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VwGH vom 06.03.2001, 99/05/0217

VwGH vom 06.03.2001, 99/05/0217

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des ZM in W, vertreten durch Dr. SS, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 04/A/30/00288/98-2, betreffend Übertretung gemäß § 60 Abs. 1 lit. a i.V.m. § 135 Abs. 1 Bauordnung für Wien (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe

"als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der R... GmbH mit Sitz in W, H...gasse 4/4, zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Bauherrin auf der Liegenschaft in W, R...gasse 16, EZ ..., KG ..., zumindest am entgegen der Bestimmung des § 60 Absatz 1 lit. a Wiener Bauordnung (BO), Arbeiten für einen Dachgeschoßausbau durchführen hat lassen, wobei die Arbeiten an den Außenwänden, den Dachflächenfenstern sowie dem straßenseitig raumbildenden Dachaufbau auf die gesamte Länge der Front bereits durchgeführt waren und mit dem Innenausbau in dem Gebäude begonnen worden ist sowie und Montageleisten für die Gipskartonplatten montiert waren, ohne dass ein rechtskräftiger Bewilligungsbescheid hiefür vorlag oder eine Einreichung gemäß § 70a BO erfolgte und nach vollständiger Vorlage der Unterlagen drei Monate (bzw. vier Monate in Schutzzonen und bei besonderen Bauvorhaben) verstrichen sind, ohne dass ein baubehördlicher Untersagungsbescheid erlassen worden ist."

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 60 Abs. 1 lit. a Bauordnung für Wien verletzt. Es wurde über ihn gemäß § 135 Abs. 1 Bauordnung für Wien eine Geldstrafe in der Höhe von S 13.500,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen, verhängt.

Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde Folge gegeben und die Geldstrafe auf S 11.000,--, im Nichteinbringungsfalle auf drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt. Diese Entscheidung wurde - soweit es entscheidungswesentlich ist - im Wesentlichen damit begründet, dass der dem Straferkenntnis zu Grunde liegende Sachverhalt vom Beschwerdeführer nie bestritten worden sei. Es sei die Verantwortung des Beschwerdeführers für die im gegenständlichen Straferkenntnis inkriminierte Tat bekämpft worden. Es habe dem dazu namhaft gemachten Zeugen Dr. H. diesbezüglich kein Glaube geschenkt werden können, zumal die von ihm vorgelegten Bestellungsurkunden auch nach seiner eigenen Aussage immer wieder nachgebessert worden seien, sodass sie insbesondere hinsichtlich der zeitlichen Einordnung ihrer Gültigkeit ihre Glaubwürdigkeit verloren hätten.

Gemäß der hg. Judikatur (es wird auf das Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0177, verwiesen) müsse der für den verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 4 VStG geforderte Zustimmungsnachweis aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammen. Der Beschwerdeführer habe dem von ihm namhaft gemachten verantwortlichen Beauftragten Dr. H. ein undatiertes Schreiben zur Zeichnung vorgelegt, welches sich ursprünglich auf eine Reihe von Häusern bezogen habe, von denen das verfahrensgegenständliche nicht umfasst gewesen sei. Diese Liste sei sukzessive durch die neuen Bauvorhaben ergänzt worden. Da aber der Beschwerdeführer selbst dazu befragt nicht habe angeben können, ob die Urkunde bereits 1992 unterschrieben und die neuen Baustellen - so auch die vorliegende - später hinzugefügt worden seien, erfülle die vorgelegte Bestellungsurkunde insbesondere nicht das dargelegte Kriterium, wonach das Beweismittel aus einer Zeit stammen müsse, das vor dem Tatzeitpunkt gelegen sein müsse. Schon auf Grund dieser Überlegung seien die Bestellungsvoraussetzungen jedenfalls nicht erfüllt worden. Im Rahmen der Beweiswürdigung zu den Ermittlungsergebnissen führte die belangte Behörde aus, dass dem namhaft gemachten Zeugen Dr. H. betreffend die Verantwortung des Beschwerdeführers kein Glaube habe geschenkt werden können, zumal die von ihm vorgelegten Bestellungsurkunden auch nach seiner eigenen Aussage immer wieder nachgebessert worden seien, sodass sie hinsichtlich der zeitlichen Einordnung ihrer Gültigkeit ihre Glaubwürdigkeit verloren hätten.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 2 VStG sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden. Gemäß § 9 Abs. 4 VStG kann ein verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Gemäß der hg. Judikatur zu § 9 Abs. 4 VStG (vgl. u.a. das Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0177) ist die Berufung auf einen verantwortlichen Beauftragten nur dann zulässig, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der dem Beschuldigten angelasteten Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten einlangt.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die belangte Behörde den von ihm vorgetragenen Sachverhalt betreffend die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten zu Unrecht als nicht geeignet ansehe, den Voraussetzungen einer Bestellung gemäß § 9 Abs. 2 VStG zu genügen. Nach Auffassung des Beschwerdeführers liege ein Zustimmungsnachweis aus einer Zeit, die vor dem Tatzeitpunkt gelegen sei, vor. Die Fertigung der ins Treffen geführten Dienstanweisung in Bezug auf die neu hinzugekommenen Bauvorhaben sei vor Beginn der Bauarbeiten erfolgt. Dies habe sowohl seine Aussage im Verfahren als auch die Aussage des Zeugen Dr. H. ergeben.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht. Im Verfahren wurden zwei Bestellungsurkunden vorgelegt, die das Datum tragen, wobei auf der einen vier Bauvorhaben angeführt sind und auf der anderen eine Ergänzung u.a. des verfahrensgegenständlichen Bauvorhabens erfolgte. Diese Urkunden sind vom Beschwerdeführer und von Dr. H. (von Letzterem auf der Urkunde betreffend die angeführten vier Bauvorhaben nach dem Vermerk, dass er hiemit seine Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten im obigen Umfange annehme) unterschrieben (auf der mit Bauvorhaben ergänzten Urkunde hat Dr. H. auch unmittelbar unter den ergänzten Bauvorhaben - allerdings ohne ein Datum anzuführen - unterschrieben).

