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VwGH 19.09.2006, 2003/06/0098

VwGH 19.09.2006, 2003/06/0098

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
BauG Stmk 1995 §19 Z1;
BauG Stmk 1995 §4 Z12;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;
RS 1
Das Vorliegen des Kriteriums der Notwendigkeit der bautechnischen Kenntnisse muss auch dann angenommen werden, wenn die Anlage zwar laienhaft gestaltet ist, nach den Regeln der technischen Wissenschaften einer Ausführung unter Verwertung bautechnischer Kenntnisse bedürfte, wozu auch Kenntnisse auf dem Gebiet der Statik gehören, weil sonst der widersinnige Zustand einträte, dass eine nicht ordnungsgemäß ausgeführte Anlage bewilligungsfrei bliebe, während eine ordnungsgemäß ausgeführte Anlage einer Bewilligung unterworfen wäre (Hinweis E vom , Zl. 0610/76, VwSlg 9657 A/1978). (Hier: Daher ist die Auffassung, dass zur Errichtung der gegenständlichen Bauwerke bautechnische Kenntnisse erforderlich sind, und dass es sich daher um bauliche Anlagen [Bauwerke] im Sinne des § 4 Z. 12 Stmk BauG handelt, im Hinblick darauf, dass sie von Menschen betreten werden können und derart geplant und ausgeführt sein müssen, dass ihre mechanische Festigkeit und Standsicherheit gewährleistet ist, nicht rechtswidrig.)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. des J S und 2. der W S, beide in G, beide vertreten durch Held, Berdnik, Astner & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schlögelgasse 1, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom , Zl. A 17-7.148/2003-1, betreffend Beseitigungsauftrag nach dem Steiermärkischen Baugesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom wurde den Beschwerdeführern gemäß § 41 Abs. 3 des Steiermärkischen Baugesetzes 1995 (Stmk BauG) der Auftrag erteilt, die auf einer näher angeführten Liegenschaft in G zu Lagerzwecken von landwirtschaftlichen Maschinen, Holz und Heu errichteten baulichen Anlagen, nämlich

"a) ein eingeschossiges, nicht unterkellertes Gebäude (Länge x Breite x maximale Höhe = ca. 12,20 Meter x ca. 5,00 Meter

x ca. 2,60 Meter) in Holzbauweise mit Pultdachkonstruktion mit angebauter Flugdachkonstruktion in Holzbauweise (Länge x Breite x maximale Höhe = ca. 3,80 Meter x ca. 5,00 Meter

x ca. 5,00 Meter x ca. 2,60 Meter) situiert entlang der südöstlichen Grundstücksgrenze, sowie

b) ein eingeschossiges nicht unterkellertes Gebäude (Länge x Breite x maximale Höhe = ca. 8,00 Meter x ca. 4,10 Meter x ca. 2,60 Meter) in Holzbauweise mit Pultdachkonstruktion situiert in

einem Grenzabstand von ca. 10 Meter von der östlichen sowie mit

einem Grenzabstand von ca. 30 Meter von der südöstlichen Grundstücksgrenze"

binnen vier Wochen ab Rechtskraft zu beseitigen. Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass als vorschriftswidrig eine bauliche Anlage dann gelte, wenn sie sowohl zum Zeitpunkt ihrer Entrichtung, als auch zum Zeitpunkt der Erlassung des baupolizeilichen Auftrages einer Baubewilligung bzw. Genehmigung bedurft hätte bzw. bedarf und eine solche Bewilligung bzw. Genehmigung nicht vorliegt. Die belangte Behörde könne dem Vorbringen der Beschwerdeführer, wonach für die Errichtung der gegenständlichen Lager keinerlei bautechnische Kenntnisse erforderlich seien, in keiner Weise folgen. An dem Begriff der "bautechnischen Kenntnisse" sei nämlich keine zu großen Ansprüche zu stellen. Für die Errichtung der gegenständlichen Baulichkeiten, die in Holzbauweise mit Pultdachkonstruktion errichtet worden seien und immerhin eine Grundfläche von etwa 61 m2 bzw. etwa 32,8 m2 aufwiesen, seien wohl unzweifelhaft Kenntnisse auf dem Gebiet der Statik und sohin bautechnische Kenntnisse erforderlich. Auch entspreche es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass für die Errichtung von baulichen Anlagen, die von Menschen betreten werden können, stets gewisse bautechnische Kenntnisse erforderlich seien. Die gemäß der Begriffsdefinition des § 4 Z. 12 Stmk BauG für eine bauliche Anlage erforderliche Verbindung mit dem Boden sei ebenso unzweifelhaft und es seien die gegenständlichen Baulichkeiten sehr wohl auf Grund ihrer Beschaffenheit geeignet, die öffentlichen Interessen zu berühren. Dies deshalb, weil die Gebäude derart geplant und ausgeführt sein müssten, dass die mechanische Festigkeit und Standsicherheit derselben gegeben sei, bei einem Brand die Tragfähigkeit des Bauwerkes für einen bestimmten Zeitraum erhalten bleibe und sich bei ihrer Nutzung keine unannehmbaren Unfallgefahren ergäben etc. Darüber hinaus würden auch die öffentlichen Interessen hinsichtlich des Orts- und Landschaftsbildes beeinflusst.

