VwGH vom 24.03.1998, 97/05/0301
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Josef Rottner in Tumeltsham, vertreten durch Dr. Benno Wageneder und Dr. Claudia Schoßleitner, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, Adalbert-Stifter-Straße 16, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BauR - 011580/6 - 1997/GR/Lg, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien:
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1. | Gemeinde Tumeltsham, vertreten durch den Bürgermeister, | |||||||||
2. | Allgemeiner Sportverein Tumeltsham, vertreten durch den Obmann Reinhard Gumpinger, Tumeltsham, Aigen 70, 3. Turn- und Sportunion Tumeltsham, vertreten durch die geschäftsführende Obfrau Renate Hamader, Tumeltsham, Ornetsmühl 30), zu Recht erkannt: |
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom beantragten die mitbeteiligten Vereine Allgemeiner Sportverein Tumeltsham und Turn- und Sportunion Tumeltsham (ursprünglich aufgetreten als "Tennisspielgemeinschaft-Tumeltsham") die Erteilung der Baubewilligung für eine Flutlichtanlage für zwei Tennisfelder auf dem Grundstück Nr. 126/1 der Liegenschaft EZ 279, KG Stöcklgras. Dieses der erstmitbeteiligten Gemeinde gehörige Grundstück weist die Widmung "Erholungsflächen Sport- und Spielflächen" auf. Auf dem Grundstück befinden sich weiters ein Fußballplatz und Asphaltbahnen zum Stockschießen.
Das dem Beschwerdeführer gehörige Grundstück Hollenberg 1 ist rund 200 m von den vorerwähnten Tennisplätzen entfernt. Die am beim Wohnhaus des Beschwerdeführers durchgeführten Lärmmessungen des Amtes der OÖ. Landesregierung, Unterabteilung Lärm- und Strahlenschutz, ergaben einen Grundgeräuschpegel im Freien am Tag von 35 dB und am Abend von 18 Uhr bis 22 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 6 Uhr bis 22 Uhr von 30 dB. Vom Tennisbetrieb waren einzelne Spitzen des Schlaggeräusches subjektiv wahrnehmbar und meßtechnisch erfaßbar (maximal 48 dB).
In der mündlichen Verhandlung vom erhob der nicht persönlich geladene Beschwerdeführer Einwendungen wegen ungebührlicher Lärmerregung durch das beantragte Bauvorhaben, welches ihn in seinem Wohlbefinden und in seiner Gesundheit beeinträchtige. Die Besonderheit des "Tennislärms" liege darin, daß er nicht als gleichmäßiges Geräusch auftrete, sondern als ein in unregelmäßigen Intervallen auftretendes dumpfes Schlaggeräusch. Diese Geräusche würden nun bei Flutlichtbetrieb in den Abendstunden, wenn der Beschwerdeführer sein Haus und seinen Garten intensivst für Ruhe und Erholung nutze, entstehen.
Der beigezogene medizinische Sachverständige führte in seinem Gutachten vom aus, eine Gesundheitsgefährdung der 200 m entfernt wohnenden Anrainer bestehe durch die zu bewilligende Flutlichtanlage nicht. Eine bis 22 Uhr in Betrieb befindliche Flutlichtanlage stelle auch keine unzumutbare Lärmbelästigung für einen normal empfindenden Durchschnittsmenschen dar, da diese zu einer Jahres- und Tageszeit in Betrieb genommen werde, in der üblicherweise Türen und Fenster geschlossen seien und der Fernsehapparat in Betrieb sei. Die Ballgeräusche befänden sich im mittleren Frequenzbereich und hätten insbesondere auf eine Entfernung von ca. 200 m keinen störenden Einfluß. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde die beantragte Baubewilligung für die Errichtung einer Flutlichtanlage für zwei Tennisfelder unter Auflagen erteilt. Der Betrieb der Tennisanlage wurde für die Zeit von 6 Uhr bis 22 Uhr festgelegt. Über die Einwendungen des Beschwerdeführers wurde nicht abgesprochen. Eine Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer erfolgte nicht.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Gemeinde vom wurde dem Beschwerdeführer die von ihm begehrte Parteistellung in diesem Verfahren aberkannt und sein Antrag auf Zustellung des Baubewilligungsbescheides als unzulässig zurückgewiesen. Mit Bescheid des Gemeinderates der erstmitbeteiligten Gemeinde vom wurde der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben.
Mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0003, auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, wurde der Bescheid der OÖ. Landesregierung vom , mit welchem die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den vorgenannten Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde keine Folge gegeben wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof kam zum Ergebnis, daß es nicht ausgeschlossen ist, daß der Beschwerdeführer durch das gegenständliche Bauvorhaben in seinen subjektiven, aus § 46 Abs. 3 im Zusammenhang mit § 23 Abs. 2 BO abgeleiteten Rechten verletzt sein kann, ihm kommt daher Parteistellung in diesem Verfahren zu. In der Folge schlossen sich sowohl die OÖ. Landesregierung mit Bescheid vom als auch der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes an und hoben jeweils die bei ihnen angefochtenen Bescheide auf.
Der Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde hierauf dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am zugestellt.
Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom keine Folge gegeben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der OÖ. Landesregierung vom wurde der Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und festgestellt, daß der Beschwerdeführer durch den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde in seinen Rechten nicht verletzt wird.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem "subjektiv-öffentlichen Recht auf Einhaltung der Vorschriften des § 23 Abs. 2 der OÖ Bauordnung 1976 verletzt".
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Auch die zweit- und die drittmitbeteiligte Partei erstatteten eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 2 der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens hier anzuwendenden OÖ Bauordnung 1976 (BO) bestimmt, daß bauliche Anlagen in allen ihren Teilen so geplant und errichtet werden müssen, daß schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden. Als Einwirkung dieser Art sind dem Gesetz zufolge solche anzusehen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und im besonderen für die Benützer der Bauten und die Nachbarschaft herbeizuführen, wie durch Luftverunreinigung (Änderung der natürlichen Zusammensetzung der freien Luft, z.B. durch Rauch, Ruß, Staub und andere Schwebstoffe, Dämpfe, Gase und Geruchstoffe), Lärm oder Erschütterungen.
Der Nachbar hat im Geltungsbereich der BO auch dann, wenn ihm hinsichtlich der Widmungsfrage kein Mitspracherecht zusteht, aus den konkreten Anordnungen des § 23 Abs. 2 BO ein subjektiv-öffentliches Recht im Sinne des § 46 Abs. 3 leg. cit. (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/05/0173). Der Beschwerdeführer konnte daher auch zulässigerweise eine unzumutbare Lärmbelästigung durch das bewilligte Bauvorhaben einwenden, obwohl das Grundstück, auf welchem die bewilligte Anlage errichtet werden soll, laut Flächenwidmungsplan in der keinen Immissionsschutz gewährenden Widmung Grünland mit der Sonderwidmung "Erholungsflächen Sport- und Spielflächen" liegt. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch in ständiger Rechtsprechung auch darauf hingewiesen, daß Emissionen, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, von den Nachbarn hingenommen werden müssen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/05/0004, u.v.a.). Grenze des zulässigen Ausmaßes an Immissionen kann somit nicht das individuelle Bedürfnis der Bewohner, sondern das ortsübliche Ausmaß sein (vgl. hiezu Hauer, Der Nachbar im Baurecht, 4. Auflage, Seite 263). Es kann demnach der von der belangten Behörde vertretenen Auffassung, daß bei der Beurteilung der Immissionsfrage ein objektiver Maßstab anzulegen ist und auf die spezifisch individuellen Verhältnisse und rein subjektiven Schutzinteressen eines bestimmten Nachbarn - wie etwa überdurchschnittliche Lärmempfindlichkeit im Verhältnis zu einem gesunden, normal empfindenden Menschen - nicht Bedacht zu nehmen ist, nicht entgegengetreten werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist gemäß § 23 Abs. 2 BO jedenfalls die Gesundheit der Nachbarn gewährleistet, weil nach dieser Gesetzesstelle schädliche Umwelteinwirkungen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und im besonderen für die Benutzer der Bauten und die Nachbarn herbeizuführen, möglichst zu vermeiden sind.
