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VwGH vom 07.11.1991, 91/06/0082

VwGH vom 07.11.1991, 91/06/0082

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

91/06/0094

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1. der Landeshauptstadt Salzburg, vertreten durch den Bürgermeister,

2. des GH sen. und 3. der IH in Salzburg, die beiden letzteren vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 7/03-101068/7-1991, betreffend Ausnahmebewilligung nach § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes (mitbeteiligte Parteien: 1. HS, Salzburg, und 2. WM in Salzburg, diese vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in Salzburg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Erstbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- und den Zweit- und Drittbeschwerdeführern insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom , eingelangt beim Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg am , haben die Zweit- und Drittbeschwerdeführer unter Vorlage der erforderlichen Einreichunterlagen die Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes für die Errichtung eines KFZ-Zweirad-Verkaufs- und Werkstättengebäudes mit zugehörigen PKW- und Motorradabstellflächen auf den Grundstücken Nr. 1510 und 1507/1, beide KG X, beantragt. Dieses Ansuchen wurde in der Zeit vom bis kundgemacht. Aufgrund der baulichen Ausgestaltung des Vorhabens und der Ausdehnung der umliegenden, im grundbücherlichen Eigentum der Bewilligungswerber stehenden Grundflächen vertrat die Erstbeschwerdeführerin die Ansicht, daß Grundflächen der Anrainer nicht betroffen sein könnten und Anrainer in diesem Verfahren daher nicht zu hören seien. Nach Einholung eines Gutachtens eines Amtssachverständigen vom , wonach das gegenständliche Ansuchen der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht nicht entgegensteht, erteilte der Stadtsenat der Stadtgemeinde Salzburg aufgrund seines Beschlusses vom und der aufsichtsbehördlichen Genehmigung der Salzburger Landesregierung laut deren Bescheid vom , mit Bescheid vom die angestrebte Ausnahmebewilligung. Dieser Bescheid erging an die Zweit- und Drittbeschwerdeführer, nicht jedoch an die Erst- und Zweitmitbeteiligten.

