VwGH vom 18.01.2000, 99/11/0287
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des Mag. G in Wien, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien I, Elisabethstraße 22, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-04/A/44/00099/99, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft mbH einer näher bezeichneten Kommanditgesellschaft zu verantworten, dass zu näher bezeichneten Zeitpunkten im Jahr 1996 ein als Kraftfahrer beschäftigter Arbeitnehmer dieser Gesellschaft die zulässige Lenkzeit überschritten habe und drei Arbeitnehmer die tägliche Ruhezeit nicht eingehalten hätten. Wegen dieser insgesamt vier Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes wurden über ihn Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.
Zu dem vom Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren erstatteten Vorbringen, er habe sich im April 1994 von der Geschäftsführung zurückgezogen, sei seither im Ruhestand und daher für die im Jahr 1996 erfolgten Verstöße gegen Arbeitszeitvorschriften nicht mehr verantwortlich, führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, den Beschwerdeführer treffe solange die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung, als er im Firmenbuch als handelsrechtlicher Geschäftsführer eingetragen sei. Da kein verantwortlicher Beauftragter bestellt worden sei, sei die Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist ausschließlich strittig, ob die belangte Behörde ungeachtet der Verantwortung des Beschwerdeführers auf Grund des Standes des Firmenbuches von der Geschäftsführereigenschaft des Beschwerdeführers ausgehen durfte. Die belangte Behörde hat dies bejaht und tritt der in der Beschwerde zitierten hg. Rechtsprechung, nach der es bei der Beurteilung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht auf den Stand des Firmenbuches ankomme, in ihrer Gegenschrift mit der Begründung entgegen, die Besonderheit des Arbeitnehmerschutzrechtes, insbesondere die Notwendigkeit der Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften rechtfertige es, bei der Beurteilung der Frage, wer vertretungsbefugtes Organ einer Gesellschaft sei, im Sinne des § 15 HGB auf den Stand des Firmenbuches abzustellen.
Diese Auffassung wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Die Eintragungen im Firmenbuch sind zum Schutz des guten Glaubens Dritter im geschäftlichen Verkehr bestimmt. Allein darauf erstreckt sich der aus § 15 HGB sich ergebende Schutz des guten Glaubens (vgl. dazu Schenk in Straube, HGB I2, § 15 Rz 1, sowie die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, unter E. Nr. 17a zu § 9 Abs. 1 VStG zitierte hg. Rechtsprechung). Das Bedürfnis, die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften zu überwachen, besteht nicht nur im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes. Im Hinblick auf die in diesem Bereich im Zusammenhang mit dem Nachweis der Bestellung verantwortlicher Beauftragter entstandenen Probleme hat sich der Gesetzgeber zur Einführung von Formvorschriften und Meldepflichten (im § 23 Arbeitsinspektionsgesetz 1993) für die Wirksamkeit der Bestellung verantwortlicher Beauftragter veranlasst gesehen. Dies ändert aber nichts daran, dass als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft mbH nach wie vor nur deren Geschäftsführer in Betracht kommt. Die Geschäftsführereigenschaft endet mit der Abberufung des Geschäftsführers durch Gesellschafterbeschluss oder mit seinem Rücktritt. Die Möglichkeit zum Rücktritt bestand für den Geschäftsführer bereits vor der Einführung des § 16a GmbH-Gesetz durch das Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1997. Mit der Einführung dieser Bestimmung sollte lediglich die Einschränkung des jederzeit möglichen Rücktrittes durch die Einhaltung einer Frist und die Klarstellung, wem gegenüber der Rücktritt zu erklären ist, bewirkt werden (s.dazu die Erl. zur RV des IRÄG 1997 734 der Beil.zu den sten.Prot. des NR XX.GP).
Der Beschwerdeführer hatte demnach bereits 1994 die Möglichkeit, seine Geschäftsführereigenschaft durch Rücktritt zu beenden. Da die belangte Behörde ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, es komme in diesem Zusammenhang auf den Stand des Firmenbuches an, die Frage, ob der Beschwerdeführer tatsächlich im Jahr 1994 seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt hat, nicht geprüft hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Der Vollständigkeit halber sei für das fortzusetzende Verfahren bemerkt, dass der Umstand, dass der Beschwerdeführer eine Pension bezieht, im gegebenen Zusammenhang nicht von entscheidender Bedeutung ist, weil der aufrechte Bestand eines Dienstvertrages nicht Voraussetzung für die Geschäftsführereigenschaft ist.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am