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VwGH vom 07.07.2004, 99/13/0197

VwGH vom 07.07.2004, 99/13/0197

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde des K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom , Zl. RV/202-15/14/98, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 181,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. Seine Kanzlei befindet sich im Erdgeschoß seines Hauses, in dessen Obergeschoß seine Privatwohnung liegt. Die Kanzleiräumlichkeiten werden über einen - nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Beschwerdeführers von ihm repräsentativ ausgestalteten - Vorraum erreicht, der im Streitjahr auch ständig zur Erreichung der privaten Wohnräume benützt wurde. Die Eigenschaft der auf diesen Vorraum entfallenden Aufwendungen des Hauses als solche betrieblicher oder solche privater Natur bildet den einzig verbliebenen Streitpunkt des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.

Gegen den Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes, in welchem bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen der Vorraum zur Gänze dem Privatbereich zugeordnet worden war, wandte sich der Beschwerdeführer in seiner Berufung unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 1268/61, mit dem Vorbringen, dass bei einem Vorzimmer auf das Überwiegen der betrieblichen oder der privaten Nutzung abzustellen sei. Wenn auf Grund einer entsprechend großen Kundenzahl, welche diesen Vorraum benütze, davon auszugehen sei, dass die betriebliche Nutzung überwiege, dann sei ein solcher Bereich zur Gänze dem betrieblichen Teil zuzurechnen. So verhalte es sich in seinem Fall. Er habe den Vorraum, der zum großen Teil eine Raumhöhe von fünf Metern aufweise, zu einem repräsentativen Kanzleieingang gestaltet, der fast ausschließlich betrieblich genutzt werde, weil nach dem Öffnen der Hauseingangstüre durch Fernbedienung alle Klienten in diesem Bereich in Empfang genommen würden. Es werde dieser Teil des Hauses damit nicht nur von allen Mitarbeitern der Rechtsanwaltskanzlei (insgesamt acht Personen) täglich und oftmals benützt, sondern auch von allen Lieferanten und Serviceleuten, von der Post- und Paketzustellung und er diene vor allem dem täglichen Klientenverkehr. Da dieser Vorraum damit zum weit überwiegenden Teil betrieblich genutzt werde, müsse er auch dem betrieblichen Teil zugerechnet werden.

Nachdem das Finanzamt eine Nachschau in den Räumlichkeiten des Hauses veranlasst hatte, gab es der Berufung des Beschwerdeführers mit Berufungsvorentscheidung teilweise statt, ordnete den Vorraum aber weiterhin zur Gänze dem Privatbereich zu. Da der Zugang sowohl zum privaten Wohnbereich als auch zu den Kanzleiräumlichkeiten nur über diesen Vorraum möglich sei, stelle er unabhängig davon, in welchem Ausmaß er für betriebliche oder für private Zwecke benützt würde, seiner Funktion für die Nutzung der privaten Wohnräume nach einen unabdingbaren Gebäudeteil dar. Da die betriebliche Nutzung dieses Raumes von der Benützung zu Zwecken der privaten Lebensführung somit nicht getrennt werden könne, seien die mit diesem Raum zusammenhängenden Aufwendungen nicht abziehbar, heißt es in der Begründung der Berufungsvorentscheidung unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 91/13/0146.

In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz äußerte der Beschwerdeführer die Ansicht, dass der dem hg. Erkenntnis vom , 91/13/0146, zu Grunde gelegene Beschwerdefall mit seinem Fall nicht vergleichbar sei, weil dort über ein Einfamilienhaus entschieden worden sei, in welchem auch eine Ordination untergebracht gewesen sei, während es sich in seinem Fall um ein Bürogebäude handle, in welchem im Obergeschoß auch Wohnmöglichkeiten vorhanden seien. Der in Rede stehende Vorraum sei weitestgehend in das Kanzleigeschehen eingebunden und seine Ausstattung sei auch dementsprechend klientengerecht gestaltet. Die Annahme des Finanzamtes, dass der private Bereich des Hauses ausschließlich über den Vorraum erreichbar sei, widerspreche den tatsächlichen Gegebenheiten, weil der private Bereich auch durch einen Seiteneingang erreichbar sei. Dieser Seiteneingang sei in den Jahren 1994 bis 1996 allerdings "kaum bzw. nicht" verwendet worden. Es sei jedoch von Anfang an geplant gewesen, diesen Seiteneingang so weit auszubauen, dass er als ständiger Privateingang verwendet werden könne. Dieser Umbau sei aus zeitlichen und finanziellen Gründen bislang noch nicht durchgeführt worden, jedoch für die nächste Zeit beabsichtigt; begehbar sei der Seiteneingang grundsätzlich schon immer gewesen. Auf das hg. Erkenntnis vom , 1268/61, wurde vom Beschwerdeführer erneut verwiesen.

