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VwGH vom 13.02.1992, 91/06/0140

VwGH vom 13.02.1992, 91/06/0140

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 12/03-1675/10-1991, betreffend den Strafausspruch hinsichtlich einer Übertretung nach dem Salzburger Ortsbildschutzgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des vorliegenden Beschwerdefalles ist dem hg.

Erkenntnis vom , Zl. 89/06/0114, zu entnehmen:

Mit diesem Erkenntnis wurde der im ersten Rechtsgang erlassene Berufungsbescheid der belangten Behörde hinsichtlich des Schuldspruches (einer Übertretung gemäß § 28 Abs. 1 lit. b des Salzburger Ortsbildschutzgesetzes begangen durch die Errichtung von vier Plakattafeln ohne Einholung einer Bewilligung nach dem Salzburger Ortsbildschutzgesetz) bestätigt, im Ausspruch über die Strafe und über die Verfahrenskosten jedoch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. In diesem Punkt wurde dieses Erkenntnis damit begründet, daß die Behörde über den Beschwerdeführer die Höchststrafe von S 10.000,-- verhängt, jedoch die Wertung der Tat im Sinne des § 19 Abs. 1 VStG nicht dargelegt habe, nämlich, die Frage nach der Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, durch die Tat, sowie nach den (möglichen) nachteiligen Folgen, welche die Tat nach sich gezogen habe. Die Verhängung der Höchststrafe komme nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - so die Begründung des zitierten Erkenntnisses weiter - nämlich nicht schon dann in Betracht, wenn die Erschwerungsgründe die Milderungsgründe überwiegen, sondern nur dann, wenn überdies eine erhebliche Verletzung der durch die Strafdrohung geschützten Interessen (hier: das Ausmaß der tatsächlichen Störung des Ortsbildes) durch die Tat erfolgt sei oder die Tat erhebliche nachteilige Folgen nach sich gezogen habe.

Die belangte Behörde holte im fortgesetzten Verfahren eine Stellungnahme der Magistratsdirektion vom und hiezu eine Äußerung des Beschwerdeführers vom ein. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde sodann der Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich des Strafausspruches und der Verfahrenskosten teilweise Folge gegeben und die verhängte Strafe auf S 8.000,-- (bzw. im Nichteinbringungsfall auf acht Tage Ersatzarreststrafe), und den Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens auf S 800,-- herabgesetzt. Nach Wiedergabe des § 19 Abs. 1 und 2 VStG führt die belangte Behörde aus, daß durch das konsenslose Anbringen der gegenständlichen Plakattafeln das Orts- und Landschaftsbild empfindlich gestört worden sei, wie von der Strafbehörde erster Instanz und der Magistratsdirektion festgestellt worden sei. Beim gegenständlichen Standort handle es sich "durchaus noch um ein typisches Straßenbild im Bereiche der Vorstadt", bei welchem die gegenständliche, beträchtliche Ausmaße aufweisende Großflächenankündigungsanlage als besonders störend und das Ortsbild beeinträchtigend einzustufen sei, sodaß im besonderen Maß das geschützte Interesse (Ortsbild) als gefährdet anzusehen und überdies (ergänze: die Tat) geeignet sei, andere Personen zu "einer ortsbildrechtliche Bestimmungen negierenden Haltung" zu verleiten. Aus dem faktischen Bestand könne für andere im näheren Umgebungsbereich einer ortsbildschutzrechtlichen oder auch baubehördlichen Bewilligungspflicht unterfallenden Maßnahme ein "falscher Beurteilungsmaßstab" abgeleitet werden. Das Werbeunternehmen (deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer ist) betreibe derzeit in der Stadt mehrere konsenslose Ankündigungstafeln an rund 15 Standorten (die im Bescheid näher angeführt werden). Die Verhängung einer relativ hohen Strafe sei auch von der Überlegung getragen gewesen, daß "an Verschulden zumindest gröbste Fahrlässigkeit, wenn nicht sogar Vorsatz anzurechnen war", da der Beschwerdeführer relativ kurze Zeit vor dem neuerlichen Tatzeitpunkt in einem anderen (näher bezeichneten Verfahren) auf die Bestimmungen des Salzburger Ortsbildschutzgesetzes hingewiesen worden sei. Bei der Strafbemessung dürfe auch nicht außer Betracht gelassen werden, daß der Strafsatz von S 10.000,-- bereits auf das Stammgesetz, LGBl. Nr. 1/1975, zurückgehe und eine Strafhöhe von S 8.000,-- im Hinblick auf den seitens des Werbeunternehmens daraus gezogenen geschäftlichen Nutzen kaum mehr die Eignung besitze, "im besonderen Maße als Strafe empfunden zu werden".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Darin rügt der Beschwerdeführer, daß zur Feststellung der belangten Behörde über die Beeinträchtigung des Ortsbildes kein Verfahrensergebnis vorliege und verweist - wie schon im Verwaltungsverfahren - auf den Umstand, daß die strittigen Werbetafeln "zwischen 1981 und 1986" über eine ortsbildschutzrechtliche Bewilligung verfügt hätten, woraus zu schließen sei, daß sie - damals - das Ortsbild nicht beeinträchtigt hätten. Ferner legt der Beschwerdeführer dar, aus welchen Gründen jeweils "irrtümlicherweise vergessen" worden sei, Bewilligungen für die an den anderen (nicht vom gegenständlichen Verfahren betroffenen, von der belangten Behörde jedoch ins Treffen geführten) Standorten aufgestellten Werbetafeln einzuholen. Der Beschwerdeführer räumt ferner ein, daß ihm die ortsbildschutzrechtlichen Bestimmungen bekannt gewesen seien. Es liege jedoch weder "gröbste Fahrlässigkeit", noch Vorsatz vor, wenn die Stellung rechtzeitiger Verlängerungsanträge (bloß) "übersehen" worden sei. Dies sei bei einem Unternehmen, welches "tausende Werbetafeln" besitze, nicht auszuschließen.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hat die Verhängung einer Geldstrafe von 80 v.H. der Höchststrafe im wesentlichen auf folgende Umstände gestützt:

a) Es liege eine durch die Tat erhebliche Beeinträchtigung des Ortsbildes vor,

b) daraus resultierten auch nachteilige Beispielsfolgen für andere Personen und für den behördlichen Beurteilungsmaßstab in anderen Fällen,

c) es seien eine große Anzahl weiterer Werbetafeln vom Unternehmer des Beschwerdeführers konsenslos aufgestellt worden,

d) der Beschwerdeführer habe in Kenntnis der Rechtsvorschriften und daher "gröbst" fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich gehandelt,

e) der Strafrahmen sei veraltet.

Hinsichtlich der (dem Regelungsbereich des § 19 Abs. 1 VStG zuzuordnenden) Gesichtspunkte a) und b) rügt der Beschwerdeführer zu Recht, daß diesbezüglich kein Verfahrensergebnis vorliege. Das Ausmaß der nachteiligen Auswirkung der konsenslos errichteten Werbetafeln auf das Ortsbild hängt zunächst davon ab, wodurch das konkrete Ortsbild in charakteristischer Weise bestimmt wird und ob bzw. welche Beeinträchtigung dieser Ortsbildcharakter durch die konsenslos aufgestellten Werbetafeln erfahren hat. Die Feststellung, es liege ein "typisches Straßenbild im Bereich der Vorstadt" vor, ist jedenfalls nicht ausreichend, um die Schlußfolgerung, daß die gegenständlichen Werbeanlagen als "besonders störend und das Ortsbild beeinträchtigend" empfunden würden, zu tragen. Ebensowenig schlüssig ist die daraus abgeleitete, jedoch ganz allgemein für die Übertretung von Rechtsvorschriften geltende Überlegung, daß dadurch andere Personen zu gleichartigen Handlungen verleitet werden könnten. Der "falsche Beurteilungsmaßstab", zu dem sich die Behörde im Bewilligungsverfahren dadurch verleitet fühlt, könnte wohl nur darauf beruhen, daß die Behörde konsenslose Werbeeinrichtungen nicht nur nicht beseitigen läßt, sondern überdies in die Beurteilung des Ortsbildes einbezieht. Solche (denkbare) Fehlleistungen der Behörde könnten jedoch nicht mehr der vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Verwaltungsübertretung zugerechnet werden.

