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VwGH vom 19.04.2006, 2003/13/0111

VwGH vom 19.04.2006, 2003/13/0111

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel, LL.M., über die Beschwerde des O G in W, vertreten durch Dr. Georg Karasek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom , Zl. ABK - G 41/01, betreffend Haftung nach §§ 7 und 54 WAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Liquidator der G-GmbH für rückständige Abgaben dieser Gesellschaft, und zwar Kommunalsteuer Jänner 1994 bis Dezember 1994, Dienstgeberabgabe Jänner 1994 bis Dezember 1994, Dienstgeberabgabe Jänner 1995 bis Dezember 1995, Pfändungsgebühren sowie Säumniszuschlag zur Kommunalsteuer mit einem Gesamtbetrag von S 11.445,-- zur Haftung herangezogen.

In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, dass er schon mit Schreiben vom vorgebracht habe, erst ab Liquidator der G-GmbH gewesen zu sein und "während der Zeit seiner Bestellung zum Liquidator der streitverfangenen Gesellschaft keinerlei Zahlungen an die Gläubiger der Gesellschaft geleistet habe". Dem halte der Haftungsbescheid lediglich kursorisch entgegen, dass "im Zeitraum August 1995 bis Februar 1996 ... seitens des Liquidators, Herrn (den Beschwerdeführer), nachweislich Zahlungen geleistet und auch Dienstnehmer beschäftigt" worden seien. Dem Beschwerdeführer sei nicht bekannt, auf welche Beweismittel sich die Abgabenbehörde stütze. "Aber selbst wenn der Liquidator" während des relevanten Zeitraumes Zahlungen geleistet haben sollte, würde sich daraus keine Haftung des Beschwerdeführers für die Altschulden ergeben, weil Zug um Zug-Geschäfte nicht haftungsbegründend seien. Nur wenn sich Zahlungen an Altgläubiger erweisen ließen, könne der Beschwerdeführer allenfalls für einen Teilbetrag der Abgabenschulden zur Haftung herangezogen werden.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung vom Magistrat der Stadt Wien als unbegründet abgewiesen. Aus der Jahreserklärung für 1995 vom und aus der Revisionsniederschrift vom sei ersichtlich, dass "im Zeitraum 1-12/1995 Löhne und Gehälter ausbezahlt" worden seien. Die damit fälligen Abgaben seien jedoch nicht entrichtet worden. Durch die Schlechterstellung des Abgabengläubigers habe der Beschwerdeführer seine Pflicht zur Gleichbehandlung aller Gläubiger verletzt. Den Nachweis, dass ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich war, habe der Beschwerdeführer nicht erbracht. Die Pflichtverletzung ergebe sich aus der Missachtung abgabenrechtlicher Bestimmungen. Der Beschwerdeführer hätte dafür Sorge tragen müssen, dass Kommunalsteuer und Dienstgeberabgabe für den Haftungszeitraum fristgerecht entrichtet werden.

In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz rügte der Beschwerdeführer, dass sich die Abgabenbehörde mit seinem Vorbringen nicht auseinander gesetzt habe. Aus der Jahreserklärung 1995 und dem in der Berufungsvorentscheidung angesprochenen Revisionsbericht lasse sich nicht ableiten, in welchen Monaten des Jahres 1995 Löhne und Gehälter ausbezahlt worden seien, was aber entscheidungswesentlich sei, weil der Beschwerdeführer - wie mehrfach vorgebracht - erst ab zum Liquidator der G-GmbH bestellt worden sei. Abgesehen von einer geringfügigen Schuld an Dienstgeberabgabe für das Jahr 1995 beträfe der Haftungsbescheid ausschließlich Abgabenschuldigkeiten des Jahres 1994. Der Beschwerdeführer habe keine "Altschulden" bezahlt. In der Zeit ab seien keine Dienstnehmer beschäftigt und keine laufende Bezüge bezahlt worden. Es werde ersucht, jene Beweismittel bekannt zu geben, auf Grund derer die Abgabenbehörde erster Instanz vermeine, dass der Beschwerdeführer als Liquidator Lohn- und Gehaltszahlungen geleistet habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Unbestritten sei, dass der Beschwerdeführer vom bis zu der am erfolgten Konkurseröffnung Liquidator der Gesellschaft gewesen und der Konkurs mangels Kostendeckung aufgehoben worden sei. Die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich daraus, dass er die Abgabenschulden, mit deren Abfuhr die Gesellschaft in Rückstand geraten sei, nicht entrichtet habe. Bei der Übernahme der Tätigkeit habe sich ein Geschäftsführer (Liquidator) darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die nunmehr von ihm vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei. Sodann habe er für die Entrichtung der Rückstände zu sorgen. Der Beschwerdeführer habe den ihm obliegenden Nachweis einer anteiligen Begleichung aller Verbindlichkeiten nicht erbracht. Dass die Lohn- und Gehaltzahlungen bereits vor der Bestellung des Beschwerdeführers zum Liquidator erfolgt seien, sei unerheblich, weil die Gesellschaft verpflichtet bleibe, Abgabenschulden, mit deren Abfuhr sie in Rückstand geraten sei, zu erfüllen.

