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VwGH vom 30.03.2004, 2003/06/0059

VwGH vom 30.03.2004, 2003/06/0059

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des WM in B, vertreten durch Dr. Karl Wilfinger, Rechtsanwalt in Bad Aussee, Bahnhofstraße 122, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. FA13A-

12.10 A 86 - 03/2, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. GE und 2. AE, beide in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abwiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines Grundstückes in B, auf welchem ein Haus errichtet ist. Die mitbeteiligten Parteien (kurz: Nachbarn) sind Eigentümer eines angrenzenden Grundstückes.

Mit Baugesuch vom (das erkennbar am selben Tag eingebracht wurde) kam der Beschwerdeführer um baubehördliche Bewilligung für verschiedene Zu- und Umbauarbeiten an seinem Haus ein. Dieses besteht (nebst einem Kellergeschoss, welches hier nicht von Belang ist) aus einem Erdgeschoss und einem Obergeschoss/Dachgeschoss. Die Höhe des im Wesentlichen parallel zur Grundgrenze zum Grundstück der Nachbarn verlaufenden Firstes ist in den Plänen mit 8,20 m (über dem Niveau des Erdgeschosses) kotiert. Die Länge der Gebäudefront zum Grundstück der Beschwerdeführer ist in den Plänen mit 10,50 m angegeben, der Grenzabstand dieser Front wurde mit 4,05 m an der nordwestlichen Ecke um 3,85 m an der nordöstlichen Ecke ermittelt. Soweit vorliegendenfalls erheblich, war ursprünglich die Errichtung eines Zubaues in der Mitte dieser Front geplant, welcher den Plänen zufolge um 2,50 m vorspringt und eine Breite von 4,00 m aufweist (Flächenausmaß innen: 8,28 m2). Dieser Zubau war ursprünglich sowohl im Erdgeschoss als auch im Obergeschoss geplant und sollte durch einen Quergiebel abgedeckt werden (Satteldachkonstruktion, ohne Krüppelwalm mit einer Dachneigung von ca. 39 Grad ), dessen Firsthöhe mit 7,50 m kotiert ist.

Die Beschwerdeführer erhoben mit der Begründung Einwendungen, das überdimensionale Vorhaben verletze den erforderlichen Grenzabstand.

Mit Erledigung vom teilte die Baubehörde dem Erstmitbeteiligten mit, der Beschwerdeführer habe sich dazu entschlossen, den "erkerartigen Zubau" nur im Dachgeschoss auszuführen. Ein diesbezüglicher Austauschplan sei am vorgelegt worden. Es werde hiemit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (Anmerkung: den Plänen zufolge entspricht der Zubau im Übrigen dem ursprünglichen Projekt, also samt dem Quergiebel, wobei der Zubau auf Stützen ruht).

Die Nachbarn äußerten sich mit Schriftsatz vom ablehnend und erklärten, ihre Einwendungen aufrecht zu erhalten.

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen erteilt. Die Einwendungen der Nachbarn wurden als unbegründet abgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass es sich hier unzweifelhaft um einen erkerartigen Vorbau handle, der für die Bemessung der Mindestabstände nicht zu berücksichtigen sei, weil die bestehende konsensgemäße Gebäudefront des Wohnhauses unverändert erhalten bleibe. Die Ansichtsfläche des geplanten Erkers betrage 18 % der Gesamtansicht der Nordwestseite, wodurch es auszuschließen sei, dass der Eindruck einer neuen Gebäudefront entstehe.

Dagegen erhoben die Nachbarn Berufung; der Beschwerdeführer äußerte sich zur Berufung ablehnend.