Ausgehend von diese Rechtslage vermag der Beschwerdeführer auch keinen entscheidungswesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen. Die gegen das medizinische Sachverständigengutachten vorgebrachten Bedenken sind nämlich aufgrund folgender Überlegungen nicht entscheidungserheblich:
Die Behörde hat Fragen der Immissionsbelastung im Ermittlungsverfahren im allgemeinen durch Mithilfe von Sachverständigen, und zwar im wesentlichen eines technischen und eines medizinischen Sachverständigen, zu klären. Sache des technischen Sachverständigen ist es, über das Ausmaß der zu erwartenden Immissionen und ihre Art Auskunft zu geben, während es dem medizinischen Sachverständigen obliegt, sein Fachwissen hinsichtlich der Wirkungen der Immissionen auf den menschlichen Organismus darzulegen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/05/0217). Im vorliegenden Fall hat nun der technische Amtssachverständige, ausgehend von den Einwendungen des Beschwerdeführers, die Lärmbelastung durch die bewilligte Tennisanlage beim Grundstück des Beschwerdeführers, welches rund 200 m von der bewilligten Anlage entfernt ist, durch Messung festgestellt. Hiebei hat er nicht nur den äquivalenten Dauerschallpegel berücksichtigt, sondern auch die entsprechenden Spitzenwerte erhoben. Diese lagen bei 48 dB. Gemäß der aufgrund des § 21 Abs. 4 OÖ Raumordnungsgesetz 1994 erlassenen OÖ Grenzwertverordnung, LGBl. Nr. 22/1995, gilt selbst für reines Wohngebiet ein Grenzwert für Lärmimmissionen bei Tag von 50 dB und bei Nacht von 40 dB. Die festgelegten Grenzwerte für die Nacht gelten jeweils von 22 Uhr bis 6 Uhr (siehe § 2 OÖ Grenzwertverordnung). Es bedurfte daher im vorliegenden Fall keiner weiteren lärmtechnischen Untersuchung, weil die Grenzwertbelastung bei Nacht infolge des mit 22 Uhr beschränkten Betriebes der bewilligten Anlage nicht in Betracht kommt. Die für den Tag geltenden Grenzwerte werden beim Grundstück des Beschwerdeführers jedoch nicht erreicht. Gegen die vom lärmtechnischen Sachverständigen vorgenommene "Simulation des Spielbetriebes" als Grundlage für die von ihm vorgenommenen Lärmmessungen bestehen seitens des Verwaltungsgerichtshofes keine Bedenken. Diese Situation spiegelt nämlich die den Beschwerdeführer am meisten belastende Lärmsituation wider. Warum dies nicht der Fall sein soll, hat der Beschwerdeführer nicht zu begründen vermocht. Der medizinische Amtssachverständige hatte aufgrund der von ihm zu erfüllenden, oben näher dargelegten Aufgabe auch nicht an Ort und Stelle die Lärmsituation zu erkunden, sondern, aufbauend auf dem Gutachten des amtstechnischen Sachverständigen, die festgestellte Lärmbelästigung aus medizinischer Sicht zu würdigen. Hiebei hatte er nicht, wie oben dargelegt, den subjektiven Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Gegen die nicht als unschlüssig zu erkennenden fachkundigen Ausführungen des medizinischen Sachverständigen in seinem Gutachten vom , wonach die mit maximal 48 dB ermittelten Schlaggeräusche beim Tennisspiel in einer Wohngegend nicht völlig atypisch sind und sich ihrer Intensität nach kaum vom Umgebungslärmpegel abheben, somit aus medizinischer Sicht keine Immissionsbelastung darstellen, hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken. Der Beschwerdeführer ist diesen Ausführungen auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Mit seinen diesbezüglichen Beschwerdeausführungen vermochte der Beschwerdeführer daher auch keine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuzeigen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war auch nicht unter dem Aspekt des Art. 6 MRK geboten, da die für die Entscheidung wesentlichen Sachverhaltselemente feststanden, eine Erörterung von Sachverhaltsfragen nicht erforderlich war und die Rechtsfragen durch die Vorjudikatur geklärt und keiner Erörterung bedürftig waren (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/07/0067).