VwGH vom 24.02.2004, 2003/05/0234
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom , Zl. E 029/07/2002.001/009, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach dem Bgld. BauG (weitere Partei: Burgenländische Landesregierung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt:
"Sie haben als Grundstückseigentümerin des Grundstückes Nr. (…), welches im Flächenwidmungsplan dieser Gemeinde als Bauland eingetragen ist, nicht dafür gesorgt, dass die entlang der Grundstücksgrenze bestehende lebende Einfriedung bestehend aus Fichten und Thujen eine Höhe von nicht mehr als 3 m erreicht. Die derzeitige Höhe dieser lebenden Einfriedung beträgt zwischen 4 m und 5 m.
Tatort: (…)
Tatzeit: bis
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 17 Abs. 1 zweiter Satz Bgld. Bauverordnung, LGBl. Nr. 11/1998 i.V.m. § 34 Abs. 1 Bgld. Baugesetz, LGBl. Nr. 10/1998"
Über die Beschwerdeführerin wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 218,02 (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag) verhängt.
Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung hat die belangte Behörde beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 139 Abs. 1 B-VG den Antrag gestellt, den letzten Halbsatz des § 17 Abs. 1 zweiter Satz BauVO, LGBl. 11/1998, ("wobei lebende Zäune, Hecken u. dgl. entlang der Grundstücksgrenze nicht höher als 3 m sein dürfen") als gesetzwidrig aufzuheben.
Der Verfassungsgerichtshof hat diesen Antrag mit Erkenntnis vom , V 57/00-7, u. a., mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass eine Einfriedung in Form eines lebenden Zauns oder einer Hecke als eine "damit" - nämlich mit der Errichtung eines Gebäudes oder eines Bauwerkes - "im Zusammenhang stehende Maßnahme", die baupolizeiliche Interessen berührt, auf § 4 in Verbindung mit § 3 Z. 4 und 5 Bgld. BauG gestützt werden kann. Es ist somit auch - im Hinblick darauf, dass eine Einfriedung definitionsgemäß auch dem Schutz eines unbebauten Grundstücks dienen kann - nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich, dass es sich um eine "ausschließlich" mit Gebäuden oder Bauwerken im Zusammenhang stehende Maßnahme handelt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Die belangte Behörde ging davon aus, dass bereits am zum Nachbargrundstück der Familie P. Fichten in einem Abstand von 50 - 60 cm entlang eines Maschendrahtzaunes gesetzt worden seien, die bereits zum Beginn des Tatzeitraumes eine Höhe von 4 - 5 m erreicht hätten. Entlang der Grundstücksgrenze befände sich parallel zum Gemeindeweg auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin eine Thujenhecke in einer Höhe von ca. 10 m. Diese dicht verwachsene Hecke rage in waagrechter Richtung auch auf das öffentliche Gut. Die Fichtenbäume zum Nachbargrundstück der Familie P. erfüllten die Funktion eines lebenden Zaunes, da sie, bedingt durch den geringen Pflanzenabstand, bereits so dicht verwachsen seien, dass sie einerseits die Funktion eines Sichtschutzes und andererseits die Funktion einer schwer durchdringbaren Barriere hätten. Sowohl die in geschlossener Formation gepflanzten Fichtenbäume als auch die Thujenhecke seien entlang der Grundstücksgrenzen situiert und seien im Deliktszeitraum bereits höher als 3 m gewesen. Die hier anzuwenden Bestimmungen der Bgld. Bauverordnung könnten nicht so verstanden werden, dass sie auf jene Anpflanzungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bereits höher als 3 m waren, keine Anwendung fänden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Die Beschwerdeführerin führt aus, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 17 Abs. 1 zweiter Satz der Burgenländischen Bauverordnung, LGBl. Nr. 11/1998, (das sei der gewesen), seien die gegenständlichen Fichten und Thujen bereits erheblich höher als 3 m gewesen. Es sei daher schon semantisch die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Verwaltungsübertretung ausgeschlossen, nicht dafür gesorgt zu haben, "dass die entlang der Grundstücksgrenze bestehende lebende Einfriedung bestehend aus Fichten und Thujen eine Höhe von nicht mehr als 3 m erreicht". Es mache einen erheblichen Unterschied, ob ein Liegenschaftseigentümer die Pflanzen an seiner Grundgrenze durch regelmäßiges Schneiden in ihrem Wuchs limitiere oder ob er Pflanzen, die vollkommen rechtmäßig höher als 3 m gewachsen seien, in einer Höhe von 3 m abschneiden müsse. Die gegenständlichen Pflanzen