In der mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde wies der Beschwerdeführer auf die von ihm vorgenommene Umgestaltung des Vorraumes hin und brachte vor, dass immer ein gesonderter, für die private Verwendung vorgesehener Eingang existiert habe. Dieser Eingang sei allerdings bis zum Jahre 1998 üblicherweise nicht benützt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers in der hier strittigen Frage nicht Folge. Begründend verwies die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 und die hiezu erstatteten Ausführungen des hg. Erkenntnisses vom , 91/13/0146. Der Vorraum des Hauses des Beschwerdeführers, dessen Einbeziehung in die ausschließlich betrieblich genutzte Fläche des Gebäudes strittig sei, stelle den einzig tatsächlich benützten Zugang nicht nur zu den Kanzleiräumen, sondern auch zu den den Wohnzwecken dienenden Räumen im Streitjahr dar. Die Nutzung dieses Vorraumes für berufliche Zwecke könne seiner Natur nach nicht von Zwecken der Lebensführung getrennt werden. Vom Vorliegen einer privaten Mitbenützung von nur untergeordneter Bedeutung könne beim gegebenen Sachverhalt nicht gesprochen werden. Sei der Vorraum für das Erreichen der im Obergeschoß des Hauses gelegenen Wohnung benützt worden, dann liege eine nahezu ausschließlich betriebliche Nutzung dieses Raumes nicht mehr vor. Aus dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1268/61, sei für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. In diesem Erkenntnis sei die Beschwerde eines Malers und Restaurators mit der Begründung abgewiesen worden, dass die Annahme der damals belangten Behörde, dass das Vorzimmer überwiegend privaten Interessen diene, angesichts der sehr kleinen Kundenzahl des damaligen Beschwerdeführers nicht unschlüssig sei. Der vom Beschwerdeführer aus den Aussagen dieses Erkenntnisses gezogene Umkehrschluss, bei großer Kundenzahl sei der Vorraum dem betrieblichen Bereich zuzuordnen, sei verfehlt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers über die Art und Weise der Renovierung dieses Vorraumes könne seinen Standpunkt auch nicht tragen, weil es auf die Art der getätigten Renovierungsarbeiten und den dafür aufgewendeten Betrag nicht ankomme, sondern allein auf das Überwiegen einer betrieblichen Nutzung dieses Raumes, welches nicht gegeben sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Werden einzelne, bestimmt abgegrenzte Teile eines Gebäudes betrieblich genutzt, andere hingegen privat benützt, dann ist das Gebäude nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Zwecke der Ermittlung der Abgabenbemessungsgrundlagen in einen betrieblichen und in einen privaten Teil aufzuteilen, wovon nur dann Abstand zu nehmen ist, wenn der betrieblich genutzte oder der privat benützte Teil von bloß untergeordneter Bedeutung ist (siehe die hg. Erkenntnisse etwa vom , 2001/15/0025, vom , 98/15/0019, vom , 96/15/0051, vom , 94/15/0211, und vom , 94/14/0151). Gebäudeteile, die gemeinschaftlichen Zwecken dienen, beeinflussen dabei nicht das Aufteilungsverhältnis, sondern sind entsprechend dem Verhältnis der anderen Räumlichkeiten aufzuteilen (siehe die hg. Erkenntnisse etwa vom , 97/13/0019, und vom , 91/14/0110). Maßgeblich für die vorzunehmende Aufteilung ist dabei jeweils die konkrete Nutzung oder Benützung der Räumlichkeiten in jenem Streitjahr, dessen Abgabenbemessungsgrundlagen es zu ermitteln gilt (siehe die hg. Erkenntnisse vom , 96/14/0069, vom , 93/15/0110, und vom , 90/14/0066). Wie der Verwaltungsgerichtshof im letztzitierten Erkenntnis klargestellt hat, handelt es sich bei der Beurteilung des Überwiegens einer beruflichen Nutzung oder einer privaten Benützung eines Gebäudeteiles um die Beantwortung einer Tatsachenfrage, die von der Abgabenbehörde auf der Ebene ihrer Befugnis und Obliegenheit zur freien Beweiswürdigung zu lösen ist.