Der Beschwerdeführer hat in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde ausgeführt, er wisse nicht, ob die vorgelegte Urkunde über die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten Dr. H. bereits 1992 unterschrieben und die neuen Baustellen hinzugefügt worden seien oder ob das Schriftstück neu verfasst worden sei. Er wisse auch nicht, wann die Hinzufügungen (der anderen drei Bauvorhaben, u.a. das verfahrensgegenständliche) vorgenommen worden seien, es könne 1995, 1996 oder 1997 gewesen sein. Übereinstimmend mit dem als Zeugen vernommenen Dr. H. gab er an, es sei vor der Durchführung der Arbeiten gewesen.

Die belangte Behörde vertrat dazu die Auffassung (Seite 8 des angefochtenen Bescheides), dass, da der Beschwerdeführer dazu befragt nicht habe angeben können, ob die ins Treffen geführte Urkunde bereits 1992 unterschrieben und die neuen Baustellen - so auch die vorliegende - später hinzugefügt worden seien, die vorgelegte Bestellungsurkunde nicht die Voraussetzung erfülle, dass das Beweismittel aus einer Zeit stammen müsse, das vor dem Tatzeitpunkt gelegen sei.

Während die belangte Behörde der Aussage des Zeugen Dr. H. im Rahmen der Beweiswürdigung keinen Glauben schenkte, insbesondere deshalb, weil die von ihm vorgelegten Bestellungsurkunden nach seiner eigenen Aussage immer wieder nachgebessert worden seien, sodass sie nach Auffassung der belangten Behörde insbesondere hinsichtlich der zeitlichen Einordnung ihrer Gültigkeit ihre Glaubwürdigkeit verloren hätten, stellte die belangte Behörde die Glaubwürdigkeit der Aussage des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang nicht in Frage, sondern schloss daraus, dass danach kein Beweismittel aus der Zeit vor dem Tatzeitpunkt vorliege. Diese Schlussfolgerung kann nicht als schlüssig beurteilt werden (vgl. die in Walter - Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2, S. 685, zu § 45 AVG in E 265 angeführten hg. Erkenntnisse). Der Verwaltungsgerichtshof kann die fragliche Aussage des Beschwerdeführers aber nicht an Stelle der belangten Behörde würdigen. Dieser Verfahrensmangel ist daher auch wesentlich. Im vorliegenden Zusammenhang müsste auch die Aussage des Zeugen Dr. H., dass die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten vor Durchführung der verfahrensgegenständlichen Bauarbeiten erfolgt sei, einer neuerlichen Würdigung unterzogen werden. Die belangte Behörde belastete damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Sofern der Beschwerdeführer weiters meint, die belangte Behörde gehe zu Unrecht davon aus, dass der dem Straferkenntnis zu Grunde liegende Sachverhalt in der Berufung nicht bestritten worden sei, stellt dies jedenfalls keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, weil der Beschwerdeführer in der Beschwerde lediglich darauf verwiesen hat, dass in der Berufung geltend gemacht worden sei, dass alle einschlägigen baubehördlichen Bestimmungen eingehalten worden seien. Der Beschwerdeführer führt dazu nichts aus, was die Wesentlichkeit dieses behaupteten Verfahrensmangels darlegen würde (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/05/0236).

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am