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VwGH vom 18.06.1991, 91/05/0025

VwGH vom 18.06.1991, 91/05/0025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde 1) der A und 2) des B gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B XIX-68/90, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1) C und 2) D, 3) E), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Mag. Abt. 37, vom wurde den Mitbeteiligten unter Berufung auf die §§ 70 und 73 der Bauordnung für Wien die Bewilligung erteilt, abweichend von dem mit den Bescheiden vom und bewilligten Bauvorhaben auf der Liegenschaft EZ. 60 des Grundbuches über die Kat. Gem. F nachstehende Änderungen vorzunehmen:

"In beiden Wohnungen werden die innere Raumeinteilung und Rauchfänge abgeändert. Insbesondere werden die Garagen im Kellergeschoß aufgelassen. Der gem. § 36 Wr. Garagengesetz erforderliche KFZ-Stellplatz wird in der rechten Abstandsfläche geschaffen."

Die dagegen von den beschwerdeführenden Nachbarn erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte erstinstanzliche Bescheid bestätigt.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführer machen zunächst geltend, ihnen gegenüber sei ein Baubewilligungsbescheid in Rechtskraft erwachsen, welcher ein Bauvorhaben mit zwei unterirdischen Garagen vorgesehen habe, während das nunmehrige Bauvorhaben nur einen oberirdischen Abstellplatz vorsehe, und leiten daraus ab, daß der angefochtene Bescheid "sämtlichen Regeln der Rechtskraft widerspricht".

Gemäß der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Regelung des § 73 der Bauordnung für Wien sind beabsichtigte Abweichungen von rechtskräftigen, noch wirksamen Baubewilligungen nach den Bestimmungen des § 60 wie Änderungen an bereits bestehenden Baulichkeiten zu behandeln. Durch derartige Ansuchen und durch deren Erledigung wird die Gültigkeitsdauer der ursprünglichen Baubewilligung nicht verlängert.

Den Beschwerdeführern kann nicht gefolgt werden, daß eine Bewilligung von Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben "sämtlichen Regeln der Rechtskraft widerspricht", weil die bereits rechtskräftig erteilte Baubewilligung durch die Bewilligung der Abweichungen von derselben nicht aufgehoben wird, was schon daraus abzuleiten ist, daß dem Bauwerber trotz Bewilligung von Abweichungen von der rechtskräftig erteilten Baubewilligung weiterhin die Möglichkeit offenbleibt, von dieser noch wirksamen Baubewilligung Gebrauch zu machen. Der Nachbar besitzt als Partei des Verfahrens lediglich das Recht, daß eine zu seinen Gunsten entschiedene Bausache nicht neuerlich aufgerollt wird (vgl. dazu die Ausführungen bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht, Prugg-Verlag Eisenstadt,