seien schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keine lebenden Zäune, Hecke und dergleichen. Ihr Wildwuchs ergebe sich eben aus dem Umstand, dass sie ca. 1980 vollkommen rechtmäßig gepflanzt worden seien und bis zum ihre stattliche Höhe erreicht hätten. Da die gegenständlichen Pflanzen bei Inkrafttreten der Bgld. BauVO bereits eine Höhe von 3 m überschritten hätten, könne die Regelung des § 17 dieser Verordnung im Beschwerdefall nicht mehr angewendet werden. Dass bisher keine Bewilligungspflicht für Fichten und Thujen bestanden habe, könne nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin gehen. Dass § 17 der genannten Verordnung in die Zukunft weise, ergebe sich daraus, dass § 4 des Bgld. Baugesetzes die Möglichkeit eröffne, nach Maßgabe der in § 3 Z. 3 bis 6 festgelegten Kriterien die näheren Vorschriften über die Zulässigkeit von Bauvorhaben durch Verordnung zu regeln. Es liege kein in der Zukunft liegender Sachverhalt vor, wenn Pflanzen am bereits höher als 3 m gewesen sind. Es sei nicht Absicht des Verordnungsgebers gewesen, am bestehende Pflanzen zu kappen, andernfalls hätte er nämlich eine straflose Übergangsbestimmung normiert, in der alle Liegenschaftseigentümer mit solchen Pflanzen Gelegenheit gehabt hätten, "Pflanzentorsi" durch brutales Abschneiden ihrer Pflanzen herzustellen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 1 des am in Kraft getretenen Burgenländischen Baugesetzes 1997 - Bgld. BauG, LGBl. Nr. 10/1998, begeht eine Verwaltungsübertretung,
"wer als Bauwerber, Eigentümer bzw. Nutzungsberechtigter von Grundstücken oder Bauten oder als Planverfasser oder Bausachverständiger gegen dieses Gesetz verstößt, den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen zuwiderhandelt, von einer Baubewilligung abweicht oder diesen rechtswidrigen Zustand aufrecht erhält".
Gemäß § 4 dieses Gesetzes hat die Landesregierung nach Maßgabe der im § 3 Z 3 bis 6 festgelegten Kriterien die näheren Vorschriften über die Zulässigkeit von Bauvorhaben durch Verordnung zu regeln (Bauverordnung).
Gestützt auf diese Norm hat die Burgenländische Landesregierung die Verordnung vom betreffend die Vorschriften über die Zulässigkeit von Bauvorhaben, LGBl. Nr. 11/1998, (Bauverordnung - BauVO) erlassen. Die in dieser Verordnung enthaltene Regelung betreffend Einfriedungen, auf welche sich der angefochtene Bescheid stützt, hat folgenden Wortlaut:
"§ 17
Einfriedungen
(1) Einfriedungen im Vorgartenbereich dürfen sowohl gegen die öffentliche Verkehrsfläche als auch nachbarseitig einschließlich Sockel 1,50 m nicht übersteigen und über dem Sockel (höchstens 0,60 m) nicht undurchsichtig ausgeführt werden. Einfriedungen außerhalb des Vorgartenbereiches dürfen nicht höher als 2 m sein und auch undurchsichtig ausgeführt werden, wobei lebende Zäune, Hecken u. dgl. Entlang der Grundstücksgrenze nicht höher als 3 m sein dürfen. Bei der Berechnung der Höhe ist vom Gehsteig bzw. vom höher gelegenen Grundstück an der Grundgrenze auszugehen.
…
(3) Im Interesse der Sicherheit, des Anrainerschutzes oder der Straßenansicht sind Ausnahmen von den Bestimmungen der Abs. 1 und 2 zulässig."
Die EB zu dieser Bestimmung (abgedruckt bei Hauer, Burgenländisches Baurecht, Seite 475) enthalten u. .a folgenden Hinweis:
"Da Hecken oft die Funktion einer Einfriedung haben, wurde für Hecken entlang der Grundstückgrenze eine Beschränkung hinsichtlich der Höhe mit max 3 m festgelegt."
Zur hier relevanten Frage enthält der Durchführungserlass zu dieser Bestimmung folgende Ausführungen (siehe bei Hauer, a. a. O.):
"Zu lebenden Zäunen, Hecken udgl ist auszuführen, dass in der BauVO lediglich die Höhe auf 3 m begrenzt wurde. Ein allfälliger Überhang auf Nachbargrund ist nicht in der BauVO geregelt, sondern in § 422 ABGB, wonach jeder Grundeigentümer die Wurzeln eines fremden Baumes aus seinem Boden reißen und die über seinem Luftraum hängenden Äste abschneiden oder sonst benützen kann.
…"
Im Hinblick auf die im angefochtenen Bescheid getroffenen - von der Beschwerdeführerin nicht bekämpften - Feststellungen vermag der Verwaltungsgerichtshof in der Annahme der belangten Behörde, bei den auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin befindlichen, vom gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren erfassten Thujen und Fichten handle es sich um Einfriedungen im Sinne des § 17 Abs. 1 Bgld. BauVO, keine Rechtswidrigkeit zu erblicken.