Im vorliegenden Fall handle es sich daher um eine bauliche Anlage im Sinne des § 4 Z. 12 Stmk BauG, aber auch um ein Gebäude im Sinne des § 4 Z. 28 Stmk BauG, da die gegenständlichen Baulichkeiten mindestens einen oberirdisch überdeckten Raum beinhalteten, der an den Seitenflächen allerseits oder überwiegend geschlossen sei. Das Flugdach, das an das entlang der südöstlichen Grundstücksgrenze errichtete Gebäude angebaut sei, bilde mit diesem Gebäude eine untrennbare technische Einheit, da es für sich allein nicht bestehen könne.

Im vorliegenden Fall liege auch kein bewilligungsfreies Bauvorhaben im Sinne des § 21 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. vor, weil die gegenständlichen Baulichkeiten kein Nebengebäude im Sinne des § 4 Z. 43 Stmk BauG darstellten. Als solche könnten gemäß § 4 Z. 43 Stmk BauG nur ebenerdige unbewohnbare Bauten von untergeordneter Bedeutung mit einer Geschosshöhe bis 3,00 m und bis zu einer bebauten Fläche von 30 m2 verstanden werden. Das gegenständliche Gebäude weise jedoch eine Grundfläche von 61 m2 bzw. 32,8 m2 auf. Auch lägen keine "kleineren baulichen Anlagen" im Sinne des § 21 Abs. 1 Z. 3 Stmk BauG vor, weil bei beiden verfahrensgegenständlichen Gebäuden die Gesamtfläche jeweils mehr als 30 m2 betrage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 4 Z. 12 des Steiermärkischen Baugesetzes, LGBl.

Nr. 59/1995, i.d.F. LGBl. Nr. 33/2002 (Stmk BauG) ist eine

bauliche Anlage (Bauwerk)

"jede Anlage,

- zu deren Errichtung bautechnische Kenntnisse

erforderlich sind,

- die mit dem Boden in eine Verbindung gebracht wird und

- die wegen ihrer Beschaffenheit die öffentlichen

Interessen zu berühren geeignet ist.

Eine Verbindung mit dem Boden besteht schon dann, wenn die

Anlage

- durch eigenes Gewicht auf dem Boden ruht oder

- auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder

- nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist,

überwiegend ortsfest benutzt zu werden."

Als Gebäude ist gemäß § 4 Z. 28 Stmk BauG eine bauliche Anlage definiert, die mindestens einen oberirdischen überdeckten Raum bildet, der an den Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen ist.

Als "Nebengebäude" sind in § 4 Z. 43 Stmk BauG eingeschossige, ebenerdige, unbewohnbare Bauten von untergeordneter Bedeutung mit einer Geschosshöhe bis 3,0 m und bis zu einer bebauten Fläche von 30 m2 definiert.

Gemäß § 19 Stmk Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 (Stmk BauG), sind u.a. folgende Vorhaben, sofern sich aus den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt, bewilligungspflichtig:

"1. Neu-, Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen; ..."

Gemäß § 21 Abs. 1 Stmk BauG gehört zu den bewilligungsfreien Vorhaben die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von:

"1. Nebengebäuden (mit Ausnahme von Garagen), landesüblichen Zäunen, Folientunnel, Hagelnetzanlagen, Flachsilos, Beregnungsanlagen u.dgl., jeweils nur im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft, sofern keine Nachbarrechte im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 1 und 2 berührt werden;

2. kleineren baulichen Anlagen, insbesondere

a) für die Verwertung (Kompostierung) von biogenem

Abfall im Sinne des Steiermärkischen Abfallwirtschaftsgesetzes;

wie insbesondere Kleinkompostieranlagen für Gebäude mit nicht mehr

als sechs Wohnungen;

b) Abstellflächen ...;

c) Skulpturen und Zierbrunnenanlagen bis zu einer Höhe

von 3,0 m inklusive Sockel, kleineren sakralen Bauten sowie Gipfelkreuzen;

d) Wasserbecken bis zu insgesamt 100 m3 Rauminhalt, Saisonspeichern für solare Raumheizung und Brunnenanlagen;

e) luftgetragenen Überdachungen bis zu insgesamt 100 m2 Grundfläche;

f) Pergolen bis zu einer bebauten Fläche von 30 m2, Klapotetzen, Maibäumen, Fahnen- und Teppichstangen, Jagdsitzen sowie Kinderspielgeräten;

g) Gerätehütten im Bauland bis zu einer Gesamtfläche von insgesamt 30 m2;

h) Gewächshäusern bis zu 3,0 m Firsthöhe und bis zu einer Gesamtfläche von insgesamt 30 m2;

i) Antennen- und Funkanlagen bis zu 5,0 m Höhe, Solar- und Parabolanlagen;

j) Telefonzellen und Wartehäuschen für öffentliche

Verkehrsmittel;