Die von der belangten Behörde im Beschwerdefall gefundene Sachfragenlösung steht in Anbetracht der von ihr nicht in Zweifel gezogenen Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers über die Ausgestaltung und tatsächliche Nutzung des betroffenen Vorraums mit der Lebenserfahrung nicht im Einklang. Ein für sämtliche Angestellte und den gesamten Klientenverkehr einer Rechtsanwaltskanzlei verwendeter Vorraum weist eine betriebliche Nutzung dieses Raumes in einem Ausmaß auf, welches es nicht gestattet, die auf einen solchen Raum entfallenden Aufwendungen aus dem betrieblichen Bereich zur Gänze auszuscheiden. Entgegen der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung ist der vom Beschwerdeführer aus den Aussagen des hg. Erkenntnisses vom , 1268/61, gezogene Umkehrschluss nicht grundsätzlich verfehlt (siehe desgleichen auch die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom , 91/13/0231).

Mit dem aus § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 abgeleiteten Aufteilungsverbot ließ sich die gänzliche Ausscheidung der auf den Vorraum entfallenden Aufwendungen aus dem betrieblichen Bereich im Beschwerdefall nicht tragfähig begründen, weil die dem Aufteilungsverbot zu Grunde liegenden Überlegungen bei der Beurteilung der Aufwendungen für ein Gebäude hinter den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Aufteilung eines gemischt genutzten Gebäudes in den betrieblichen und in den privaten Bereich zurückzutreten haben. Die Aussagen des von der belangten Behörde ins Treffen geführten hg. Erkenntnisses vom , 91/13/0146, dürfen nicht in einer über die in diesem Erkenntnis gebilligte Sachfragenlösung hinausgehenden Weise generalisierend missverstanden werden. Vom vorliegenden Beschwerdefall unterscheidet sich der Fall des genannten Erkenntnisses schon dadurch, dass die privaten Räumlichkeiten im dortigen Beschwerdefall gar nicht anders als durch Benützung des dort in Rede stehenden Raumes erreicht werden konnten, was für den vorliegenden Beschwerdefall der Sachlage nach nicht zutrifft, wenngleich der Beschwerdeführer eingeräumt hat, dass der bestehende zweite Eingang im Streitjahr regelmäßig nicht benützt wurde.

Dieser vom Beschwerdeführer eingeräumte Umstand stand einer gänzlichen Zuordnung des Vorraums zum betrieblichen Bereich, wie ihn der Beschwerdeführer begehrt hatte, für das Streitjahr gewiss entgegen, was es bei der im Beschwerdefall vorgefundenen Sachlage nahe legte, die Aufwendungen für den Vorraum im Sinne der oben genannten Judikaturgrundsätze über die Zuordnung gemeinschaftlichen Zwecken dienender Gebäudeteile entsprechend dem Verhältnis der anderen Räumlichkeiten aufzuteilen.

Indem die belangte Behörde, von einem vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsfolgenverständnis der Bestimmung des § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988 ausgehend, die Aufwendungen für den gewichtig auch betrieblich genutzten Vorraum zur Gänze aus dem betrieblichen Bereich ausgeschieden hat, hat sie damit den angefochtenen Bescheid im Ergebnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, welcher deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003. Der Kostenersatz für den Schriftsatzaufwand war gemäß § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG in der Fassung BGBl. Nr. 88/1997 nicht zuzusprechen, weil der Beschwerdeführer nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom , 2003/15/0021).

Wien, am