VwGH vom 20.01.1998, 97/05/0238
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Renate Nessler in Wien, vertreten durch Dr. Hellmut und Dr. Brigitte Weiser, Rechtsanwälte in Wien III, Geologengasse 3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 64 - BE - 74/97, betreffend Kostenvorauszahlungsauftrag gemäß § 4 Abs. 2 VVG in einer Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist aufgrund der Erteilung des Zuschlages in einem Zwangsversteigerungsverfahren seit Mai 1996 Eigentümerin des Grundstückes Nr. 1232, Baufläche, der Liegenschaft EZ 1857, KG 01107 Simmering (Wien XI, Fuchsröhrenstraße 38).
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom wurde der damaligen Eigentümerin des vorgenannten Grundstückes gemäß § 129 Abs. 1, 2, 4 und 10 der Bauordnung für Wien ein aus 16 Punkten bestehender Auftrag erteilt und am die Ersatzvornahme gemäß § 4 VVG angedroht.
Nach Zustellung des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien, MA 64, vom über die Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme teilte die Voreigentümerin des obbezeichneten Grundstückes der Behörde mit, daß sie seit nicht mehr Eigentümerin dieses Grundstückes sei.
Mit Schreiben vom wurde hierauf der Beschwerdeführerin die Ersatzvornahme der mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom aufgetragenen Verpflichtungen angedroht.
Die Beschwerdeführerin teilte hierauf mit Schreiben vom mit, daß sie die Liegenschaft am 14. Mai "1995"im Rahmen einer Zwangsversteigerung erworben habe und für sie nicht ersichtlich gewesen sei, daß der Rechtsvorgängerin bereits bescheidmäßig ein Auftrag nach § 129 der Bauordnung für Wien erteilt worden sei. Im übrigen hätte sie bereits die Punkte 7, 8, 10, 11, 12 und 13 des behördlichen Auftrages erfüllt. Für die übrigen aufgetragenen Leistungen werde um eine Fristerstreckung von zwei Jahren ersucht.
Behördliche Erhebungen am haben ergeben, daß dem Auftrag vom außer Punkt 14 nicht entsprochen wurde.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 64, vom wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 2 VVG für die Kosten der Ersatzvornahme des vorgenannten Auftrages - mit Ausnahme des bereits erfüllten Punktes 14 - als Vorauszahlung ein Betrag von S 270.000,-- vorgeschrieben.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, vom Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom erstmals mit Zustellung der "Androhung der Ersatzvornahme" am Kenntnis erlangt zu haben. Der begehrte Kostenvorschuß sei im Hinblick auf die Sanierung der im zitierten Bescheid angeführten Mängel viel zu hoch bemessen und daher unrichtig. Eine Sanierung der meisten Beanstandungen sei technisch wegen der herrschenden Witterung überhaupt nicht möglich. Einige aufgetragene Arbeiten seien bereits durchgeführt und die Instandsetzung des Hauskanals sei bereits beauftragt worden.
Aufgrund behördlicher Erhebungen wurde am festgestellt, daß dem Auftrag vom mit Ausnahme des Punktes 14 nicht entsprochen wurde.
Die auf sachverständiger Basis ermittelte Kostenschätzung wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom in detaillierter Form mitgeteilt. In ihrer Stellungnahme vom hiezu führte die Beschwerdeführerin aus, mehrere Auftragspunkte bereits erfüllt zu haben.