3. kleineren baulichen Anlagen, soweit sie mit den in

Z. 2 angeführten Anlagen und Einrichtungen hinsichtlich Größe und

Auswirkungen auf die Nachbarn vergleichbar sind;

4. Baustelleneinrichtungen, einschließlich der zum

vorübergehenden Aufenthalt dienenden Unterstände;

5. Feuerungsanlagen für feste und flüssige Brennstoffe

bis zu einer Nennheizleistung von 8,0 kW, sofern Typen- oder

Einzelgenehmigungen vorliegen;

6. Werbe- und Ankündigungsreinrichtungen von

Wählergruppen, die sich an der Wahlwerbung für die Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper oder zu den satzungsgebenden Organen einer gesetzlichen beruflichen Vertretung, für die Wahl des Bundespräsidenten oder für Volksabstimmungen, Volksbegehren und Volksbefragungen auf Grund landes- oder bundesgesetzlicher Vorschriften beteiligen, innerhalb von sechs Wochen vor dem Wahltag oder dem Tag der Volksabstimmung, der Volksbefragung oder des Volksbegehrens bis spätestens zwei Wochen danach."

Gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG hat die Behörde hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 leg. cit. zu erteilen.

Für einen Beseitigungsauftrag gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG ist maßgeblich, dass die Bewilligungspflicht (bzw. Anzeigepflicht) der baulichen Anlage sowohl im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerkes als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages vorgelegen ist und die notwendige Bewilligung (bzw. Baufreistellung oder keine Untersagung gemäß § 33 Abs. 6 leg. cit.) nicht vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/06/0177).

Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass für die gegenständlichen Lagerhallen weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige vorliegt. Sie halten den angefochtenen Bescheid aber deswegen für rechtswidrig, weil die Lagerhallen von einer derart einfachen Beschaffenheit seien, dass für ihre Errichtung keinerlei bautechnischen Kenntnisse erforderlich gewesen seien. Daher handle es sich nicht um bauliche Anlagen und das gegenständliche Bauvorhaben sei nach dem Stmk BauG nicht bewilligungspflichtig. Als Anlagen für Zwecke der Lagerung von landwirtschaftlichen Maschinen, Holz und Heu dienten sie Zwecken der Land- und Forstwirtschaft und seien daher auch im Sinne des § 21 Abs. 1 Z. 1 Stmk BauG bewilligungsfrei.

Mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die Beschwerdeführer haben nämlich weder die von der belangten Behörde festgestellten Ausmaße noch die Konstruktionsweise der gegenständlichen Bauwerke bestritten, diese sind aus den in den vorgelegten Akten eines Verwaltungsverfahrens einliegenden Unterlagen auch nachvollziehbar. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die Auffassung der belangten Behörde, dass zur Errichtung der gegenständlichen Bauwerke bautechnische Kenntnisse erforderlich sind, und dass es sich daher um bauliche Anlagen (Bauwerke) im Sinne des § 4 Z. 12 Stmk BauG handelt, im Hinblick darauf, dass sie von Menschen betreten werden können und derart geplant und ausgeführt sein müssen, dass ihre mechanische Festigkeit und Standsicherheit gewährleistet ist, nicht als rechtswidrig zu erachten. Das Vorliegen des Kriteriums der Notwendigkeit der bautechnischen Kenntnisse muss nämlich auch dann angenommen werden, wenn die Anlage zwar laienhaft gestaltet ist, nach den Regeln der technischen Wissenschaften einer Ausführung unter Verwertung bautechnischer Kenntnisse bedürfte, wozu auch Kenntnisse auf dem Gebiet der Statik gehören, weil sonst der widersinnige Zustand einträte, dass eine nicht ordnungsgemäß ausgeführte Anlage bewilligungsfrei bliebe, während eine ordnungsgemäß ausgeführte Anlage einer Bewilligung unterworfen wäre ( vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. Slg. 9657/A). Auch können die beiden Bauwerke nicht als im Sinne des § 21 Abs. 1 Z. 1 Stmk BauG zulässige Nebengebäude angesehen werden, weil ihre bebaute Fläche jeweils unbestritten das in § 4 Z. 43 Stmk BauG hiefür festgesetzte Höchstausmaß von 30 m2 übersteigt. Aus dem selben Grund fallen die beiden Bauwerke auch nicht unter den Begriff der in § 21 Abs. 1 Z. 3 Stmk BauG umschriebenen kleineren baulichen Anlagen, weil sie schon hinsichtlich ihrer Größe nicht mit den in § 21 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. angeführten Anlagen vergleichbar sind.

Die gegenständlichen Lagerhallen wurden von der belangten Behörde daher ohne Rechtsirrtum nicht als bewilligungsfreie Vorhaben im Sinne des § 21 Stmk BauG angesehen, weshalb die Beschwerdeführer durch den gegenständlichen, gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG ausgesprochenen Beseitigungsauftrag nicht in Rechten verletzt worden sind.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am

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Normen
BauG Stmk 1995 §19 Z1;
BauG Stmk 1995 §4 Z12;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;
Schlagworte
Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten
Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2
Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2006:2003060098.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAE-56895