Mit Berufungsbescheid vom wurde der Berufung keine Folge gegeben. Begründet wurde dies damit, dass durch den erwähnten Zubau ein umschlossener Raum von 8,28 m2 Nutzfläche geschaffen werde. § 13 Abs. 2 Stmk. BauG stelle auf eine Gebäudefront ab; dieser Begriff werde im § 4 Z 29 leg. cit. wie folgt definiert "Außenwandfläche eines Gebäudes ohne vorspringende Bauteile, wie z.B. Balkone, Erker, Vordächer in gewöhnlichen Ausmaßen". Es stelle sich demnach die Frage, was unter einem Erker zu verstehen sei. Eine gesetzliche Definition fehle. § 12 Abs. 1 Z 2 Stmk. BauG erwähne wiederum - allerdings im Zusammenhang mit der Straßenflucht-, der Bauflucht- und den Baugrenzlinien den Begriff Erker. Dort heiße es, dass Bauteile wie beispielsweise ein Erker bis 1,5 m eine Straßenflucht - oder Baugrenzlinie überragen dürften. Daraus könne aber nicht abgeleitet werden, dass Bauteile, die sich mehr als 1,5 m von der Gebäudefront abhöben, kein Erker sein könnten. Ein Erker werde in der Regel nicht unmittelbar vom umliegenden Gelände hochgeführt, sondern rage mit einer Tragplatte vom Gebäude frei vor oder er werde von einem Mauervorsprung oder Säulen gehalten. Über eine minimale oder maximale Größe treffe das Stmk. BauG keine Aussage. Im Kommentar zum Stmk. BauG von Rupprecht/Perner/Frank, 7. Auflage, hielten die Autoren auf Seite 68 fest, als Richtlinie bei der Abstandsbestimmung gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG solle gelten, dass die Abstände vom aufgehenden Mauerwerk der Gebäudefront aus zu messen seien, solange nicht ganz außergewöhnliche Abmessungen oder Ausführungen von Dachvorsprüngen, Balkonen, Erkern udgl. es nach dem Sinn der Abstandsvorschriften rechtfertigten, den Gebäude- bzw. Grenzabstand von solchen Bauteilen aus zu messen. Im Beschwerdefall hebe sich also der Erker horizontal gemessen "2,10 m" von der bestehenden Gebäudefront ab. Bezogen auf die Ansichtsfläche des Altsbestandes stelle die durch den Erker neu geschaffene Ansicht 18 % der Gesamtansicht dar (bezogen auf die Messweise der Nachbarn 33 %). Keinesfalls könne von einem Erker mit ganz außergewöhnlichen Abmessungen oder Ausführungen gesprochen werden. Die gewählte und bewilligte Ausführung entspreche vielmehr der ortsüblichen Abmessung und Gestaltung derartiger Erker, und sei geradezu typisch für den sogenannten "A Baustil" (es werden Beispiele genannt), und werde auch dem Ortsbild in seiner gestalterischen Bedeutung gerecht.

Dagegen erhoben die Nachbarn Vorstellung.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Vorstellung Folge gegeben, den Berufungsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. Zusammengefasst wurde dies im Wesentlichen damit begründet, es sei sowohl den Baubehörden als auch den Nachbarn dahingehend beizupflichten, dass der Begriff Erker im Steiermärkischen Baugesetz nicht näher definiert sei. Der Duden definiere diesen Begriff als einen mit Fenstern versehenen Vorbau an der Front oder an eine Ecke des Gebäudes. In Köpf, Kleines Wörterbuch der Architektur, werde dieser Begriff als ein an der Gebäudefront vorspringender und befensteter aber geschlossener Ausbau eines Raumes, meist ohne sichtbare Stütze, ein- oder mehrgeschossig definiert.

Aus der Sicht der belangten Behörde sei daher davon auszugehen, dass man nur dann von einem Erker sprechen könne, wenn dieser von einer Gebäudefront vorspringe, aber für sich gesehen nicht allein raumbildend sei. Im Gegensatz dazu sei der fragliche Baukörper jedenfalls raumbildend, weil dadurch ein Raum in der Größe von 8,28 m2 (bei Außenabmessungen von 4,00 x 2,5 m) entstehe. Darüber hinaus könne dieser Baukörper auch nicht als an der Gebäudefront vorspringender Bauteil bewertet werden, weil sich dieser vielmehr als Neben- oder Quergiebel ("Wiederkehr" oder ortsüblich "Brückl") darstelle. Dies zeigten insbesondere die Nord- und Ostansichten des genehmigten Bauplanes. Daraus ergebe sich somit, dass es sich im Beschwerdefall nicht um einen vorspringenden Bauteil von einer Außenwandfläche eines Gebäudes, sondern um einen eigenen Gebäudeteil handle, der für sich gesehen eine Gebäudefront bilde und daher entgegen der Rechtsauffassung der Baubehörden gemäß § 13 Abs. 2 Stmk. BauG abstandsrelevant sei. Der tatsächlich verbleibende Grenzabstand von 1,5 m zur Grundgrenze der Nachbarn widerspreche daher den Abstandsvorschriften.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligten Nachbarn haben eine Gegenschrift erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Steiermärkische Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995, in der Fassung LGBl. Nr. 73/2001, anzuwenden.

