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VwGH vom 27.03.1996, 94/12/0298

VwGH vom 27.03.1996, 94/12/0298

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des F in D, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in N, gegen die Kärntner Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Angelegenheit der Zuerkennung einer Verwendungs(Gruppen)zulage, zu Recht erkannt:

Spruch

Der belangten Behörde wird gemäß § 42 Abs. 4 VwGG aufgetragen, den versäumten Bescheid binnen acht Wochen ausgehend von der Rechtsanschauung zu erlassen, daß die mangelnde Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes kein Entscheidungshindernis darstellt und nicht die Unzulässigkeit der Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bewirkt, sondern von der belangten Behörde in die Würdigung der vorliegenden Ermittlungsergebnisse einzubeziehen ist.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Fachoberinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Kärnten; seine Dienststelle ist die Bezirkshauptmannschaft XY, in der er das Schulreferat leitet.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung einer Verwendungs(Gruppen)zulage nach § 176 Abs. 1 Z. 1 des Kärntner Dienstrechtsgesetzes nicht stattgegeben.

Die gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer unter Zl. 90/12/0273 erhobene Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof war erfolgreich; mit Erkenntnis vom wurde dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Maßgebend hiefür war im wesentlichen, daß die vom Beschwerdeführer zu besorgenden Aufgaben nicht für die Bewertung hinreichend konkret beschrieben dargelegt worden waren. Zur Vermeidung weiterer Wiederholungen wird auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Bereits in dem mit Bescheid vom abgeschlossenen Verwaltungsverfahren hatte der Beschwerdeführer zwar eine umfangreiche Darstellung bzw. Auflistung seiner Erledigungen im Verwaltungsjahr 1988 sowie eine Darstellung der Hauptaufgaben im Rahmen des gesamten Aufgabenbereiches vorgenommen bzw. vorgelegt, aus denen sich aber nur wenig für den Inhalt der konkreten Tätigkeiten und deren Wertigkeit ergibt. Die belangte Behörde hatte im seinerzeitigen Bescheid die Auffassung vertreten, es handle sich bei den Tätigkeiten des Beschwerdeführers im wesentlichen lediglich um formularisierte. Im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes wurde seitens der belangten Behörde die Dienststelle des Beschwerdeführers und die Schulabteilung mit Schreiben vom ersucht, verschiedene Punkte der Tätigkeiten des Beschwerdeführers inhaltlich näher zu beschreiben. Nach Einlangen der Stellungnahmen dieser Organisationseinheiten wurde dem Beschwerdeführer das bisherige Ermittlungsergebnis in einer Besprechung am zur Kenntnis gebracht, seitens der belangten Behörde die Auffassung vertreten, diese Ergebnisse reichten zur Beurteilung der Frage der B/C-Wertigkeit der Tätigkeiten des Beschwerdeführers nicht aus, und mit dem Beschwerdeführer vereinbart, daß dieser eine Stellungnahme und eine konkrete Beschreibung der ihm übertragenen Bearbeitungsvorgänge vornehmen werde.

In der mit Datum beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Säumnisbeschwerde wurde auf diesen von der belangten Behörde behaupteten Ablauf des fortgesetzten Verfahrens nicht eingegangen.

Der Verwaltungsgerichtshof räumte der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG die Gelegenheit ein, innerhalb einer Dreimonatsfrist den versäumten Bescheid zu erlassen.

Die belangte Behörde holte den versäumten Bescheid nicht nach und begründete dies in ihrer Gegenschrift im wesentlichen damit, sie habe den Bescheid nicht erlassen können, weil der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht hinsichtlich der Erhebung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht nachgekommen sei; deshalb liege auch überhaupt keine Verletzung einer Entscheidungspflicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Weder aus Art. 132 B-VG noch aus § 27 VwGG kann entnommen werden, daß das Recht, eine Säumnisbeschwerde einzubringen, nicht besteht, wenn Gründe für die Nichterledigung eines Antrages vorliegen. Es zeigt vielmehr § 55 VwGG, der den Kostenzuspruch bei Säumnisbeschwerden regelt, durch die Bestimmung des Abs. 3, nach dem Abs. 1 (Kostenzuspruch an den Säumnisbeschwerdeführer) nicht anzuwenden ist, wenn die Verzögerung der behördlichen Entscheidung AUSSCHLIESSLICH auf das Verschulden der Partei (Beschwerdeführer) zurückzuführen war, zwingend, daß - anders als für die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nach § 73 Abs. 2 AVG - es für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ohne Belang ist, ob die Verzögerung auf ein Verschulden der belangten Behörde zurückzuführen ist oder das Verhalten des Beschwerdeführers die Erlassung des versäumten Bescheides unmöglich gemacht hat (vgl. beispielsweise Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N. F. Nr. 7414/A).

