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VwGH vom 19.08.1997, 96/16/0148

VwGH vom 19.08.1997, 96/16/0148

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

96/16/0149

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerden 1. des FU und 2. der DU, beide in R, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg je vom , zu

1. Zl. 642-4/94 und zu 2. Zl. 172-5/96, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beiden beschwerdeführenden Ehegatten unterfertigten am eine als "Schenkungsvertrag" bezeichnete Urkunde. Im § 1 der Urkunde wurde festgehalten, daß die Zweitbeschwerdeführerin Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ NN8 Grundbuch R war. Weiters wurde festgestellt, daß der Erstbeschwerdeführer zu 133/5325-Anteilen Eigentümer der EZ NN3 Grundbuch R war. § 2 der Vertragsurkunde lautet:

"§ 2

Schenkung

Bereits vor Unterfertigung dieses Vertrages hat DU ihren Hälfteanteil am vorbezeichneten GST NN4/2 ihrem Ehegatten FU geschenkt und übergeben. Dieser hat die Schenkung angenommen und das Schenkungsobjekt zur Hälfte in sein Eigentum übernommen.

Ebenso hat FU bereits vor Unterfertigung dieses Vertrages die Hälfte seiner vorbezeichneten 133/5325-Anteile (B-LNR 2), mit denen das Wohnungseigentum an W 2 und AP 34 untrennbar verbunden ist, sohin 133/10.650-Anteile, seiner Ehegattin DU geschenkt und übergeben. Diese hat die Schenkung angenommen und diese 133/10.650-Anteile in ihr Eigentum übernommen.

Gleichzeitig haben die Vertragsteile ihre nunmehrigen je 133/10.650-Anteile am Mindestanteil unter Begründung gemeinsamen Wohnungseigentums für Ehegatten gemäß § 12 Abs. 1 WEG 1975 verbunden."

Das Finanzamt erblickte in der Vereinbarung zwischen den Beschwerdeführern einen Tauschvertrag und schrieb diesen mit Bescheiden je vom Grunderwerbsteuer von der Gegenleistung vor.

Die Beschwerdeführer erhoben in getrennten Schriftsätzen, aber im wesentlichen gleichlautende Berufungen gegen diese Grunderwerbsteuerbescheide. Die Beschwerdeführer seien sich einig gewesen, daß die jeweiligen Schenkungsobjekte ohne jede Gegenleistung und nicht in Erfüllung einer Verpflichtung dem anderen überlassen werden. Die Schenkung knüpfe ausschließlich an das bürgerliche Recht an, weshalb der Schenkungsbegriff einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht zugänglich sei. Die beiden Schenkungen seien voneinander unabhängig; es sei nie bedungen gewesen, daß ein "Gegengeschenk" zu leisten sei. Die beiden Schenkungen seien unabhängig voneinander ausschließlich in der Absicht einer unentgeltlichen Leistung gemacht worden.

In Berufungsvorentscheidungen, mit denen die Berufungen als unbegründet abgewiesen wurden, wurde unter anderem auf die Bestimmung des § 942 ABGB hingewiesen. Die Beschwerdeführer beantragten dagegen die Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Berufungen als unbegründet abgewiesen. In der Begründung der Bescheide vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß auch im Bereich des Erbschafts- und Schenkungsteuergesetzes sowie des Grunderwerbsteuergesetzes zur Lösung von Tatfragen die wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich sei. Wenn mit mehreren Rechtsvorgängen ein einheitlicher Zweck verfolgt werde, sei auf den Gesamtzweck abzustellen. Auf Grund des engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhanges seien die Vorgänge nicht als Schenkung, sondern als Grundstückstausch zu beurteilen.