Dennoch erhoben die Erst- und Zweitmitbeteiligten Vorstellung gegen diesen Bescheid. Sie brachten vor, die Erstmitbeteiligte sei Hälfteeigentümerin der Liegenschaft EZ 761 KG X, die Zweitmitbeteiligte sei zu 415/1,000.000stel Anteilen Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 670, KG X. Beide Grundstücke samt Wohnhäusern grenzten an das Bewilligungsareal mit dem Grundstück Nr. 1507/1, KG X, an. Das dem Ansuchen zugrundeliegende Bauvorhaben zur Errichtung eines KFZ-Zweirad-Verkaufs- und Werkstättengebäudes mit zugehörigen PKW- und Motorradabstellflächen sei mit unmittelbaren Auswirkungen, insbesondere Lärm- und Geruchsemissionen für die im Eigentum der mitbeteiligten Parteien stehenden Objekte verbunden. Gemäß § 19 Abs. 3 ROG 1977 seien bei Androhung sonstiger Nichtigkeit vor der Erteilung der Bewilligung die Anrainer zu hören. Die Behörde habe die Verständigung der Anrainer unterlassen. Bei rechtlicher Beurteilung hätte aber die Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, daß die Mitbeteiligten als beteiligte Parteien jedenfalls als Anrainer im Sinne des § 19 Abs. 3 ROG anzusehen seien.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der Vorstellung der mitbeteiligten Parteien Folge, behob den Bescheid des Stadtsenates der Stadtgemeinde Salzburg vom und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, im § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977 sei die Durchführung einer Grundanrainerbefragung im Rahmen des gemeindlichen Ermittlungsverfahrens zwingend vorgeschrieben. Soweit die durch das Betriebsgeschehen eines Bewilligungsobjektes betroffenen Grundanrainer nicht gehört worden seien, sie also hinsichtlich ihres Anhörungsrechtes verletzt wurden (und nur insoweit), hätten sie eine persönliche Legitimation zur Einbringung einer Vorstellung. Es sei eine allgemeine Erfahrungstatsache, daß der Betrieb eines Verkaufs- und Werkstättenobjektes für zweirädrige Kraftfahrzeuge mit Geruchs- und Lärmimmissionen verbunden sei. Ob der Betrieb des gegenständlichen Zweiradcenters die im Erweiterten Wohngebiet maßgeblichen Werte gerade rücksichtlich der Interessen der Beteiligten übersteige, werde durch Erstellung eines Umweltschutzgutachtens zu belegen sein. Auch "das Raumordnungsgutachten vom lasse eine hinreichende Konkretisierung in Relation zur gegebenen Wirtschaft- und Siedlungsstruktur vermissen und sei neu zu erstellen und nicht nur mit allgemeinen, sondern auch mit konkreten, auf das Bauvorhaben bezogenen Befund- und Gutachtensdarlegungen klarzustellen". Da mit dem vorliegenden Bauprojekt der Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Salzburg in seinem Aussagegehalt und vor allem Verordnungscharakter eingeengt würde, und auch die Interessen der Bewohner im weiteren Umkreis durch Immissionen aus dem Zweiradcenter berührt werden dürften, sei genau und belegt durch Gutachten zu prüfen, ob im vorliegenden Fall überhaupt eine Einzelbewilligung erteilt werden könne bzw. ob ganz besondere Gründe die Gewährung einer solchen rechtfertigten. Die Vorstellungsbehörde sei durch die Drittbeschwerdeführerin erstmalig davon in Kenntnis gesetzt worden, daß das Bauvorhaben dazu diene, um dem gutsweichenden Sohn der Zweit- und Drittbeschwerdeführer eine wirtschaftliche Existenzgrundlage zu schaffen. Privatwirtschaftliche Überlegungen könnten jedoch nicht als "ganz besonderer Grund" gewertet werden, um mit einem Einzelbewilligungsverfahren die in Verordnungsform gekleideten Planungsaussagen des Flächenwidmungsplanes der Stadtgemeinde Salzburg faktisch zu unterlaufen.

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt. Die Erstbeschwerdeführerin hat auch zu der unter der hg. Zl. 91/06/0094 protokollierten Beschwerde der Zweit- und Drittbeschwerdeführer eine Gegenschrift eingebracht und die Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes beantragt. Auch die beiden Mitbeteiligten haben Gegenschriften eingebracht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden.

In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977, LGBl. Nr. 26, in der hier anzuwendenden Fassung der Novellen LGBl. Nr. 52/1984 und 57/1987, hat folgenden Wortlaut:

"(3) Die Wirkungen des Flächenwimungsplanes gemäß Abs. 1 können, wenn es sich nicht um Apartmenthäuser, Feriendörfer oder Wochenendsiedlungen oder um Einkaufszentren handelt, für bestimmte Grundflächen von der Gemeindevertretung (in der Stadt Salzburg vom Gemeinderat) auf Ansuchen des Grundeigentümers durch Bescheid ausgeschlossen und ein genau bezeichnetes Vorhaben raumordnungsmäßig bewilligt werden, wenn dieses dem räumlichen Entwicklungskonzept bzw. der erkennbaren grundsätzlichen Planungsabsicht nicht entgegensteht und bei Bauvorhaben für Wohnbauten (ausgenommen bei überwiegend landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Bauten) eine Gesamtgeschoßfläche von 200 m2 nicht überschreitet. Vor dieser im behördlichen Ermessen gelegenen Bewilligung sind die Anrainer zu hören und ist das Ansuchen sechs Wochen lang ortsüblich kundzumachen. Die im § 16 Abs. 1 genannten Personen und Einrichtungen sind berechtigt, Anregungen vorzubringen. Anregungen und sonstige Vorbringen zum Ansuchen sind in die Beratungen zur bescheidmäßigen Erledigung einzubeziehen. Die Bewilligung bedarf der Genehmigung der Bezirkshauptmannschaft, in der Stadt Salzburg der Genehmigung der Landesregierung. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Bewilligung gesetzwidrig ist oder einen Tatbestand des § 17 Abs. 3 bewirken würde. Über die Erteilung der Genehmigung ist binnen drei Monaten zu entscheiden. Genehmigungsbescheide der Bezirkshauptmannschaft sind auch der Landesregierung unter Anschluß der Planunterlagen unverzüglich zuzustellen; sie leiden, wenn sie entgegen den vorstehenden Bestimmungen erlassen wurden, an einem mit Nichtigkeit bedrohten Fehler (§ 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950). Eine Nichtigerklärung ist nur innerhalb von drei Monaten nach Zustellung an die Landesregierung zulässig. Wird ein die Genehmigung versagender Bescheid auf Grund eines hiegegen eingebrachten Rechtsmittels aufgehoben, so beginnt mit der Zustellung des betreffenden Bescheides oder Erkenntnisses die dreimonatige Frist neu zu laufen."

