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VwGH vom 27.02.2004, 2003/02/0110

VwGH vom 27.02.2004, 2003/02/0110

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom , Zl. UVS 30.13-17/2002-19 (auch -18), betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheit Übertretung des Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetzes (Mitbeteiligter: AH in K, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Schlögelgasse 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe als Inhaber der Einzelfirma AH, Gastgewerbe, mit dem Standort in St, wie anlässlich einer Besichtigung der oa. Betriebsstätte am und am durch den Arbeitsinspektor RE und Hr. P (AK-Graz) festgestellt worden sei, zwei namentlich genannte Jugendliche und jugendliche Praktikantinnen an Sonntagen in ununterbrochener Reihenfolge im Gastgewerbe beschäftigt, sodass nicht jeder 2. Sonntag arbeitsfrei geblieben sei.

Er habe eine Übertretung gemäß § 18 Abs. 3 des Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetzes (KJBG), BGBl. Nr. 599/1987, begangen. Es wurde gemäß § 21 VStG eine Ermahnung erteilt.

Die belangte Behörde gab mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides der dagegen erhobenen Berufung Folge und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG ein.

Es stehe zwar fest, dass die beiden verfahrensgegenständlichen Jugendlichen an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen beschäftigt gewesen seien und der Mitbeteiligte die Anzeigepflicht gemäß § 27a KJBG nicht eingehalten habe, doch sei aus rechtlichen Gründen die Bestimmung des Punktes 3a "Unterpunkt" (gemeint: lit. c des Kollektivvertrages für Arbeiter im Gastgewerbe, Stand (in der Folge: KV), "wonach die Beschäftigung an aufeinanderfolgenden Sonntagen bei Unterlassung der Anzeige unzulässig wird", nicht anzuwenden, weil sie die Normsetzungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien überschreite. Die Beschäftigung sei erlaubt erfolgt.

Gegen diesen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende, auf § 13 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 gestützte (Amts-)Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier wesentlichen Stellen des § 18 und des § 27a KJBG, BGBl. Nr. 599/1987 idF des BGBl. Nr. 175/1992, lauten:

"§ 18 (1) An Sonntagen und an den gesetzlichen Feiertagen (§ 1 des Feiertagsruhegesetzes 1957, BGBl. Nr. 153, in der jeweils geltenden Fassung) dürfen Jugendliche nicht beschäftigt werden.

(2) Das Verbot des Abs. 1 gilt nicht im Gastgewerbe, in Krankenpflegeanstalten und Pflegeheimen, bei Musikaufführungen, Theatervorstellungen, sonstigen Aufführungen und für Arbeiten auf Sport- und Spielplätzen.

(3) In den Fällen des Abs. 2 muss jeder zweite Sonntag arbeitsfrei bleiben.

(3a) Durch Kollektivvertrag kann für das Gastgewerbe abweichend von Abs. 3 die Beschäftigung Jugendlicher an aufeinanderfolgenden Sonntagen innerhalb eines vom Kollektivvertrag festzulegenden Zeitraumes von höchstens 23 Wochen pro Kalenderjahr zugelassen werden. Innerhalb eines Kalenderjahres dürfen die Jugendlichen jedoch höchstens an 23 Sonntagen beschäftigt werden. In diese Zahl ist die Hälfte der Sonntage einzurechnen, die in die Zeit des Besuchs einer lehrgangs- oder saisonmäßigen Berufsschule fallen.

...

§ 27a. (1) Der Dienstgeber hat die Beschäftigung von Jugendlichen an aufeinanderfolgenden Sonntagen gemäß § 18 Abs. 3a dem Arbeitsinspektorat anzuzeigen. Diese Anzeige hat zu enthalten:

1. den Zeitraum, für den die Beschäftigung an aufeinanderfolgenden Sonntagen vorgesehen ist sowie jenen Zeitraum, in dem die Jugendlichen an Sonntagen und an betrieblichen Sperrtagen im Sinne des § 19 Abs. 3 nicht beschäftigt werden,

2. Zeiten des Besuches einer lehrgangs- oder saisonmäßigen Berufsschule, soweit diese in den Zeitraum gemäß § 18 Abs. 3a fallen,

3. Familien- und Vornamen der Jugendlichen sowie das Geburtsdatum.

(2) Die Anzeige gemäß Abs. 1 hat spätestens zwei Wochen vor Beginn der Beschäftigung Jugendlicher gemäß § 18 Abs. 3a zu erfolgen.

..."

Der KV bestimmt in seinem Punkt 3a:

"a) Nach § 18 Abs. 3 Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz muss für Jugendliche jeder zweite Sonntag arbeitsfrei bleiben.

Nach § 18 Abs. 3a KJBG dürfen Jugendliche auch an aufeinanderfolgenden Sonntagen beschäftigt werden. Innerhalb eines Kalenderjahres ist die Beschäftigung an höchstens 23 Sonntagen möglich, wobei in diese Zahl die Hälfte der Sonntage einzurechnen ist, die in die Zeit des Besuches einer lehrgangs- oder saisonmäßigen Berufsschule fallen. Jugendliche dürfen innerhalb eines Kalenderjahres an aufeinanderfolgenden Sonntagen nur während eines Zeitraumes von höchstens 23 aufeinanderfolgenden Sonntagen oder innerhalb von zwei nicht zusammenhängenden Zeiträumen beschäftigt werden, deren einer höchsten 12 und deren anderer höchsten 11 aufeinanderfolgende Sonntage umfasst.