In den Beschwerden gegen diese Bescheide erachten sich die Beschwerdeführer dadurch in ihren Rechten verletzt, daß die Finanzbehörde "zu Unrecht die beiden Schenkungen als Tausch beurteilt und damit entgegen der Ausnahmebestimmung des § 3 Abs. 1 Z. 2 GrEStG zu Unrecht Grunderwerbsteuer anstatt die niedrigere Schenkungssteuer gemäß den Bestimmungen des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes vorgeschrieben hat und diese gesetzlichen Bestimmungen unrichtig angewendet hat". Die Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung der Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßten Gegenschriften und die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und über sie erwogen:

Wenn die Beschwerdeführer davon ausgehen, daß der Schenkungsbegriff des § 3 Abs. 1 Z. 1 ErbStG einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht zugänglich ist, so verkennen sie den Inhalt des § 21 Abs. 1 BAO, wonach für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend ist. Die rechtliche Anknüpfung im Verkehrsteuerrecht (hier einerseits § 3 Abs. 1 Z. 1 ErbStG und andererseits § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG) beschränkt sich nämlich im allgemeinen auf die grundsätzliche Tatbestandsbildung und läßt ansonsten Raum auch für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise (vgl. Doralt/Ruppe, Steuerrecht II3 199).

Dabei können die Beschwerdeführer auch aus den von ihnen herangezogenen zivilrechtlichen Bestimmungen nichts gewinnen:

Die Auffassung, unentgeltliche Geschäfte seien i.S.d. § 915 ABGB ausschließlich nach der Willenstheorie auszulegen, erscheint überholt. Vielmehr ist auch für unentgeltliche Verträge die Vertrauenstheorie maßgeblich (vgl. die Entscheidung des , SZ 67/136). Unter einer Absicht der Parteien i.S.d. § 914 ABGB ist dabei nichts anderes als der Geschäftszweck zu verstehen, den jeder der vertragschließenden Parteien redlicherweise der Vereinbarung unterstellen muß (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes je vom , Zl. 92/16/0159 und Zl. 92/16/0160).

Entgegen der Meinung der Beschwerdeführer hat sich schon das Finanzamt in den von ihm erlassenen Berufungsvorentscheidungen zu Recht auf § 942 ABGB gestützt; diese Bestimmung lautet:

"§ 942. Sind Schenkungen vorher dergestalt bedungen, daß der Schenkende wieder beschenkt werden muß; so entsteht keine wahre Schenkung im Ganzen; sondern nur in Ansehung des übersteigenden Wertes."

Die Beschwerdeführer mißverstehen dabei die - heute ungebräuchliche - Formulierung "bedungen". Darunter ist keineswegs eine förmliche Bedingung i.S.d. § 696 ABGB, sondern vielmehr eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zu verstehen.

§ 942 ABGB ist somit als eine Regelung der (für eine Schenkung erforderlichen) Unentgeltlichkeit zu sehen. Wenn das Gegengeschenk "bedungen" war, so fehlt eine solche Unentgeltlichkeit; es liegt "eine Art" Tauschgeschäft vor (vgl. - die von den Beschwerdeführern bezogene Kommentarstelle von - Stanzl in Klang2 IV 610). Gerade dieser Tatbestand des § 942 ABGB wurde aber in den Beschwerdefällen in Wahrheit erfüllt. Die beiden Beschwerdeführer haben uno actu eine Vereinbarung über die wechselseitige Hingabe von Grundstücksanteilen getroffen, der es zufolge § 942 ABGB am Merkmal der Unentgeltlichkeit fehlte.

Gerade der im Verwaltungsverfahren dargestellte Beweggrund für die Vorgangsweise der Beschwerdeführer - nämlich einerseits die Absicht der Beschwerdeführer, auf der Liegenschaft EZ 5218 in absehbarer Zeit gemeinsam ein Wohnhaus zu errichten und andererseits die Eigentumswohnung zur Finanzierung dieses Bauvorhabens zu verwerten - stellt dabei klar, daß die beiden Beschwerdeführer eine einheitliche Regelung ihrer vermögensrechtlichen Situation beabsichtigten. Entgegen ihrer Auffassung bestand somit zwischen den Übergaben der beiden Grundstücksanteile sehr wohl ein enger sachlicher Zusammenhang, der ihre Auffassung als Einheit rechtfertigte. Wenn nämlich mit mehreren Rechtsvorgängen ein solcher einheitlicher Zweck verfolgt wird, so besteht im Einklang mit § 21 BAO die Notwendigkeit, die Beurteilung der Tatfrage auf den Gesamtzweck abzustellen (vgl. das Erkenntnis vom , Zlen. 87/16/0085, 0086). Eine Wertung der von den Beschwerdeführern getroffenen Vereinbarungen als voneinander unabhängige Schenkungsgeschäfte kam daher nicht in Betracht.

Die Beschwerden waren somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.