2. Aufl., S. 203 ff), aber kein Recht darauf, was die Beschwerdeführer offensichtlich annehmen, daß Abweichungen von einem rechtskräftig bewilligten Bauvorhaben überhaupt nicht bewilligt werden dürfen. Aus der Sicht der Beschwerdeführer ist daher im Sinne des § 134 Abs. 3 der Bauordnung für Wien nur zu prüfen, ob das geänderte Bauvorhaben ihre in der Bauordnung verankerten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte berührt. Im Hinblick auf die von den Beschwerdeführern selbst hervorgehobene Rechtskraft des dem angefochtenen Bescheid vorausgegangenen Baubewilligungsbescheides war die belangte Behörde demgemäß daran gehindert, in dem dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Bewilligungsverfahren auch jene Fragen aufzurollen, die von den Beschwerdeführern allenfalls schon im früheren Bewilligungsverfahren aufzuwerfen gewesen wären und den Gegenstand des mit dem angefochtenen Bescheid bewilligten Planwechsels nicht berühren. Daran vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführer auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 203/62, nichts zu ändern, weil die darin vertretene Ansicht, die Behörde habe im Verfahren über die Planabweichungen zu prüfen, ob das Vorhaben, so wie es sich nach den vorgesehenen Abänderungen darstellt, den Bestimmungen der Bauordnung entspricht, nicht im Sinne der Zulässigkeit eines Eingriffes in die Rechtskraft des dem Planwechsel vorausgegangenen Baubewilligungsbescheides hinsichtlich jener Fragen zu verstehen ist, die nicht den Gegenstand des Planwechsels bilden. Allerdings dürfen die geplanten Abweichungen vom bewilligten Bauvorhaben, welches im Sinne des erwähnten hg. Erkenntnisses mit dem ursprünglich bewilligten Bauvorhaben eine rechtliche Einheit bilden, nicht dazu führen, daß das Bauvorhaben damit insgesamt nicht - mehr - den Bauvorschriften entspricht. Angesichts dieser Rechtslage war die belangte Behörde daher schon aus diesem Grunde nicht gehalten, auf das nicht den Gegenstand des dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Ansuchens gemäß § 73 der Bauordnung für Wien bildende Vorbringen der Beschwerdeführer meritorisch einzugehen, womit sich auch eine Erörterung der Frage erübrigt, inwieweit es sich dabei überhaupt um Einwendungen handelt, welche ein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht der Beschwerdeführer im Sinne des § 134 Abs. 3 leg. cit. betreffen. Der in diesem Zusammenhang vorgebrachten Behauptung der Beschwerdeführer, nach "dem nunmehr bewilligten Plan soll sogar unser Notweg verbaut werden", ist zu entgegnen, daß mit dem angefochtenen Bescheid nicht die "Verbauung" eines Notweges, sondern u.a. die Schaffung eines KFZ-Stellplatzes in der rechten Abstandsfläche baubehördlich bewilligt worden ist, wobei keine Anhaltspunkte dafür bestehen und auch von den Beschwerdeführern nicht einmal behauptet worden ist, daß sich dieser Stellplatz auf einer in ihrem Eigentum stehenden Grundfläche befinden wird. Eine allfällige Beeinträchtigung der aus der Einräumung eines Notwegerechtes resultierenden Privatrechte der Beschwerdeführer berührt aber nicht deren im Baubewilligungsverfahren wahrzunehmenden subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte im Sinne der zuletzt erwähnten Vorschrift der Bauordnung für Wien.

Derartige Rechte der Beschwerdeführer sind aber durch die Bewilligung dieses Stellplatzes unter dem Gesichtspunkt der auch dem Interesse der Nachbarschaft dienenden Vorschriften des § 6 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes nicht verletzt worden. Die belangte Behörde hat nämlich in der Begründung des angefochtenen Bescheides unter Berufung auf die hg. Judikatur zutreffend darauf hingewiesen, daß der in Rede stehende KFZ-Stellplatz in Erfüllung der im § 36 leg. cit. normierten Verpflichtung zur Schaffung von Einstellplätzen errichtet werden soll und daher grundsätzlich ein Widerspruch zu § 6 leg. cit. nicht angenommen werden kann, zumal keine besonderen Umstände vorliegen, die die Errichtung des Einstellplatzes als unzulässig erscheinen lassen. Auch wenn die Ansicht der Beschwerdeführer zutreffen sollte, daß durch die Schaffung bloß eines oberirdischen Stellplatzes im Freien eine wesentlich größere Belästigung eintreten wird, als im Falle der Errichtung unterirdischer Garagen mit insgesamt drei Einstellplätzen, so ergibt sich daraus noch nicht zwangsläufig, daß im Falle der Schaffung eines einzigen KFZ-Stellplatzes in der rechten Abstandsfläche das im Sinne des § 6 Abs. 1 leg. cit. zulässige Ausmaß der Belästigung der Beschwerdeführer durch Lärm, üblen Geruch oder Erschütterung überschritten werden wird. Allein dieser Umstand ist aber bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der durch den angefochtenen Bescheid erteilten baubehördlichen Bewilligung für den in Rede stehenden Stellplatz entscheidend, weshalb es nicht darauf ankommt, daß für die unterirdischen Garagen eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt, und welche Erwägungen dafür maßgebend sind, daß die Mitbeteiligten von dieser Baubewilligung nicht Gebrauch machen wollen.

Auf die von den Beschwerdeführern schließlich geltend gemachte "Verletzung des § 125 der Wiener Bauordnung" hatte die belangte Behörde nicht meritorisch einzugehen, weil die darin enthaltenen Bestimmungen über die Verantwortlichkeit bei der Bauausführung keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte im Sinne des § 134 Abs. 3 leg. cit. zum Gegenstand haben, welche die Baubehörde im Baubewilligungsverfahren unter diesem Gesichtspunkt zu beachten hätte.

Die Beschwerdeführer sind daher durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt worden, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweist und demgemäß zufolge § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der von den Beschwerdeführern beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.