In einem Aktenvermerk vom wurde hiezu festgehalten, daß eine Besichtigung des Objektes ergeben habe, "daß augenscheinlich am Gangpflaster und an der Fassade Arbeiten durchgeführt wurden".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG im Zusammenhalt mit § 10 Abs. 1 VVG "mit der Maßgabe bestätigt, daß für die Erfüllung der Punkte 4.), 6.), 7.), 8.), 9.), 10.), 11.), 12.) und 13.) keine Kostenvorauszahlung vorgeschrieben wird und sich die Kosten auf S 160.380,-- reduzieren". In der Begründung führte die belangte Behörde aus, um das Vollstreckungsverfahren nicht durch weitere Erhebungen zu verzögern, seien im Sinne des Vorbringens der Beschwerdeführerin für die im Spruch genannten Punkte keine Kosten vorgeschrieben und sei demnach die Kostenvorauszahlungsverpflichtung unter Bedachtnahme darauf reduziert worden. Da mit dem gegenständlichen Bescheid nicht die tatsächliche Durchführung der Arbeiten angeordnet, sondern lediglich ein Exekutionstitel geschaffen werde, um der Behörde die Möglichkeit zur Erwerbung eines Pfandrechtes im Grundbuch zu geben, bedeute die Entscheidung lediglich, daß im derzeiten Verfahrensstadium für die Erfüllung der im Spruch genannten Punkte des Bauauftrages keine Vorauszahlung vorgeschrieben werde. Sollte sich im weiteren Verfahren ergeben, daß die in den Punkten 4.) und 6.) bis 13.) aufgelisteten Baugebrechen und Bauordnungswidrigkeiten von der Liegenschaftseigentümerin nicht oder nicht gehörig beseitigt worden seien, wäre auch hiefür das Ersatzvornahmeverfahren weiterzuführen und die Beschwerdeführerin kostenersatzpflichtig. Laut Mitteilung eines Amtssachverständigen der MA 37 (Baupolizei) vom sei dem Bauauftrag zu diesem Zeitpunkt noch nicht entsprochen gewesen. Auch die Mängel an der Hauskanalanlage seien noch nicht behoben worden. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Erfüllung der im Bauauftrag enthaltenen Punkte 1.), 2.),
5.) sowie 15.) und 16.) sei aufgrund der Tatsache, daß ein Beginn der Arbeiten mit einer Besitzstörungsklage der Bestandnehmer bekämpft werden würde, nicht möglich und seien diese Bauordnungswidrigkeiten durch den Bestandnehmer widerrechtlich herbeigeführt worden, sei entgegenzuhalten, daß bei der Vollstreckung und der Anwendung des Zwangsmittels der Ersatzvornahme nach § 4 VVG die Unmöglichkeit der Leistung nicht eingewendet werden könne. Daher sei auch der Einwand der Beschwerdeführerin, es müsse der Ausgang eines zivilgerichtlichen Verfahrens abgewartet werden, nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des erstinstanzlichen Bescheides darzulegen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid ihrem Vorbringen zufolge in dem Recht, nicht zur Kostenvorauszahlung gemäß § 4 VVG verpflichtet zu werden, verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin trägt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vor, die belangte Behörde habe nicht beachtet, daß die Beschwerdeführerin die vom Auftragsbescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom betroffene Liegenschaft im Rahmen einer Zwangsversteigerung erworben habe, und ihr erstmals im Jänner 1997 ein Bescheid zugestellt worden sei, welcher die Durchführung der in Auftrag gegebenen Arbeiten binnen einer Woche angeordnet habe. Selbst wenn man von der dinglichen Wirkung eines Bescheides gemäß § 129 der Bauordnung für Wien ausgehe, stelle sich diese Frist als unangemessen dar. Auf den Einwand der zu kurzen Fristsetzung und das Ansuchen bzw. den Antrag auf Gewährung einer Fristverlängerung sei von der belangten Behörde nicht eingegangen worden. Der angefochtene Bescheid widerspräche auch dem Schonungsprinzip gemäß § 2 Abs. 1 VVG.
Gemäß § 129b Abs. 1 der Bauordnung für Wien (BO) kommt Bewilligungen und Bescheiden nach diesem Gesetz dingliche Wirkung zu.
Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann die Vollstreckungsbehörde in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.
Die im § 129b Abs. 1 BO normierte dingliche (in rem) Wirkung baubehördlicher Bescheide bedeutet, daß der Rechtsnachfolger in die Stellung des Rechtsvorgängers eintritt. Der der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom erteilte, 16 Punkte umfassende, auf § 129 Abs. 1, 2, 4 und 10 BO gestützte Auftrag wirkt demnach mit Erteilung des Zuschlages (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0058) gegen die Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin im Eigentum an der Liegenschaft, deren Eigentumsrecht nunmehr auch im Grundbuch einverleibt ist. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens kann die Frage der Rechtmäßigkeit des in Rechtskraft erwachsenen Titelbescheides nicht mehr aufgeworfen werden (vgl. hiezu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 1161, referierte hg. Rechtsprechung). Im Jänner 1997 wurde der Beschwerdeführerin die Ersatzvornahme, gestützt auf § 4 VVG, angedroht und für die Inangriffnahme der Leistung "noch einmal eine Frist von einer Woche" gesetzt. Die Androhung der Ersatzvornahme ist kein Bescheid und greift nicht in die Rechtssphäre des Adressaten ein, sodaß eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin insoweit nicht erfolgt sein kann (vgl. hiezu Hauer-Leukauf, a. a.O., S. 1162).
