VwGH vom 16.09.2003, 2003/14/0040
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des B T in K, vertreten durch Mag. Rudolf Vouk, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom , Zl. RV 345/1-4/02, betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdeverfahrens wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/14/0233, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der damals angefochtene Bescheid der belangten Behörde vom wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, die belangte Behörde habe bei Geltendmachung der Geschäftsführerhaftung gemäß § 9 BAO offenbar in Verkennung der Rechtslage keine konkreten Feststellungen über die Höhe der zu erwartenden Konkursquote getroffen und es unterlassen, die Haftung auf den voraussichtlich auch nach Abwicklung des Konkursverfahrens verbleibenden uneinbringlichen Teil der Abgabenforderungen zu beschränken.
Im fortgesetzten Verfahren gab die belangte Behörde der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid teilweise Folge und setzte den Haftungsbetrag gegenüber der aufgehobenen Berufungsentscheidung von 953.898 S auf 40.674,40 EUR (559.692 S) herab. Diese Haftungssumme gliederte sich in Beträge für Umsatzsteuer 1996 (1.830 S), September 1997 (222.918 S) und November 1997 (306.231 S), sowie Säumniszuschläge 1997 (von insgesamt 18.949 S), Pfändungsgebühren (9.756 S) und Porto (6 S).
Zur Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges aus, der Beschwerdeführer habe das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung nicht nachgewiesen. Durch den Abschluss eines Globalzessionsvertrages im Jahr 1996 habe sich der Beschwerdeführer der Möglichkeit begeben, die Gleichbehandlung aller Gläubiger durchzusetzen, was letztlich zur Uneinbringlichkeit der gegenständlichen Abgabenforderungen geführt habe. Sollte die Zessionsvereinbarung, wie vom Beschwerdeführer behauptet, ungültig gewesen und vom Masseverwalter erfolgreich bekämpft worden sein, sei es dem Beschwerdeführer vorzuwerfen, als Geschäftsführer nicht selbst reagiert und vor Konkurseröffnung die Gleichbehandlung aller Gläubiger durchgesetzt zu haben. Auch sei aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer unmittelbar vor Konkurseröffnung dem Finanzamt noch drei Fahrzeuge verpfändet habe, für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Die Konkursforderungen der Abgabenbehörde hätten insgesamt nämlich 5,142.773 S (davon im Zeitpunkt der Pfändung fällig 2,016.374 S), der Verwertungserlös der Fahrzeuge nach Abzug der Kosten hingegen nur 281.160,40 S betragen. Hinsichtlich des Umfanges der Haftung habe bereits das Finanzamt in seiner Berufungsvorentscheidung vom eine Einschränkung auf jene Umsatzsteuerbeträge einschließlich Nebengebühren vorgenommen, die vor Konkurseröffnung bereits fällig gewesen seien. Dieser Vorgangsweise folge die belangte Behörde und reduziere darüber hinaus (wie in einer nachfolgenden Tabelle dargestellt) die Beträge um die seit Erlassung des Haftungsbescheides erfolgten Gutschriften nach Maßgabe der Vorschriften über die Verrechnung auf die älteste Abgabenschuld. Im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom werde überdies die Konkursquote in Höhe von 7,7 % angerechnet. Bei der Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung handle es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der zu berücksichtigen sei, dass die betreffenden Abgabenforderungen auf Grund des abgeschlossenen Insolvenzverfahrens bei der Gesellschaft uneinbringlich seien. Die Nichtentrichtung der Abgaben sei dem Beschwerdeführer anzulasten, weshalb aus Gründen der Zweckmäßigkeit im Sinne des öffentlichen Interesses des Staates an der Einbringung der Abgaben die Haftung des Beschwerdeführers in Anspruch zu nehmen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Der Beschwerdeführer rügt das Fehlen von Feststellungen, die den Kausalzusammenhang zwischen der (vermeintlichen) Pflichtverletzung und der Höhe der geltend gemachten Haftungsbeträge nachvollziehen ließen. Der angefochtene Bescheid gehe davon aus, dass ohne die (vermeintliche) Pflichtverletzung 100 % der Abgabenbeträge einbringlich gewesen wären. Diese Annahme sei aktenwidrig. Vielmehr leuchte aus der der belangten Behörde bekannten Vermögenslage der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung hervor, dass auch ohne Vorliegen einer Zession nur "ein Teil der Abgabenbeträge" hätte bezahlt werden können. Bei "Vollzahlung" der Abgabenbeträge wären sämtliche anderen Gläubiger der Gesellschaft gegenüber der Finanzbehörde benachteiligt, was zur Anfechtung der Zahlung durch den Masseverwalter auf Basis der Vorschriften der Konkursordnung geführt hätte. Darüber hinaus ergäbe sich aus dem Konkursakt sogar der Nachweis, dass eine allfällige Pflichtverletzung keinen Einfluss auf die Einbringlichkeit der Abgabenforderung gehabt habe, weil der Masseverwalter im Rahmen des Konkursverfahrens den Globalzessionsvertrag angefochten und eine außergerichtliche Einigung mit der begünstigten Bank erzielt habe, in deren Ergebnis die von der Bank zunächst vereinnahmten Beträge letztlich doch wiederum der Masse zugeflossen seien. Im Rahmen des Konkursverfahrens habe die Abgabenbehörde an diesem Umstand entsprechend ihrer Konkursquote partizipiert und sei damit faktisch so gestellt worden, als ob bereits der Beschwerdeführer für eine aliquote Befriedigung der Abgabenbehörde gesorgt hätte.