Fällt in einen Zeitraum, in dem die Beschäftigung von Jugendlichen an aufeinanderfolgen Sonntagen vorgesehen ist, der Besuch einer lehrgangs- oder saisonmäßigen Berufsschule, so erweitert sich der Zeitraum der Sonntagsbeschäftigung von Jugendlichen um die Zeit des Berufsschulbesuches.

b) Auch Ferialpraktikanten können an aufeinanderfolgenden Sonntagen beschäftigt werden. Die Hälfte der in die Ferialpraxis fallenden Sonntage muss jedoch frei sein.

... ( es folgt die Anleitung zur Berechnung der Zahl der Sonntage)

c) Der Arbeitgeber hat dem zuständigen Arbeitsinspektorat jeden Jugendlichen anzuzeigen, der an aufeinanderfolgenden Sonntagen beschäftigt werden soll. Die Anzeige soll im Jänner für das laufende Kalenderjahr erfolgen. Eine spätere Anzeige ist vor allem möglich, wenn die Zeiten des Besuchs einer lehrgangs- oder saisonmäßigen Berufsschule erst später bekannt werden, der Urlaub des Jugendlichen noch nicht vereinbart ist oder das Dienstverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt beginnt. Spätestens jedoch hat die Anzeige nach § 27a Abs. 2 KJBG zwei Wochen vor Beginn der Beschäftigung von Jugendlichen an aufeinanderfolgenden Sonntagen zu erfolgen, anderenfalls ist die Beschäftigung von Jugendlichen an aufeinanderfolgenden Sonntagen nicht zulässig.

Die Anzeige muss den genauen Zeitraum enthalten, in dem die Beschäftigung des Jugendlichen an aufeinanderfolgenden Sonntagen vorgesehen ist. Für die übrigen Sonntage des Anzeigezeitraumes genügt der Hinweis, dass der Jugendliche an diesen Sonntagen nicht beschäftigt wird.

Die Anzeige an das Arbeitsinspektorat hat in nachweisbarer Form (z.B. eingeschriebener Brief, Fax) zu erfolgen."

Die belangte Behörde lässt außer Acht, dass gemäß § 18 Abs. 3 KJBG für Jugendliche, die im Gastgewerbe beschäftigt sind, jeder zweite Sonntag arbeitsfrei zu bleiben hat und die Anzeigepflicht bereits in § 27a KJBG normiert ist. Eine Ausnahme von § 18 Abs. 3 kann gemäß § 18 Abs. 3a KJBG durch KV zugelassen werden. Ausnahmen sind grundsätzlich eng auszulegen (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/18/0231).

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde darf Punkt 3a des KV nach seinem Aufbau nicht so verstanden werden, dass zunächst eine unbedingte Ausnahme von § 18 Abs. 3 KJBG geschaffen wurde und sodann eine - neue - Beschränkung der Ausnahme durch lit. c Abs. 1 letzter Satz des Punktes 3a des KV eingeführt werden sollte. Denn Punkt 3a des KV wiederholt zunächst lediglich an mehreren Stellen die zu Grunde liegenden Normen des KJBG, so insbesondere dessen § 18 Abs. 3 und 3a, sowie § 27a Abs. 1 und 2, ohne dass - bei verständiger Würdigung - dadurch neue (selbständige) Tatbestände geschaffen würden. Die belangte Behörde weist zwar richtig darauf hin, dass § 18 KJBG als Teil des Abschnittes 3 des KJBG "Schutzvorschriften für Jugendliche" solche Schutzvorschriften enthält, zieht daraus aber einen falschen Schluss. Denn gerade im Sinne dieses Schutzzweckes darf eine - zwar zulässige, aber an sich dem Schutzzweck entgegen stehende - abweichende Ausnahmeregelung im KV wie jene in dessen Punkt 3a keinesfalls ausdehnend (und somit den Schutzzweck besonders beeinträchtigend), sondern nur in jenem dem Wortlaut nach engstmöglichen Sinn interpretiert werden, der den Schutzzweck am wenigsten beeinträchtigt.

Die Wortfolge (in Punkt 3a lit. c Abs. 1 letzter Satz des KV) "hat die Anzeige ... zu erfolgen, anderenfalls ist die Beschäftigung ... nicht zulässig" ist demnach lediglich - wie der Beschwerdeführer richtig aufzeigt - eine einschränkende Bedingung für die Gültigkeit der in Punkt 3a lit. a und b des KV ausgeführten, im Sinne des § 18 Abs. 3a KJBG an sich zulässigen Festlegung einer abweichenden Ausnahmeregelung zu § 18 Abs. 3 KJBG.§ 18 Abs. 3a KJBG verbietet den Kollektivvertragsparteien nicht, dass die Gültigkeit der Zulassung einer Abweichung vom Verbot des § 18 Abs. 3 KJBG im KV an eine einschränkende Bedingung geknüpft wird und regelt auch nicht, wie eine Bedingung gestaltet werden soll. Es spielt keine Rolle, dass die gegenständliche Bedingung, die dem § 27a KJBG (der zum Abschnitt 4 des KJBG gehört) entnommen wurde, isoliert für sich gesehen nicht unmittelbar dem Schutzzweck des Abschnittes 3 des KJBG dient. Daher liegt entgegen der Ansicht der belangten Behörde keine Überschreitung der "Normsetzungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien" vor.

Daraus folgt für den konkreten Fall, dass auf Grund des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes von der Nichteinhaltung der die Zulässigkeit einer Beschäftigung von Jugendlichen an aufeinanderfolgenden Sonntagen regelnden Bedingung des Punktes 3a lit. c Abs. 1 letzter Satz KV durch den Mitbeteiligten auszugehen ist, sodass die gegenständliche Beschäftigung der beiden Jugendlichen an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen nach § 18 Abs. 3 KJBG unzulässig war.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am