen werden und sei daran auch niemals gedacht worden. Der zum Zeitpunkt des Ankaufes nicht ungünstige Kaufpreis habe zu raschem Handeln gezwungen. Die vorhandenen Mängel seien damals als nicht so gravierend erkannt worden. Zur Vereinfachung der Angelegenheit seien die Beschwerdeführer auch mit einem AfA-Satz von 2 % einverstanden.

Im angefochtenen Bescheid, mit dem die bekämpften erstinstanzlichen Feststellungsbescheide abgeändert wurden, führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführer hätten nunmehr ein schlüssiges Gutachten vorgelegt, wonach die Restnutzungsdauer 35 Jahre betrage. Nach diesem Gutachten sei die kürzere Nutzungsdauer vor allem auf Wasserschäden zurückzuführen, deren Beseitigung wirtschaftlich nicht mehr machbar sei. Wenn man von einer 35-jährigen Restnutzungsdauer ausgehe, betrage der AfA-Satz 2,86 % der Bemessungsgrundlage. Der Anteil von Grund und Boden sei nach dem Verhältnis der Verkehrswerte zu ermitteln, eine Aufteilung nach der Differenzmethode sei unzulässig. Eine Aufteilung sei nicht vorzunehmen, wenn der Erwerber das Grundstück mit einem darauf befindlichen abbruchreifen Gebäude offensichtlich als Bauplatz erwerbe und der bezahlte Kaufpreis ohne Aufteilung erheblich unter dem üblichen Quadratmeterpreis liege. Im Beschwerdefall hätten die Beschwerdeführer das Haus zu einem Preis von 8,217.355 S samt Nebenkosten erworben. Damit ergebe sich ein Preis pro umbautem Quadratmeter von 5.541 S, der ohne Aufteilung deutlich (42,63 %) unter dem damals üblichen Quadratmeterpreis von 13.000 S gelegen sei. Dabei seien offensichtlich der relativ schlechte Bauzustand, der auch von den Sachverständigen bestätigt worden sei, und die Tatsache berücksichtigt worden, dass ein Geschäftslokal gar nicht und das andere nur sehr eingeschränkt nutzbar seien. Im zitierten Fachartikel (ÖStZ 1998, S. 576) gehe der Autor davon aus, dass bei geringer Restnutzungsdauer Grund und Boden in kurzer Zeit frei würden und die Anschaffungskosten zum Großteil auf diesen entfielen. Er komme deshalb bei einer Restnutzungsdauer von 35 Jahren auf einen Anteil von Grund und Boden von 58 %. Die Beschwerdeführer hätten samt Nebenkosten für das gesamte Haus 8,2 Mio. S bezahlt, das seien rd. 5.500 S pro Quadratmeter Wohnnutzfläche. Setze man den gezahlten Quadratmeterpreis in Verhältnis zu den üblichen 13.000 S und einen Gesamtkaufpreis von 19,300.000 S, dann könne davon ausgegangen werden, dass ca. 43 % des Kaufpreises auf das Haus und 57 % auf den Grund entfielen. Zu einem analogen Ergebnis komme man, wenn man davon ausgehe, dass die Beschwerdeführer rd. 7.500 S pro Quadratmeter Wohnnutzfläche, insgesamt rd. 11,1 Mio. S, investieren müssten, um die vom Sachverständigen dargestellten Schäden zu beseitigen. Zuzüglich des ursprünglichen Kaufpreises ergäbe dies einen Wert des renovierten Hauses von 19,3 Mio. S. Insgesamt seien die Feststellungsbescheide 1996 und 1997 entsprechend abzuändern gewesen (bei der Berechnung der AfA schied die belangte Behörde 58 % - gegenüber bisher lt. Erklärung 20 % - der Anschaffungskosten als auf Grund und Boden entfallend aus).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde weist im angefochtenen Bescheid an sich zu Recht darauf hin, dass bei der strittigen Aufteilung der Anschaffungskosten eines bebauten Grundstückes jeweils der Verkehrswert des bloßen Grund und Bodens einerseits und des Gebäudes andererseits zu schätzen und der Kaufpreis im Verhältnis dieser Werte aufzuteilen ist (Methode des Sachwertverhältnisses). Eine Differenzrechnung, bei welcher der Wert des Bodens vom Gesamtkaufpreis in Abzug gebracht wird, führt in der Regel nicht zu einer den Wertverhältnissen entsprechenden Aufteilung (vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 86/14/0084, vom , 96/15/0086, und vom , 96/15/0063). Es ist allerdings nicht erkennbar, dass die von der belangten Behörde im Beschwerdefall vorgenommene Ermittlung der anteilig auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten konkret nach diesen Grundsätzen erfolgt wäre.

Im Wesentlichen hat sich die belangte Behörde bei ihren Überlegungen zur Ermittlung der anteiligen Werte für Grund und Boden bzw. Gebäude auf die Ausführungen im oben zitierten Artikel von Lenneis in der ÖStZ 1998 gestützt. Zu den Ausführungen in der Gegenschrift, es handle sich dabei um eine vom Autor - neben bisher in der Fachliteratur anerkannten Methoden zur Verkehrswertermittlung - entwickelte eigenständige "weitere Methode", ist vorweg darauf hinzuweisen, dass dieser selbst seine Annahmen zur "Korrelation zwischen Grund und Boden und Restnutzungsdauer" nur als "grobe Richtschnur" verstanden wissen wollte. Zu Recht bringt die Beschwerde in diesem Zusammenhang zudem vor, dass die belangte Behörde das in der Stellungnahme der Beschwerdeführer vom enthaltene, auch im Sinne des in Rede stehenden Fachartikels zu berücksichtigende Vorbringen im Zusammenhang mit den individuellen Gegebenheiten (vor allem in Bezug auf eine bei einer Neuverbauung nicht mehr mögliche Ausnutzung der Baufläche im bisherigen Ausmaß oder den Belag des Gebäudes mit Altmietern, wobei an einen Abbruch niemals gedacht worden sei) im angefochtenen Bescheid unbeachtet gelassen hat, sodass der belangten Behörde jedenfalls auch insoweit ein Verfahrensmangel vorzuwerfen ist. Die im angefochtenen Bescheid angeführte Überlegung, bei geringer Restnutzungsdauer würden Grund und Boden in kurzer Zeit frei werden, sodass die Anschaffungskosten zum Großteil auf diesen entfielen, lässt außerdem die Möglichkeit nachträglicher Instandsetzungs- oder Herstellungsaufwendungen (mit entsprechender Verlängerung der Nutzungsdauer) außer Acht.

Abgesehen davon, dass die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge der mangelnden Nachvollziehbarkeit eines "damals üblichen Quadratmeterpreises" von 13.000 S nicht unbegründet ist, ist zu den in diesem Zusammenhang im angefochtenen Bescheid weiters angestellten Berechnungen festzuhalten, dass diesen keine Aussagekraft in Bezug auf eine ausgehend vom Verhältnis der Verkehrswerte vorzunehmende Aufteilung der Anschaffungskosten auf Boden und auf Gebäude zu entnehmen ist. Dies gilt sowohl für das bloße Herstellen eines Verhältnisses von cirka 43 % zwischen dem für "das gesamte Haus" tatsächlich gezahlten Betrag von 8,2 Mio. S zu dem aus dem üblichen Quadratmeterpreis abgeleiteten Gesamtkaufpreis von 19,3 Mio. S als auch für die Berechnung eines "analogen Ergebnisses" durch Annahme fiktiver Investitionskosten.

Der angefochtene Bescheid war daher insgesamt wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften nach § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben. Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte nach § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am