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VwGH vom 20.06.1996, 96/19/1261

VwGH vom 20.06.1996, 96/19/1261

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch seine Mutter J als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 108.987/3-III/11/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , mit welchem dem Beschwerdeführer eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz nicht erteilt worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß gemäß § 63 Abs. 5 AVG Berufungen binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen seien. Da die Zustellung (des in Berufung gezogenen Bescheides) rechtswirksam am erfolgt und die Berufung des Beschwerdeführers erst am und daher verspätet eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird und über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß die durch Hinterlegung bewirkte Zustellung des erstbehördlichen Bescheides am und die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin erst am erfolgt ist. Er bringt hingegen vor, daß zufolge § 22 (zweiter Satz) AVG bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe oder wenn es gesetzlich vorgesehen ist, die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken sei. In Anbetracht seiner Minderjährigkeit wäre es erforderlich gewesen, die eigenhändige Zustellung des Bescheides der Erstbehörde zu verfügen. Minderjährige stünden gemäß § 21 ABGB unter dem besonderen Schutz des Gesetzes. Bei der in seinem Fall erforderlichen eigenhändigen Zustellung hätten zwei Zustellversuche stattfinden müssen (§ 21 Zustellgesetz). Bei der Zustellung zu eigenen Handen sei nämlich der Empfänger schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein, wenn die Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden kann. Dieser Zustellvorgang sei bei der Zustellung des erstbehördlichen Bescheides unterlassen worden, weil die Erstbehörde rechtsirrig die "Ersatzzustellung" mittels "RSb" verfügt habe. Diese Rechtslage habe die belangte Behörde verkannt, als sie die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid als verspätet zurückgewiesen habe. Wäre die Zustellung zu eigenen Handen verfügt worden, hätte seine Mutter vom zweiten Zustellversuch Kenntnis erlangt und die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid noch innerhalb offener Frist einbringen können. Mit der somit rechtswidrigen Zurückweisung dieser Berufung als verspätet sei "sein Parteiengehör" verletzt worden.

Zum Beschwerdevorbringen ist eingangs festzuhalten, daß die darin aufgestellte Behauptung, bei einer zu eigenen Handen bewirkten Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides wäre eine fristgerechte Berufungserhebung möglich gewesen, nicht nachvollziehbar ist. Die Beschwerde läßt nämlich Ausführungen darüber vermissen, warum es der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers nicht möglich war, die - nach der vom Beschwerdeführer vorgelegten Ablichtung des Rückscheines - seit dem zur Abholung beim Postamt 1170 Wien bereitliegende Sendung zu beheben. Insoferne mangelt es dem Beschwerdevorbringen an Ausführungen, die geeignet sind, die Wesentlichkeit des geltend gemachten Verfahrensmangels darzutun (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 591, angeführte Rechtsprechung).

Darüber hinaus beruht die verfahrensrechtliche Rüge auch auf einer irrigen Rechtsansicht. Nach § 22 zweiter Satz AVG ist bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe oder wenn es gesetzlich vorgesehen ist, die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken. Daß diese Art der Zustellung für den vorliegenden Fall gesetzlich vorgesehen ist, behauptet - zutreffend - die Beschwerde nicht. Sie glaubt hingegen das Vorliegen der "wichtigen Gründe" aus dem Umstand herleiten zu können, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Zustellung des erstbehördlichen Bescheides minderjährig gewesen sei, und stützt diese Ansicht auf die Bestimmung des § 21 Abs. 1 ABGB, wonach Minderjährige unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehen. Dem ist entgegenzuhalten, daß es sich bei dieser Bestimmung um eine solche des Zivilrechtes, deren Zweck im Schutz der Minderjährigen vor Übervorteilung im geschäftlichen Verkehr und in der Nicht- oder Minderanrechnung von Verstößen gegen gesetzliche Verpflichtungen besteht (vgl. dazu Aicher in Rummel2, Rz 1 zu § 21 ABGB), weshalb ihr nicht die Bedeutung beigemessen werden darf, daß mit dieser Regelung eine Anordnung verfahrensrechtlicher Art für die Zustellungen an Minderjährige getroffen würde. Der Frage, ob überhaupt durch diese seit über 180 Jahren inhaltlich unveränderte Bestimmung die vorher als § 24 Abs. 1 AVG zuletzt idF der Kundmachung BGBl. Nr. 172/1950 seit dem (BGBl. Nr. 274/1925) und seit dem (BGBl. Nr. 199/1982) als § 22 AVG in Kraft stehende Regelung gestaltet werden könnte, braucht daher nicht mehr nachgegangen zu werden.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.