VwGH vom 30.03.2006, 2003/15/0125
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde des G in T, vertreten durch GfB Treuhand Gesellschaft für Betriebswirtschaft Wien, Steuerberatungs- und WirtschaftsprüfungsgmbH in 1060 Wien, Marchettigasse 2-6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0978-W/03, betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.090,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer war ab handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten GmbH. Über das Vermögen der GmbH wurde mit das Ausgleichsverfahren und mit das Konkursverfahren eröffnet.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9 und 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der GmbH in Anspruch genommen und zwar für die Kammerumlage für das erste Kalendervierteljahr 2001 und Umsatzsteuer für März 2001. Die belangte Behörde führte in der Begründung ihres Bescheides aus, das Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH sei mit Beschluss vom gemäß § 139 KO aufgehoben worden. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der GmbH stehe fest.
Am Abgabenkonto der GmbH sei am durch die Verbuchung der Zahlung in Höhe von S 455.223,-- ein Guthaben in der Höhe von S 8.316,-- entstanden. Durch diese Zahlung seien die zuvor verbuchten, den Gegenstand des erstinstanzlichen Haftungsbescheides bildenden Abgaben, nämlich Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag bis einschließlich Februar 2001 getilgt worden. Unter Berücksichtigung der zuvor verbuchten Vorauszahlung auf die Körperschaftsteuer für das zweite Kalendervierteljahr 2001 in der Höhe von S 6.020,-- sei für die teilweise Entrichtung der Umsatzsteuer für März 2001 noch ein Betrag von S 2.296,-- zur Verfügung gestanden.
Hinsichtlich der im Haftungsbescheid des Finanzamtes angeführten Lohnsteuer, des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag für die Monate März und April 2001 samt Säumniszuschlägen sei festzustellen, dass infolge Nichtauszahlung der Löhne der Abgabenanspruch nicht entstanden sei.
Die Haftung sei sohin lediglich für die im Haftungsbescheid des Finanzamtes ebenfalls enthaltene Kammerumlage für das erste Kalendervierteljahr 2001 und für die Umsatzsteuer für März 2001 gegeben. Die Umsatzsteuer für März 2001 sei mit dem Teilbetrag von S 2.296,-- durch die Verbuchung der Zahlung am teilweise getilgt worden. Die genannte Kammerumlage und die restliche Umsatzsteuer für März 2001 seien weiters um die Konkursquote zu vermindern gewesen, sodass sich insgesamt ein verbleibender Haftungsbetrag von EUR 20.679,11 ergebe. Diese Abgaben hafteten laut Kontoabfrage vom unberichtigt aus. Die Einhebung der Umsatzsteuer März 2001 sei als Teilbetrag der Umsatzsteuer 2001 gemäß § 212a BAO ausgesetzt worden; hinsichtlich der Kammerumlage sei die Aussetzung der Einbringung gemäß § 231 BAO verfügt worden.
Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, auf Grund des Austrittes der Buchhalterin mit sei keine Buchhaltung mehr geführt worden. Er selbst habe nicht mehr für die Berechnung der Umsatzsteuer März 2001 gesorgt.
Der Austritt der Buchhalterin könne die Verletzung der Buchführungspflicht gemäß §§ 124 ff BAO, die Verletzung der Verpflichtung zur Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen und die Entrichtung der sich ergebenden Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag gemäß § 21 UStG 1994 nicht exkulpieren. Vielmehr hätte der Beschwerdeführer trotz des Austrittes der Buchhalterin für die Führung der Buchhaltung, Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen und Entrichtung der sich ergebenden Vorauszahlung Sorge tragen müssen. Die haftungsgegenständlichen Abgaben seien zwar erst nach Eröffnung des Ausgleichsverfahrens () am fällig geworden. Im Ausgleichsverfahren bestehe jedoch die Handlungsfähigkeit des gesetzlichen Vertreters weiter. Der Beschwerdeführer habe seine Pflichten als Geschäftsführer u.a. zur Entrichtung der genannten Abgaben bei Fälligkeit nicht verloren. Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 letzter Satz AO (Verlangen eines Ausgleichsverwalters, dass Zahlungen nur von ihm zu leisten seien) sei nicht behauptet worden.
Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben gewesen sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Stellung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer und die Uneinbringlichkeit der Abgabenrückstände außer Streit gestellt. Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch eine schuldhafte Pflichtverletzung. Er habe eine Zusammenstellung vorgelegt, woraus sich ergebe, welche Gläubiger in welchem Ausmaß im Zeitraum von November 2000 bis Februar 2001 Zahlungen erhalten hätten. Aus dieser Gegenüberstellung ergebe sich eine Überzahlung zu Gunsten des Finanzamtes. Auch für März und April habe er "kein abgeändertes Verhalten" gesetzt. Weiters sei mit Eröffnung des Ausgleichsverfahrens am die Pflicht zur Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung 3/2001 auf den Ausgleichsverwalter übergegangen. Es sei nicht nachvollziehbar, wie sich die zur Haftung vorgeschriebene restliche Umsatzsteuer 3/2001 berechne. Es sei nicht ermittelbar, inwieweit eine Umsatzsteuerkorrektur gemäß § 16 UStG 1994 für nicht eingegangene Forderungen erfolgt sei. Die letzten Berichtigungen betreffend die Umsatzsteuer 3/2001 seien laut Finanzonline-Ausdruck am von der Abgabenbehörde durchgeführt worden. Es sei hier eine Wiederaufnahme einer Einbringung als Buchungstext angegeben worden. Andererseits sei am diese Umsatzsteuer im Rahmen einer Aussetzung der Einbringung ausgesetzt worden. Mit Buchungsdatum sei die Umsatzsteuer 3/2001 mit einer Wiederaufnahme einer Einbringung eingestellt worden; der Buchungstag stelle die Umsatzsteuer 3/2001 im Betrag von EUR 5.448,17 und eine Wiederaufnahme einer Einbringung ein; mit Buchungsdatum sei eine Aussetzung der Einbringung betreffend die Umsatzsteuer 3/2001 mit einem Betrag von S 341.229,-- ausgebucht worden; andererseits sei am gleichen Tag diese Umsatzsteuer im Betrag von S 207.704,-- und nochmals mit einem Betrag von S 164.599,-- ausgebucht worden. Zur vollständigen Verwirrung habe sodann die Buchung vom beigetragen, wonach die Umsatzsteuer 3/2001 mit einer Wiederaufnahme des Verfahrens im Betrag von S 341.229,-- erfolgt sei. Am sei wiederum diese Umsatzsteuer mit einem Betrag von S 164.599,-- im Rahmen einer Berufungsvorentscheidung eingebucht worden, wobei die bisherige Umsatzsteuerzahllast von S 210.000,-- auf S 374.599,-- erhöht worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer trotz Eröffnung des Ausgleichsverfahrens als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin seine zivil- und prozessrechtliche Handlungsfähigkeit nicht verloren hat. Der Beschwerdeführer war daher trotz Eröffnung des Ausgleichsverfahrens verpflichtet, aus dem von ihm verwalteten Vermögen der GmbH die Abgaben zu entrichten. Die Aufgaben des Ausgleichsverwalters bestehen nämlich grundsätzlich in einer Überwachungspflicht, nicht jedoch in einer Verpflichtung zur Vermögensverwaltung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 88/15/0063, und Stoll, BAO-Kommentar, Seite 136 f). Eine Ausnahme bestehe regelmäßig nur im Falle der Bestellung eines Sachwalters der Gläubiger, dem das Vermögen der GmbH übertragen wird (§ 62 AO) und wenn dem Ausgleichsschuldner die finanzielle Gebarung gemäß § 8 Abs. 2 letzter Satz AO entzogen und dem Ausgleichsverwalter übertragen wird. Ein derartiges Vorbringen wurde im Verwaltungsverfahren nicht erstattet. Soweit daher in der Beschwerde erstmals davon gesprochen wird, der Ausgleichsverwalter habe im Sinne des § 8 Abs. 2 letzter Satz AO gehandelt, ist zufolge des Neuerungsverbotes des § 41 VwGG darauf nicht einzugehen. Die belangte Behörde hat daher zutreffend die rechtliche Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben angenommen.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, er habe eine Zusammenstellung vorgelegt, aus welcher ersichtlich sei, welcher Gläubiger welche Zahlungen im Zeitraum von November 2000 bis Februar 2001 erhalten habe. Für die Monate März und April 2001 habe er "kein abgeändertes Verhalten" gesetzt.
Auf Grund dieses Vorbringens konnte die belangte Behörde einerseits zutreffend davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer seiner Darlegungspflicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 97/15/0115) nicht nachgekommen ist. Sie konnte daher zutreffend von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ausgehen.
Andererseits ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu entnehmen, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum keinerlei konkrete Angaben gemacht wurden. Das über die Behauptungsebene nicht hinausgehende Vorbringen, er habe in diesem Zeitraum "kein abgeändertes Verhalten" gesetzt, verpflichtete die belangte Behörde nicht, Ermittlungen aufzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2005/15/0114).
Der Beschwerdeführer hat bereits im Verwaltungsverfahren, vor allem in der Berufungsverhandlung, vorgetragen, dass die Höhe der Umsatzsteuerfestsetzung für 3/2001 nicht nachvollziehbar sei.
Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Durch § 248 BAO ist dem Haftenden ein Rechtszug gegen den Abgabenbescheid eingeräumt. Im Berufungsverfahren gegen den Haftungsbescheid können daher - solange Bescheide über den Abgabenanspruch dem Rechtsbestand angehören - Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung nicht mit Erfolg erhoben werden. Solche Einwendungen können nur im Rechtsmittelverfahren betreffend den Bescheid über den Abgabenanspruch mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden. Geht der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung kein Abgabenbescheid voran, so gibt es eine solche Bindung nicht. Ob ein Abgabenanspruch gegeben ist, ist in diesem Fall als Vorfrage im Haftungsverfahren von dem für die Entscheidung über die Haftung zuständigen Organ zu entscheiden. Diese Beurteilung kann mit Berufung und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft werden (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom , 94/14/0148).
Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid auf die Ergebnisse ihrer Kontoabfrage vom gestützt. Damit wurde weder dargetan, dass ein Abgabenbescheid vorliegt, noch wurde über die strittige Umsatzsteuer für 3/2001 als Vorfrage entschieden. Der Sachverhalt ist daher in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am