Warum der angefochtene Bescheid dem in § 2 Abs. 1 VVG enthaltenen Gedanken der Schonung erworbener Rechte widersprechen soll, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen, weil die Ersatzvornahme das im VVG zur Erbringung vertretbarer Leistungen ausdrücklich vorgesehene Zwangsmittel darstellt und schon aus diesem Grund eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 2 VVG nicht in Betracht kommt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/05/0057). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur zwar schon mehrfach ausgesprochen, daß an sich durch die Auferlegung einer unangemessen hohen Vorauszahlung von Ersatzvornahmekosten das aus § 2 VVG ableitbare Schonungsprinzip verletzt werden kann, doch darf die Angemessenheit der Kosten nur in bezug auf die im Titelbescheid angeordnete Maßnahme beurteilt werden, was bedeutet, daß kein höherer Kostenvorschuß verlangt werden darf, als es zur Bestreitung der Kosten der Ersatzvornahme erforderlich ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 86/05/0006, 0007, BauSlg. Nr. 671, u. v.a.). Es ist weder aus dem Akteninhalt ersichtlich, daß die belangte Behörde diese Grundsätze bei der Berechnung des Kostenvorschusses mißachtet hätte, noch wird in der Beschwerde näher dargelegt, inwiefern die Vollstreckungsbehörden gegen § 2 Abs. 1 VVG verstoßen hätten.
Der gemäß § 4 Abs. 2 VVG von der Vollstreckungsbehörde dem Verpflichteten erteilte Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung ist zwar keine Vollstreckungsverfügung im Sinne des § 10 Abs. 2 VVG (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 12.942/A), jedoch ein im Vollstreckungsverfahren ergangener Bescheid (vgl. hiezu die im § 10 Abs. 1 VVG enthaltene Anordnung über die Anwendung von Verfahrensvorschriften). § 4 Abs. 2 VVG stellt sich demnach insoweit als lex specialis zu § 59 Abs. 2 AVG dar, als der Auftrag zur Vorauszahlung nach § 4 Abs. 2 VVG keine Frist zur Ausführung der Leistung enthalten muß, da es sich bei der Kostenvorauszahlung immer um eine Geldleistung handelt. Der angefochtene Bescheid ist daher nicht deshalb rechtswidrig, weil er keine Fristsetzung enthält. Auch nach der Exekutionsordnung kann ein Exekutionstitel, in dem keine Leistungsfrist angegeben ist, sofort vollstreckt werden (siehe Jakusch-Pimmer, MGA EO13, E. 124 zu § 7 EO).
Der Hinweis in der Beschwerde, einige im Bauauftrag enthaltene Punkte seien von den Bestandnehmern veranlaßte Konsenswidrigkeiten, stellt einen den Titelbescheid betreffenden Einwand dar, welcher im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens nicht aufgegriffen werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/06/0106). Die Beschwerdeführerin wurde vom Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens bezüglich der Höhe der Kosten der Ersatzvornahme in Kenntnis gesetzt. Die Behauptung in der Beschwerde, ihr sei diesbezüglich nicht Parteigehör gewährt worden, ist daher aktenwidrig. Gegen die detaillierte Kostenschätzung wurde von der Beschwerdeführerin nichts vorgebracht. Die nicht näher begründeten Ausführungen in der Beschwerde, die Preisansätze seien überhöht, stellen eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung dar (§ 41 Abs. 1 VwGG). Die belangte Behörde traf keine Verpflichtung, die Beschwerdeführerin im Schreiben vom betreffend die Verständigung vom Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens dahingehend zu belehren, daß es ihr freistehe, selbst entsprechende Kostenvoranschläge einzuholen und vorzulegen, weil eine Beratung von Parteien in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu den Pflichten der Behörde gemäß § 13a AVG zählt. In den Fällen, in denen der im Spruch eines Bescheides festgelegten Leistungsverpflichtung Berechnungen zugrunde liegen und die Partei zu diesen Berechnungsvorgängen trotz gegebener Gelegenheit keine Einwände erhoben hat, ist die Behörde berechtigt, vom Ergebnis ihrer Berechnungen auszugehen, ohne daß es einer neuerlichen Darlegung der genauen Berechnungsvorgänge in der Bescheidbegründung bedürfte (vgl. hiezu das hg. Erkennnis vom , Zl. 92/06/0066).
Da die Beschwerdeführerin die im angefochtenen Bescheid näher bezeichneten, im Titelbescheid enthaltenen Aufträge nicht erfüllt hat, durfte ihr gemäß § 4 Abs. 2 VVG der in Beschwerde gezogene Auftrag zur Vorauszahlung der Kosten erteilt werden.
Da die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides aufzuzeigen vermochte, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.