Die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Bestrafung der Beschwerdeführerin ist jedoch aus folgenden Gründen mit der Rechtslage nicht vereinbar:
Die Bestrafung der Beschwerdeführerin stützt sich auf § 34 Abs. 1 Bgld. BauG. § 34 Abs. 1 Bgld. BauG ist eine Blankett-Strafvorschrift, welche selbst keinen Tatbestand enthält, sondern auf andere Vorschriften, die damit Teil des Verwaltungsstraftatbestandes werden, verweist. Die Blankett-Strafnorm des § 34 Abs. 1 Bgld. BauG enthält - von dem hier nicht weiter interessierenden Tatbestandsmerkmal "Baubewilligung" abgesehen - die deutliche Verweisung auf die Bauordnung und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen als Rechtsquelle für das Tatbild von Übertretungen im Sinne dieses Gesetzes. Ob eine Bestimmung des Bgld. BauG bzw. einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnung überhaupt eine Norm enthält, der zuwidergehandelt werden kann, muss daher in jedem einzelnen Fall geprüft werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/05/0105, und die dort zitierte Judikatur und Literatur).
Es bedarf im Beschwerdefall keiner näheren Erörterung, ob § 17 Abs. 1 Bgld. BauVO bezüglich der Anordnung der Höhe lebender Zäune, Hecken u. dgl. so eindeutig umschrieben ist, dass diese Regelung jedermann im Zusammenhang mit § 34 Abs. 1 Bgld. BauG als Tatbestand einer Blankettstrafnorm und somit den Unrechtsgehalt eines Zuwiderhandelns gegen diese Norm erkennbar ist (vgl. hiezu die ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, wonach bei einer Blankettstrafnorm insbesondere zu fordern ist, dass aus ihr für den Betroffenen eine Verpflichtung zu einem bestimmten Handeln (ein Gebot) oder zur Unterlassung einer bestimmten Tätigkeit (ein Verbot) in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ablesbar sein muss; insbesondere VfSlg 12947/91 und das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/10/0017). Das im Spruch des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Oberwart, welcher infolge der auf § 66 Abs. 4 AVG gegründeten Abweisung der Berufung der Beschwerdeführerin Inhalt des angefochtenen Bescheides wurde, der Beschwerdeführerin im Tatzeitraum zur Last gelegte Verhalten kann nämlich nicht gestützt auf § 17 Abs. 1 Bgld. BauVO als Verwaltungsübertretung im Sinne des § 34 Abs. 1 Bgld. BauG qualifiziert werden.
Gemäß § 1 Abs. 1 VStG kann als Verwaltungsübertretung eine Tat (Handlung oder Unterlassung) nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war. Demnach darf einer Strafbestimmung keine rückwirkende Kraft beigelegt werden. Die Heranziehung einer verletzten Verwaltungsvorschrift, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes noch nicht galt, würde auch gegen die Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 MRK verstoßen (siehe hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Anmerkung 2 zu § 1 VStG, Seite 1189).
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , V 57/00, näher begründet dargelegt, dass eine Einfriedung in Form eines lebenden Zaunes oder einer Hecke baupolizeiliche Interessen im Sinne des § 3 Bgld. BauG berühren kann. Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Auffassung an. § 17 Abs. 1 Bgld. BauVO, welcher die Ausgestaltung von Einfriedungen regelt, ist demnach eine zulässige Bauvorschrift. Baurechtliche Normen sind jedoch - mangels gegenteiliger gesetzlicher Anordnung - grundsätzlich dahingehend auszulegen, dass rechtmäßig errichtete Bauwerke und dem Gesetz entsprechend ausgeführte baurechtlich relevante Maßnahmen durch eine spätere Änderung der Rechtslage nicht unrechtmäßig werden (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 87/05/0199, und vom , Zl. 2002/05/0040, in welchen ausgeführt wird, dass eine Konsenswidrigkeit als Grundlage für einen Bauauftrag sowohl im Zeitpunkt der Ausführung wie im Zeitpunkt der Bauauftragserteilung vorliegen muss).
Da vor Inkrafttreten der Bgld. BauVO (das war der ) keine aus den damals geltenden Bauvorschriften ableitbare Höhenbeschränkung für lebende Zäune, Hecken u.dgl. am Tatort bestanden hat, war die Beschwerdeführerin (damals) nicht verpflichtet, zweckdienliche Maßnahmen dahingehend zu ergreifen, dass die beschwerdegegenständlichen Fichten und Thujen nicht höher als 3 m wachsen. Mit Inkrafttreten des Bgld. BauG und der Bgld. BauVO ist daher der im Tatzeitraum festgestellte Zustand dieser Pflanzen im Sinne des Tatvorwurfs - mangels gegenteiliger gesetzlicher Regelung - nicht als rechtswidrig zu beurteilen, weshalb eine Bestrafung der Beschwerdeführerin nach § 17 Abs. 1 Bgld. BauVO im Zusammenhang mit § 34 Abs. 1 Bgld. BauG nicht rechtmäßig war.
Aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 333/2003.
Wien, am