Ebensowenig kann dem Beschwerdeführer in diesem Verfahren zur Last fallen, daß er (möglicherweise) auch die konsenslose Aufstellung weiterer Werbetafeln zu verantworten hat. Das im Verwaltungsstrafverfahren geltende Kumulationsprinzip (als "Eigenart" dieses Verfahrens im Sinne des § 19 Abs. 2 dritter Satz VStG) schließt es nämlich aus, den Erschwerungsgrund mehrerer strafbarer Handlungen derselben oder verschiedener Art im Sinne des § 33 Z. 1 StGB sinngemäß heranzuziehen, da es mit dem (im Verwaltungsstrafverfahren NICHT geltenden) Absorptionsprinzip des § 28 StGB in untrennbarem Zusammenhang steht (vgl. dazu das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 11516/A, uva). Es läge vielmehr an der zuständigen Behörde, jede einzelne Verwaltungsübertretung den Vorschriften entsprechend zu ahnden. Als erschwerend könnten allenfalls bei der Strafbemessung bereits erfolgte frühere (das heißt vor der Tat liegende) rechtskräftige Bestrafungen des Beschwerdeführers nach dem Ortsbildschutzgesetz zugrunde gelegt werden; diesbezügliche Feststellungen hat die belangte Behörde jedoch nicht getroffen.

Das von der belangten Behörde angenommene Ausmaß des Verschuldens des Beschwerdeführers (an Vorsatz heranreichende "gröbste Fahrlässigkeit") kann - wie der Beschwerdeführer im Ergebnis zu Recht rügt - nicht schon aus der von ihm auch in der Beschwerde gar nicht in Abrede gestellten Gesetzeskenntnis abgeleitet werden, da auch die Kenntnis gesetzlicher Bestimmungen nicht von vornherein ausschließt, daß ein diese Rechtsvorschriften verletzender Sachverhalt der Aufmerksamkeit des Beschwerdeführers aus Gründen entgangen wäre, welche das Ausmaß leichter Fahrlässigkeit nicht übersteigen. Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei dem jedoch beigefügt, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren kein Vorbringen darüber erstattet hat, welche Vorkehrungen er als handelsrechtlicher Geschäftsführer veranlaßt hat, um Versäumnisse, wie die Unterlassung der Einholung oder der rechtzeitigen Verlängerung von Bewilligungen nach dem Salzburger Ortsbildschutzgesetz hintanzuhalten; solche Vorkehrungen wären umso mehr angezeigt, als das Unternehmen - wie der Beschwerdeführer ausdrücklich vorbringt - über "tausende Werbetafeln" verfügt, da mit der zunehmenden Zahl der die Bestimmungen des Ortsbildschutzgesetzes berührenden Geschäftsfälle auch die Gefahr des "Übersehens" naturgemäß steigt. Wenn dennoch keine der Zahl der Geschäftsfälle adäquaten Vorkehrungen vom Beschwerdeführer gegen die Versäumung der bei der Behörde erforderlichen Schritte getroffen hat (und davon durfte die belangte Behörde in Ermangelung gegenteiliger Behauptungen des Beschwerdeführers ausgehen), dann hat er ein Maß an Sorglosigkeit an den Tag gelegt, welches zwar nicht als "an Vorsatz grenzende Fahrlässigkeit", wohl aber als (die nach dem Tatbild ausreichende Schuldform der leichten Fahrlässigkeit übersteigende) grobe Fahrlässigkeit (und damit als ein Erschwerungsgrund im Sinne des § 19 Abs. 2 VStG) gewertet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 7766/A).

Schließlich hat die belangte Behörde aber auch dadurch die Rechtslage verkannt, daß sie die Strafbemessung im oberen Viertel des Strafrahmens mit dessen Unzulänglichkeit ("veraltet") begründet. Es ist nämlich nicht Aufgabe der Behörde, durch regelmäßige Ausschöpfung des vollen Strafrahmens ohne entsprechende Bedachtnahme auf die in § 19 Abs. 1 und 2 VStG bezeichneten Umstände, sich jenes - ihrer Meinung nach für eine wirksame Bekämpfung von Mißständen erforderliche - Instrumentarium auf dem Gebiet des Verwaltungsstrafrechtes zu verschaffen, welches ihr der Gesetzgeber (durch Unterlassung der Valorisierung eines seit 1975 geltenden Strafrahmens) aus welchen Gründen immer, verweigert. Auch die Berücksichtigung des mit der Verwaltungsübertretung erzielten "geschäftlichen Nutzens" des Unternehmens in der Strafbemessung beim verantwortlichen Geschäftsführer ist - mangels einer dies anordnenden gesetzlichen Vorschrift - nicht zulässig.

Da die belangte Behörde somit bei der Strafbemessung zum Nachteil des Beschwerdeführers die Rechtslage neuerlich mehrfach verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.