Es trifft zu, dass der Vertreter nicht für sämtliche Abgabenschulden des Vertretenen in voller Höhe haftet, sondern - was sich aus dem Wort "insoweit" in § 9 BAO ergibt - nur in dem Umfang, in dem eine Kausalität zwischen der (schuldhaften) Pflichtverletzung des Vertreters und dem Entgang von Abgaben besteht. Reichten somit die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden und haftet der Vertreter deswegen, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, so erstreckt sich die Haftung des Vertreters auch nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat. Der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, obliegt dem Vertreter. Vermag er nachzuweisen, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, so haftet er nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Wird dieser Nachweis nicht angetreten, kann dem Vertreter die uneinbringliche Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden (vgl. mit weiteren Nachweisen das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 96/15/0049, Slg. 7.440/F).
Der Beschwerdeführer hat auch im fortgesetzten Verfahren einen derartigen Nachweis nicht erbracht. Soweit in der Beschwerde auf die erfolgreiche Anfechtung des Globalzessionsvertrages durch den Masseverwalter verwiesen wird, lässt der Beschwerdeführer sein eigenes im Vorlageantrag vom gemachtes Vorbringen außer Acht. Danach habe es sich beim gegenständlichen Zessionsvertrag um eine so genannte stille Zession gehandelt. Dies habe - wie in der genannten Eingabe weiter ausgeführt wird - bedeutet, "dass wir weder unseren Kunden noch auf unseren Rechnungen einen Vermerk über die Abtretung der Forderungen zu Gunsten der (X Bank) bekannt geben bzw. durchführen mussten. Dadurch konnten wir über die gesamte Dauer, eine Gleichbehandlung aller Kunden gewährleisten. Unsere Kunden zahlten ihre Rechnungen mit Wissen der (X Bank) auf unsere Konten bei 6 verschiedenen Banken ein. Erst seit Juni 1997 wurde auf Drängen der (X Bank) auf allen Ausgangsrechnungen lediglich die (X Bank) Kontonummern angeführt, was jedoch unsere Kunden nicht daran hinderte weiter auf die anderen Konten einzuzahlen." Im November und Dezember 1997 habe die X Bank zwar vermehrt darauf gedrängt, dass die Rechnungen mit dem Vermerk der Forderungsabtretung versehen werden sollten. Aus näher dargestellten Gründen habe die Primärschuldnerin jedoch darauf "vergessen", sodass es zu einer Bevorzugung der X Bank tatsächlich nicht gekommen sei.
Nach diesen im Verwaltungsverfahren gemachten Ausführungen kann keine Rede davon sein, dass sich auf Grund der erfolgreichen Bekämpfung des Zessionsvertrages durch den Masseverwalter ein Nachweis, welche Beträge auf welchen Konten vereinnahmt und wie die liquiden Geldmittel verwendet worden seien, erübrigt habe.
Der Beschwerdeführer bekämpft weiters die Ermessensübung. Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen zeigen allerdings nicht auf, dass die belangte Behörde bei seiner Inanspruchnahme als Haftender das Ermessen nicht dem Gesetz entsprechend geübt hätte. Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der Fälligkeit der aushaftenden Abgaben unbestritten alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft und somit der einzig in Betracht kommende Haftungspflichtige im Sinne des § 9 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 80 ff BAO. Zum Einwand, die belangte Behörde hätte berücksichtigen müssen, dass das gegen ihn eingeleitete Finanzstrafverfahren in Ansehung der Umsatzsteuervorauszahlung für November 1997 gemäß § 136 FinStrG eingestellt worden sei, ist zu sagen, dass weder ein völliges Unterbleiben eines Strafverfahrens, noch die Einstellung von Vorerhebungen oder Voruntersuchung, noch ein freisprechendes Urteil des Strafgerichtes eine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 1 BAO bewirken kann. Während der Tatbestand der Abgabenhinterziehung ein vorsätzliches Handeln erfordert, setzt die Haftung des Geschäftsführers eine bestimmte Schuldform nicht voraus (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 96/14/0158). Dass dem Beschwerdeführer ein (allenfalls im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigendes) besonders geringes Verschulden anzulasten sei, kam im Verfahren - da der Beschwerdeführer wie oben ausgeführt keine Unterlagen über die vorhandenen Mittel und deren Verwendung vorgelegt hat - nicht hervor. Die Verpfändung von Vermögenswerten kurz vor der Konkurseröffnung hat zu einer entsprechenden Verminderung des eingetretenen Schadens beim Abgabengläubiger beigetragen und damit die Haftung des Geschäftsführers reduziert; einer zusätzlichen Berücksichtigung dieses Umstandes im Rahmen der Ermessensübung bedurfte es nicht. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren auch nicht aufgezeigt, dass seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (gerade) durch die Geltendmachung der Haftung in besonderer Weise beeinträchtigen würde. Mit dem unbestimmten Beschwerdeeinwand, dem Beschwerdeführer sei es "persönlich nicht möglich, die im Haftungswege geforderten Beträge zu erwirtschaften", wird eine verfehlte Ermessensübung jedenfalls nicht dargetan.
Was schließlich die Haftung für die Säumniszuschläge anlangt, wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, diese stünden im Zusammenhang mit den haftungsgegenständlichen Umsatzsteuern und hätten durch Berücksichtigung der Konkursquote gegenüber der im ersten Rechtsgang erfolgten Vorschreibung eine entsprechende Minderung erfahren. Der diesbezüglich gerügte Begründungsmangel liegt daher nicht vor. In diesem Zusammenhang bleibt noch zu ergänzen, dass durch die Verrechnung von Zahlungen und sonstigen Gutschriften auf die dem Fälligkeitstag nach älteste Abgabenschuld (§ 214 Abs. 1 BAO) Rückstände an Umsatzsteuern vor den entsprechenden Säumniszuschlägen getilgt werden.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am