Dem Beschwerdeführer obliege nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch die Beweislast, dass er sich bei Übernahme der Geschäftsführertätigkeit darüber unterrichtet habe, ob und in welchem Ausmaß die nunmehr von ihm vertretene Gesellschaft ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei. Ein Vorbringen, dass der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden keine Kenntnis der Altschulden gehabt habe, habe der Beschwerdeführer nicht erstattet. Dass der Gesellschaft ab dem Zeitpunkt der Bestellung des Beschwerdeführers zum Liquidator überhaupt keine Mittel zur Verfügung gestanden wären, sei nicht anzunehmen, weil der Beschwerdeführer selbst eingeräumt habe, gegebenenfalls Zahlungen für "Zug um Zug-Geschäfte" geleistet zu haben. Da im Sinne des Gleichbehandlungsgebotes auch derartige Zahlungen nicht privilegiert seien, stehe die schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers fest.

Die Geltendmachung der Haftung entspreche auch den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Billigkeit, zumal der "Vorgänger des Berufungswerbers als Liquidator und vormaliger Geschäftsführer der Gesellschaft (Z. W.)" am abgeschoben worden sei und der Beschwerdeführer somit als einziger Haftungspflichtiger verbleibe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift und Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 WAO in der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Fassung der Novelle LGBl. Nr. 40/1992 haften die in den §§ 54 ff bezeichneten Vertreter und sonstigen Verpflichteten neben den Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, sei es abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.

Nach § 54 Abs. 1 WAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Die Pflicht zur Entrichtung von Abgabenschuldigkeiten endet nicht mit dem Zeitpunkt der Entstehung der (Abgabenzahlungs-)Schuld, sondern erst mit deren Abstattung. Die GmbH bleibt verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr bzw. Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen, und zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist gemäß § 54 WAO der Geschäftsführer einer GmbH verhalten. Dieser muss sich bei der Übernahme seiner Geschäftsführertätigkeit darüber unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene GmbH bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 89/15/0021, sowie vom , 2000/16/0601).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe des Geschäftsführers, darzutun, weshalb er den auferlegten Pflichten nicht entsprochen habe, insbesondere nicht habe Sorge tragen können, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung ursächlich für die Uneinbringlichkeit war. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft zur Verfügung gestanden sind, hiezu nicht ausreichten, es sei denn, er weist nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hat als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2004/13/0156, vom , 2001/13/0286, und vom , 97/13/0080, mwN, sowie die zur Bestimmung des § 9 Abs. 1 BAO ergangenen hg. Erkenntnisse vom , 2002/13/0218, und vom , 99/13/0032, mwN).

Der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung bezieht sich auch auf Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlich sind. Eine Privilegierung von Gläubigern kann daher auch in der Barzahlung von Wirtschaftsgütern, so genannten Zug um Zug-Geschäften, bestehen. Der vom Vertreter zu erbringende Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger hat somit auch die von der Gesellschaft getätigten Zug um Zug-Geschäfte zu erfassen (vgl. für viele die hg. Erkenntnisse vom , 98/14/0189, und vom , 2004/14/0030).

Im vorliegenden Fall hat sich der Beschwerdeführer auf das Vorbringen beschränkt, im Zeitraum seiner Tätigkeit als Liquidator der Gesellschaft keine "Altschulden" beglichen zu haben. Dass im Zeitpunkt seiner Bestellung zum Liquidator der Gesellschaft keine Gesellschaftsmittel mehr vorhanden gewesen seien, hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet. Solches ließ sich auch seinem sonstigen Vorbringen nicht entnehmen, wenn im Schreiben vom vorgetragen wurde, dass "nach Konkursaufhebung und Verteilung des Vermögens" vom Beschwerdeführer "schon mangels liquider Mittel" keinerlei Zahlungen geleistet wurden. Auch vor dem Verwaltungsgerichtshof rügt der Beschwerdeführer zwar, dass die belangte Behörde "keine weiteren Nachforschungen" angestellt und keine "weiteren Aufforderungen an den Beschwerdeführer" gerichtet habe, trägt aber selbst in der Beschwerde keinen Sachverhalt vor, bei dessen Erweislichkeit sich der an den Beschwerdeführer gerichtete Vorwurf der Verletzung seiner Vertreterpflichten als zu Unrecht erhoben beurteilen ließe. Dass der Beschwerdeführer keine Zahlungen an Gläubiger der Gesellschaft geleistet habe, ist eine Behauptung, die alleine nicht ausreicht, den Beschwerdeführer zu entlasten, weil es am Beschwerdeführer war aufzuzeigen, warum er ohne sein Verschulden nicht dafür Sorge tragen konnte, die schon bestandenen und - wie von ihm eingeräumt - im geringfügigen Ausmaß während der Zeit seiner Geschäftsführung neu entstandenen Abgabenbeträge zu entrichten.

Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 146 Abs. 2 WAO vorwirft, übersieht er, dass mit dem angefochtenen Bescheid keine Abgabenfestsetzung erfolgte.

Zur erstmals vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobenen Verjährungseinrede weist die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift auf im Jahr 1998 gesetzte, die Verjährung unterbrechende Amtshandlungen hin. Diesen auf die Haftungsinanspruchnahme des früheren Geschäftsführers gerichteten Amtshandlungen (Meldeanfrage und Erhebung der voraussichtlichen Haftdauer) kommt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verjährungsunterbrechende Wirkung auch gegenüber dem Beschwerdeführer zu (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 91/13/0037, 0038, sowie das hg. Erkenntnis vom , 97/14/0160).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am