Nach § 13 Abs. 2 Stmk. BauG muss jede Gebäudefront, die nicht unmittelbar an einer Nachbargrenze errichtet wird, von dieser mindestens so viele Meter entfernt sein, wie die Anzahl der Geschosse, vermehrt um zwei, ergibt (Grenzabstand).

In § 4 Z 29 leg. cit. wird der Begriff "Gebäudefront" wie folgt definiert:

"Außenwandfläche eines Gebäudes ohne vorspringende Bauteile wie z.B. Balkone, Erker, Vordächer in gewöhnlichen Ausmaßen".

§ 4 Z 29 leg. cit. normiert somit keine absoluten Maße (wie etwa in § 12 Abs. 1 leg. cit.), mit welchen solche Bauteile in den Grenzabstand ragen dürfen, noch auch konkrete relative Maße (beispielsweise Abmessungen solcher Bauteile im Verhältnis zur Höhe oder Länge der Gebäudefront). Rein dem Wortlaut dieser Norm zufolge ist die Wortfolge "in gewöhnlichen Ausmaßen" nur mit dem Begriff "Vordach" verknüpft. Der Sinn der Norm ist aber darin zu erblicken, dass nicht jegliche vorspringende Bauteile in welchen Dimensionen auch immer zulässig sein sollen, sodass unter diesem Gesichtspunkt diese Wortfolge jedenfalls auf alle dort genannten Bauteile zu beziehen ist (in diesem Sinn auch Hauer/Trippl, Steiermärkisches Baurecht3, Anm. 48 zu § 4 Stmk BauG; vgl. jetzt auch die Klarstellung durch die Neufassung des § 4 Z. 29 Stmk BauG aufgrund der (im Beschwerdefall noch nicht anzuwendenden) Novelle LGBl. 78/2003). Jedenfalls unzulässig sind "vorspringende Bauteile", welche so ausgeformt sind, dass sie gleichsam als "vorgeschobene Gebäudefront" in Erscheinung treten (zu dieser Problematik vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/06/0112). Weiters ist zu bedenken, dass es sich dabei um eine Ausnahmebestimmung handelt, die demnach restriktiv auszulegen ist (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/05/0001). Dabei darf nicht übersehen werden, dass es sich bei den Abstandsbestimmungen um Schutzvorschriften handelt, die eine gehörige Belichtung und Belüftung der Gebäude sicherstellen sollen. Ob daher ein Bauteil als - angeblich - "vorspringender Bauteil im gewöhnlichen Ausmaß" als abstandsrelevant anzusehen ist oder nicht, ist vor diesem Hintergrund nach den Umständen des Falles nicht nach seiner Bezeichnung durch die Baubehörden oder die Parteien des Verfahrens zu beurteilen, sondern nach seiner Erscheinung und insbesondere seinen Dimensionen und der Relation zur Gebäudefront.

Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde mehrfach betont, er habe diesen Bauteil ohnedies nicht gemäß den bewilligten Plänen ausgeführt, sondern kleiner (weniger vorspringend), was maßgeblich sei, ist ihm zu entgegnen, dass es nicht auf diese tatsächliche Ausführung ankommt, sondern darauf, ob die Nachbarn durch die erteilte Baubewilligung in subjektivöffentlichen Nachbarrechten verletzt wurden oder nicht. Daher kann nur vom bewilligten Vorhaben ausgegangen werden.

Der belangten Behörde ist beizutreten, dass der fragliche Bauteil auf Grund seiner Dimension und seiner Abdeckung durch einen Quergiebel (in einer Höhe, die nahezu die Firsthöhe des Gebäudes erreicht) sowie der Relation zur verbleibenden Gebäudefront wie eine "vorgeschobene Gebäudefront" in der Art eines Quertraktes in Erscheinung tritt (mag dieser Bauteil auch erst im Obergeschoss beginnen und unten durch Säulen abgestützt sein) und daher im Beschwerdefall abstandsrelevant ist. Es mag zutreffen, dass solche Bauteile im Prinzip ortsüblich sind, davon ist aber die Frage zu unterscheiden, ob solche Bauteile in den (hier) Grenzabstand ragen dürfen, was im Beschwerdefall von der belangten Behörde zutreffend verneint wurde.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am