Bereits diese Ausführungen zeigen, daß die belangte Behörde die Entscheidung ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung unterlassen hat.

Zu dem Problem der angeblich mangelnden Mitwirkung des Beschwerdeführers bemerkt der Verwaltungsgerichtshof, daß nach Judikatur und Lehre auch für Verwaltungsverfahren, für die dies nicht ausdrücklich in den Verwaltungsvorschriften vorgesehen ist, eine - der Pflicht der Behörde zur amtswegigen Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts korrespondierende - Verpflichtung der Parteien zur Wahrnehmung der ihnen "zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen" eingeräumten prozessualen Rechte besteht. Es handelt sich dabei um die Verpflichtung, "zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten"

(MITWIRKUNGSPFLICHT).

Zwar ist eine allgemeine Regel, wonach denjenigen, der in einem Antragsverfahren einen Anspruch auf Erlassung eines begünstigenden Aktes geltend macht, die Behauptungs- und Beweislast träfe, dem AVG fremd, doch wird naturgemäß in diesen Fällen die Behauptungslast im wesentlichen den Antragsteller treffen, wenngleich nicht von einer formalen Behauptungslastregel des Inhaltes ausgegangen werden darf, daß die Unterlassung der Behauptung einer Tatsache schon den Anspruchsverlust zur Folge hätte.

Was die Verpflichtung zum Nachweis der behaupteten Tatsachen anlangt, so obliegt es auch im Antragsverfahren der Behörde, innerhalb der Grenzen ihrer Möglichkeiten und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes ihrer AMTSWEGIGEN ERMITTLUNGSPFLICHT nachzukommen. Aber auch dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden, was insbesondere bei jenen in der Person des Antragstellers gelegenen Voraussetzungen der Fall sein wird, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann, ist es Aufgabe der Behörde, der Partei mitzuteilen, welche personenbezogenen Daten zur Begründung des geltend gemachten Anspruches noch benötigt werden und sie aufzufordern, für ihre Angaben Beweise anzubieten (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1230/78, und vom , Zl. 81/11/0057).

Aber auch für Verwaltungsverfahren, für die eine "NACHWEISPFLICHT" (BEWEISLAST) einer Partei STATUIERT ist (so hat z.B. nach § 46 Abs. 4 AlVG der Arbeitslose "seinen Anspruch beim Arbeitsamt nachzuweisen"), wird unter Hinweis auf den in § 39 Abs. 2 AVG normierten Verfahrensgrundsatz der amtswegigen Beischaffung des entscheidungsrelevanten Prozeßstoffes eine formelle Beweislast des Inhaltes abgelehnt, daß die Unterlassung eines "Nachweises" ohne weiteres die Annahme des Nichtvorliegens des zu Erweisenden rechtfertigte. Vielmehr obliegt es auch in solchen Verfahren der Behörde, unter den vorher genannten Einschränkungen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nachzukommen (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 92/08/0212, und vom , Slg. N. F. Nr. 9771/A).

Unterläßt eine PARTEI diese ihr obliegende MITWIRKUNG trotz der ihr, allenfalls nach Rechtsbelehrung (§ 13 a AVG) unter Setzung einer angemessenen Frist, gebotenen Möglichkeit bzw. nach entsprechenden Aufforderungen, so wird es nach der zitierten Judikatur (vgl. auch Ringhofer I, E. 55 zu § 39) nicht als rechtswidrig angesehen, wenn die Behörde von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen durchführt, sondern auch diese Unterlassung IN DIE WÜRDIGUNG DER VORLIEGENDEN ERMITTLUNGSERGEBNISSE EINBEZIEHT; dies allerdings nur, wenn und soweit die Behörde ohne Mitwirkung der Partei ergänzende Ermittlungen nicht oder nur mit einem unzumutbaren Aufwand durchführen kann oder deren Notwendigkeit gar nicht zu erkennen vermag.

Zu beachten ist aber, daß die Unterlassung der Mitwirkungspflicht einer Partei die Behörde weder ihrer Verpflichtung zur Gewährung des Parteiengehörs noch ihrer Begründungspflicht enthebt (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom ,

Zlen. 81/11/0009, 0041).

Da somit die für die Verletzung der Entscheidungspflicht maßgebenden Rechtsfragen geklärt sind, wird der belangten Behörde gemäß § 42 Abs. 4 VwGG aufgetragen, die versäumte Entscheidung unter Zugrundelegung der im Spruch zusammengefaßten Rechtsanschauung zu erlassen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 55 VwGG, in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da bereits die vorher angestellten Überlegungen zeigen, daß die Verzögerung der behördlichen Entscheidung nicht AUSSCHLIESSLICH auf das Verschulden der Partei zurückzuführen war, kommt ein Ausschluß des § 55 Abs. 1 VwGG nicht in Frage.