VwGH vom 29.06.2005, 2003/08/0101

VwGH vom 29.06.2005, 2003/08/0101

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom , Zl. Vd-SV-1001-6-2/1/La, betreffend Zurückweisung eines Einspruchs (mitbeteiligte Partei: Tiroler Gebietskrankenkasse in 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom legte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gegenüber der mitbeteiligten Partei - ergänzend zu einer vorausgegangenen Korrespondenz zwischen dem Beschwerdeführer und der mitbeteiligten Partei - dar, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer sein bei der mitbeteiligten Partei gespeichertes Geburtsdatum vom auf ändern wollte. Er ersuchte unter Vorlage verschiedener Urkunden und Namhaftmachung einer Zeugin um Feststellung, dass der Beschwerdeführer am geboren sei und im Falle der Ablehnung dieses Antrages "um schriftliche Bescheidausfertigung".

Mit Schreiben der mitbeteiligten Partei vom wurde dem Beschwerdeführervertreter mitgeteilt, dass keine Änderung vorgenommen würde und dass nach Ansicht der mitbeteiligten Partei gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG hinsichtlich eines Antrages auf Änderung des Geburtsdatums kein Bescheid zu erlassen sei. In der Folge erging ein weiteres Schreiben der mitbeteiligten Partei vom an den Beschwerdeführervertreter mit folgendem Wortlaut:

"(Beschwerdeführer), (frührer: 1.13.1960)

Änderung des Geburtsdatums

...,

die Mitteilung Ihres Mandanten vom an die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter kann unsere Rechtsansicht nicht ändern. Gemäß § 358 Abs. 3 ASVG ist die erste schriftliche Angabe des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger heranzuziehen. Eine solche wird von uns aber bereits als Anmeldung gesehen, wobei wir darauf hinweisen, dass Ihr Mandant schon viele Jahre früher in Österreich gemeldet war.

Unabhängig von einer Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des § 258 Abs. 3 ASVG haben wir aber bisher schon immer die Meinung vertreten, dass eine Änderung eines Geburtsdatums für uns nur dann in Frage kommen kann, wenn uns gegenüber ein zivilrechtliches Urteil vorliegt, mit dem die Tatsache des richtigen Geburtsdatums festgestellt wird. Wir sind daher nach wie vor nicht in der Lage, dem Antrag Ihres Mandanten stattzugeben."

Gegen dieses, vom Beschwerdeführer als Bescheid angesehene Schreiben erhob der Beschwerdeführer einen als Berufung bezeichneten Einspruch, den die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen hat. Die belangte Behörde hielt in der Begründung im Wesentlichen fest, dass die angefochtene Erledigung weder eine Bezeichnung als Bescheid aufweise, noch in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung unterteilt sei. Es handle sich dabei um ein Schreiben an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers, in welchem die mitbeteiligte Partei zunächst auf die Bestimmung des § 358 Abs. 3 ASVG verweise, eine kurze Sachverhaltsdarstellung gebe und ihre daraus abgeleitete Rechtsauffassung über die Möglichkeit der Änderung des Geburtsdatums mitteile. An der Tatsache, dass dem gegenständlichen Einspruch kein Bescheid zu Grunde liege, vermöge auch das Einspruchsvorbringen, dass in diesem Schreiben klar gestellt worden sei, "dass dem Antrag Ihres Mandanten nicht stattgegeben" werde, nichts zu ändern, weil in der angefochtenen Erledigung vielmehr darauf hingewiesen worden sei, dass "wir (die mitbeteiligte Partei) nach wie vor nicht in der Lage sind, dem Antrag Ihres Mandanten stattzugeben". Aus diesem Wortlaut komme nach Auffassung der belangten Behörde keineswegs zum Ausdruck, dass die mitbeteiligte Partei den "Antrag auf Änderung des Geburtsdatums" in rechtsverbindlicher Weise erledigt habe. Da der angefochtenen Erledigung der Bescheidcharakter fehle, der verfahrensgegenständliche Einspruch sohin gegen eine nicht bescheidmäßige Erledigung erhoben worden sei, sei dieser als unzulässig zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt unter Verzicht auf die Erstattung einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für den Bescheidcharakter einer behördlichen Willenserklärung in erster Linie maßgeblich sei, ob sie einen die anhängige Rechtssache bindend entscheidenden Spruch enthalte, der in Rechtskraft erwachsen könne. Die in §§ 58 bis 60 AVG aufgezählten Erfordernisse eines Bescheides seien demgegenüber nicht so wesentlich, dass deren Mangel einem Bescheid, der einen der Rechtskraft zugänglichen Spruch enthalte, die Rechtsnatur als Bescheid zu entziehen vermöge. Eine formell mangelhafte behördliche Erledigung sei dann als Bescheid zu werten, wenn die Erledigung gegenüber individuell bestimmten Personen eine Verwaltungsrechtsangelegenheit in einer der Rechtskraft zugänglichen Weise normativ regle. Angesichts dieser Rechtsprechung sei das Schreiben der mitbeteiligten Partei vom als Bescheid zu werten. Es komme in ihm ganz klar zum Ausdruck, dass die mitbeteiligte Partei den Antrag des Beschwerdeführers auf Richtigstellung seines Geburtsdatums aus (unrichtigen) Gründen ablehne und seinem Antrag daher nicht stattgebe.

Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in jedem Fall, in dem der Inhalt einer Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung, Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lässt, die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid essenziell ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 934 und 1223/73, Slg. Nr. 9458/A u.v.a.). Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid kann nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch dass sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat.

Von einer derartigen normativen Erledigung kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein. Die mitbeteiligte Partei hat in einem rund zwei Wochen vor dem Ergehen der bekämpften Erledigung ergangenen Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihrer Ansicht nach in dieser Angelegenheit kein Bescheid zu erlassen sei. Die bekämpfte Erledigung lässt nicht erkennen, dass die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse von dieser Ansicht, die dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mitgeteilt worden war, abgewichen wäre, es wird vielmehr darauf hingewiesen, dass die mitbeteiligte Partei "nach wie vor nicht in der Lage" sei, dem Antrag des Beschwerdeführers stattzugeben. Auch die Verwendung des Wortes "Antrag" vermag nicht zu begründen, dass die belangte Behörde über diesen - vom Beschwerdeführer ausdrücklich gestellten - Antrag auch bescheidmäßig entscheiden würde.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ein rechtliches Interesse an der Erlassung eines Feststellungsbescheides betreffend die Angabe eines bestimmten Geburtsdatums auf der Versicherungskarte nicht gegeben ist. Gemäß § 410 Abs. 1 ASVG hat der Versicherungsträger in Verwaltungssachen, zu deren Behandlung er nach § 409 ASVG berufen ist, einen Bescheid zu erlassen, wenn er die sich aus diesem Bundesgesetz in solchen Angelegenheiten ergebenden Rechte und Pflichten von Versicherten und von deren Dienstgebern oder die gesetzliche Haftung Dritter für Sozialversicherungsbeiträge feststellt und nicht das Bescheidrecht der Versicherungsträger in diesem Bundesgesetz ausgeschlossen ist. Hiernach hat der Versicherungsträger gemäß § 410 Abs. 1 Z. 7 ASVG in Verwaltungssachen insbesondere Bescheide zu erlassen, wenn der Versicherte oder der Dienstgeber die Bescheiderteilung zur Feststellung der sich für ihn aus diesem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten verlangt.

Die Feststellung eines bestimmten Geburtsdatums des Versicherten dient nicht der Feststellung von Rechten und Pflichten aus diesem Gesetz, sondern stellt eine Tatsachenfeststellung dar, die gegebenenfalls in einzelnen Versicherungsangelegenheiten für die Leistungserbringung maßgeblich sein kann. Ein selbständiges Recht des Versicherungsträgers, über das "richtige" Geburtsdatum des Versicherten bescheidmäßig abzusprechen, besteht nach dem ASVG nicht. Auch aus diesem Grunde kann in der Erledigung der mitbeteiligten Partei vom , die der Beschwerdeführer mit Einspruch bekämpft hat, kein Abspruch in einer Verwaltungsrechtsangelegenheit erkannt werden.

Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die vom Beschwerdeführer mit Einspruch bekämpfte Erledigung keinen Bescheid darstellt. Die gegen den angefochtenen Bescheid gerichtete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Partei war abzuweisen, da sie nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war.

Wien, am