Wer Partei im Sinne des § 8 AVG im Baubewilligungsverfahren ist, ist im § 7 des Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 117/1973, abschließend geregelt; anderen als den dort genannten Personen kommt nach dem Willen des Gesetzgebers Parteistellung nicht zu. Das Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 - ROG 1977, LGBl. Nr. 26, in der Fassung LGBl. Nr. 22/1991, enthält weder eine Definition des Begriffes "Partei" noch eine solche des Begriffes "Anrainer". In der oben zitierten Bestimmung des § 19 Abs. 3 ROG wurde jedoch ein Anhörungsrecht der Anrainer normiert.

Nach § 8 AVG ist bloß Beteiligter, wer die Tätigkeit einer Behörde in Anspruch nimmt bzw. der, auf den sich die Tätigkeit einer Behörde bezieht, sofern er an der Sache nicht "vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses" beteiligt ist. Beteiligter ist somit, wer an einer Verwaltungssache "weniger" als rechtlich geschützte Interessen hat. Dies ist z.B. dann anzunehmen, wenn eine Person im Verfahren bloß "anzuhören" ist, ohne daß nach der Absicht des Gesetzgebers daraus zu schließen ist, daß dieses Anhörungsrecht einen Anspruch auf Berücksichtigung bestimmter Interessen einräumt (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, Rz. 128).

Werden Beteiligte dem Verfahren nicht beigezogen, so stellt dies gegenüber der Partei einen Verfahrensmangel dar; der Beteiligte kann durch die Entscheidung der Verwaltungssache in keinem Recht verletzt werden (vgl. den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 9776). Die von der belangten Behörde zitierten Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes beziehen sich nur auf die Rechtsstellung einer Formalpartei und beruhen daher auf einer anderen Rechtslage. In seinen Erkenntnissen vom , Zl. 1169/69, und vom , Zl. 84/10/0011, u.a., hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß durch die Bestimmung, wonach nur ein Anhörungsrecht eingeräumt wird, der Anzuhörende wohl zum Beteiligten i.S. des § 8 AVG wird, aber nicht zur Partei des Verfahrens.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinen Erkenntnissen vom , Slg. N.F. Nr. 8368/A, sowie vom , Zl. 552/76, ausgesprochen und begründet hat, sind bei Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 19 Abs. 3 des Salzburger Raumordnungsgesetzes (1968) den Nachbarn keine über die Anhörung hinausgehenden Rechte eingeräumt.

Gemäß § 77 Abs. 2 des Salzburger Stadtrechtes 1966 kann die Vorstellung von einer Partei, die durch den Bescheid der Stadt in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges (§ 53) an die Landesregierung erhoben werden. Die Landesregierung hat den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Stadt zu verweisen. Da den Anrainern durch das Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 keine Parteistellung eingeräumt wurde, waren sie auch nicht berechtigt, in diesem Verfahren Vorstellung zu erheben. Lediglich soweit ihnen im Sinne des § 7 Abs. 1 des Baupolizeigesetzes Parteistellung zukommt, können sie in einem künftigen baubehördlichen Bewilligungsverfahren ihre Parteienrechte, insbesondere auch das Recht der Vorstellung geltend machen. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.