VwGH vom 28.10.2003, 2003/11/0161
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des W in K, vertreten durch Dr. Gertraude Carli, Rechtsanwältin in 8230 Hartberg, Raimund-Obendrauf-Straße 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom , Zl. FA13B - 39 - 2019/02 - 1, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgetragen, der Behörde ein amtsärztliches Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen vorzulegen.
Durch das Zustellorgan des Postamtes K erfolgte am der erste (erfolglose) Zustellversuch, bei welchem die (schriftliche) Ankündigung eines zweiten Zustellversuches in den Briefkasten eingelegt wurde. Beim zweiten Zustellversuch am wurde die Verständigung über die Hinterlegung in den Briefkasten eingelegt. Auf dem Rückschein wurde vom Zusteller vermerkt, dass die Hinterlegung des Bescheides beim Postamt K erfolge und der Beginn der Abholfrist der sei.
Die nicht behobene hinterlegte Sendung wurde mit dem Vermerk "nicht behoben" am an die Bezirkshauptmannschaft Hartberg zurückgestellt und ist dort am eingelangt.
Mit Bescheid vom entzog die Bezirkshauptmannschaft Hartberg dem Beschwerdeführer "gemäß § 26 Abs. 5 des Führerscheingesetzes-FSG, Bundesgesetzblatt-Nr. I/120/1997 in der derzeit geltenden Fassung" die Lenkberechtigung für die Klassen ABCEF. Begründet wurde dies damit, dass der Bescheid vom , mit welchem der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, innerhalb von vier Monaten ab Zustellung dieses Bescheides ein amtsärztliches Gutachten beizubringen, dem Beschwerdeführer nachweislich am durch Hinterlegung beim Postamt K zugestellt worden sei. Dieser (Entziehungs-)Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt.
In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom sei gesetzwidrigerweise hinterlegt worden. Er habe diesen Bescheid "nie zu Gesicht bekommen (wegen unversperrbarem Holzkästchen; auch Verwandte und Bekannte von Frau F. haben Zugriff!)". Er habe darauf beim Postamt K hingewiesen und deshalb nunmehr auch ein eigenes Postfach erhalten. Er ersuche um "Wiederaufrollung des Verfahrens".
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers im Grunde des § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Zustellung und Hinterlegung (des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom ) stehe "offensichtlich außer Zweifel". Dies bedeute, dass der Beschwerdeführer das Risiko eines eventuellen Verlustes selbst zu tragen habe. Die Zustellung in einem Postfach sei nicht möglich, da es sich hierbei um keine Abgabestelle handle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ging in dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Entziehungsbescheid davon aus, dass der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom , mit welchem dem Beschwerdeführer aufgetragen wurde, ein ärztliches Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen vorzulegen (Aufforderungsbescheid), in Rechtskraft erwachsen ist. Die für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Entziehungsbescheides geforderte Rechtskraft des Aufforderungsbescheides läge jedoch nur dann vor, wenn der Zustellvorgang bei dessen Zustellung gesetzmäßig im Sinne des § 21 Zustellgesetz (Zustellung zu eigenen Handen) war. Dies kann aus folgenden Gründen derzeit abschließend nicht beurteilt werden.
Die hier maßgebliche Bestimmung des § 21 Zustellgesetz hat
folgenden Wortlaut:
"Zustellung zu eigenen Handen
§ 21. (1) Dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Sendungen dürfen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden.
(2) Kann die Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden, so ist der Empfänger schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein. Dieses Ersuchen ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Zur angegebenen Zeit ist ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. Ist auch dieser erfolglos, ist nach § 17 zu hinterlegen."
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, im Zeitpunkt der Zustellversuche in Ansehung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom ortsanwesend gewesen zu sein, er hat aber bereits in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid darauf hingewiesen, weder von den Zustellversuchen noch von der Hinterlegung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom Kenntnis erlangt zu haben. Der "Briefkasten", in welchen die Verständigungen über die Vornahme des zweiten Zustellversuchs und über die Hinterlegung eingelegt worden sein sollen, sei ein "unversperrbares Holzkästchen" gewesen, zu welchem auch "Verwandte und Bekannte Dritter" Zugriff gehabt hätten. In der Beschwerde wiederholt der Beschwerdeführer dieses Vorbringen und führt aus, die Benachrichtigungen über den Zustellversuch und die Hinterlegung nie erhalten zu haben.
Die belangte Behörde hat sich mit dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers nicht auseinander gesetzt.
Nach § 21 Abs. 2 Zustellgesetz hat der Zusteller die Wahl, ob er die Hinterlegungsanzeige an der Abgabestelle in einen Briefkasten, einen Briefeinwurfschlitz in der Wohnungstür oder ein Hausbrieffach einlegt. Es muss jedoch die objektive Gewähr gegeben sein, dass die Verständigung den Empfänger erreichen kann (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) E 31 zu § 17 Zustellgesetz, S. 1989 angeführte Rechtsprechung). Von einem für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten im Sinne des § 21 Abs. 2 Zustellgesetz kann nur dann gesprochen werden, wenn dieser Briefkasten nur einer Abgabestelle, und zwar der des Empfängers dient. Dies trifft daher auf einen Briefkasten für mehrere Abgabestellen nicht zu (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0256). Anderenfalls wäre nicht die die Zustellfiktion rechtfertigende Gewähr gegeben, ein durchschnittlich sorgfältiger Empfänger könne nach der Rückkehr an die Abgabestelle in den Besitz der Verständigung bzw. der Hinterlegungsanzeige kommen (vgl. den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom , 1 Ob 247/99a, EvBl 2000/160). In einem solchen Fall ist, sofern auch die Zurücklassung an der Abgabestelle nicht möglich ist, die Verständigung an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen.
Auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers in seiner Berufung hätte daher die belangte Behörde ergänzende Erhebungen durchführen und sodann Feststellungen darüber treffen müssen, ob für die Abgabestelle des Beschwerdeführers ein Briefkasten im Sinne des § 21 Abs. 2 Zustellgesetz vorhanden war und die vom Zusteller eingehaltene Vorgangsweise dem Gesetz entsprochen hat.
Mit der von ihr vertretenen Rechtsansicht, der Beschwerdeführer habe das Risiko eines eventuellen Verlustes der in den Briefkasten eingelegten Verständigungen selbst zu tragen, hat die belangte Behörde insoweit die Rechtslage verkannt, als das Risiko für eine Beschädigung oder Entfernung der Verständigungen nach § 17 Abs. 2 und § 21 Abs. 2 Zustellgesetz den Adressaten nur dann trifft, wenn der Zustellvorgang ordnungsgemäß war (vgl. hiezu die bei Walter/Thienel, a.a.O., S. 1991 ff wiedergegebene Rechtsprechung). (Nur) die Unkenntnis von einer gesetzmäßigen Zustellung könnte einen Wiedereinsetzungsgrund bilden (vgl. den Beschluss des Obersten Gerichtshof vom , 9 Ob A 64/93, RZ 1994/46 sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0011).
Aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am