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VwGH vom 29.01.1996, 96/16/0014

VwGH vom 29.01.1996, 96/16/0014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der L in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 13-1/B-360/1/94, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des vorgelegten angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Das Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz leitete mit Bescheid vom das Strafverfahren gegen die Beschwerdeführerin ein, weil der Verdacht bestehe, sie habe anläßlich ihrer Einreisen in den Jahren 1989 und 1990 über das Zollamt Flughafen Wien vorsätzlich Waren, nämlich näher angeführte Damenringe, unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht dem Zollverfahren entzogen und hiemit ein Finanzvergehen nach § 35 Abs. 1 FinStrG begangen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Administrativbeschwerde brachte die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, diese Schmückstücke seien ihr Eigentum und stammten aus einem Aufenthalt in den USA, wo sie diese als Geschenk erhalten habe. Sie sei davon ausgegangen, daß sie diese Schmuckstücke als Geschenk nicht zu verzollen habe. Ihr könne im Hinblick darauf kein Vorsatz und auch keine Fahrlässigkeit zum Vorwurf gemacht werden. Dafür spreche auch, daß die Beschwerdeführerin diesen Sachverhalt - ohne dazu gezwungen zu sein - stets freiwillig zugegeben habe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Bescheid des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die Finanzstrafbehörde erachte auf Grund der Feststellungen bei der Vollziehung eines Hausdurchsuchungsbefehles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien am , der Aussagen von I.B. vor dem Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , der Aussagen von R.B. vom und der schriftlichen Eingaben vom 8. und den Tatvorwurf als hinreichend begründet. Weiters habe die Beschwerdeführerin erklärt, die näher bezeichneten Schmuckstücke stammten aus einem Aufenthalt in den USA. Sie hätte diese Schmuckstücke damals geschenkt bekommen und nicht daran gedacht, diese auch als Geschenk verzollen zu müssen. Wenn die Beschwerdeführerin zur subjektiven Tatseite eingewendet habe, sie wäre davon ausgegangen, diese Schmuckstücke als Geschenk nicht verzollen zu müssen und darin einen entschuldbaren Irrtum erblicke, der jede Schuldform beseitige, dann habe sie jedoch diese Ansicht nicht glaubhaft zu untermauern vermocht. Diese Behauptung sei nicht geeignet, von vornherein ihr Verschulden auszuschließen. Auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse bestünden schwerwiegende Verdachtsgründe für den Tatvorwurf gegen die Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich, aus der Beschwerde erkennbar, in ihrem Recht auf Nichteinleitung des Finanzstrafverfahrens verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 82 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß §§ 80 oder 81 leg. cit. zugekommenen Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Das gleiche gilt, wenn sie in anderer Weise, insbesondere aus eigener Wahrnehmung vom Verdacht eines Finanzvergehens Kenntnis erlangt. Die Prüfung ist nach den für die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Untersuchungsverfahren geltenden Bestimmungen vorzunehmen. Ergibt sich, daß die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz das Strafverfahren einzuleiten. Von der Einleitung des Strafverfahrens hat sie unter anderem dann abzusehen, wenn die Tat mangels ausreichender Anhaltspunkte voraussichtlich nicht erwiesen werden kann oder der Verdächtige die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat.

Es ist daher zu prüfen, ob die belangte Behörde die auf der Grundlage des § 82 Abs. 1 FinStrG sich stellende Rechtsfrage des Vorliegens von genügenden Verdachtsgründen für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens dem Gesetz entsprechend beantwortet hat.

Für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens genügt es somit, wenn gegen den Verdächtigten genügend Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, daß er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlußfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom (vermuteten) eigentlichen Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein Verdacht besteht, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens von bestimmten Umständen rechtfertigen. Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung. Er ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/15/0061).

In der Beschwerde wird nicht bestritten, daß die Schmuckstücke von der Beschwerdeführerin ohne Verzollung ins Zollgebiet verbracht wurden. Strittig bleibt, ob begründeter Verdacht besteht, die Beschwerdeführerin habe dabei vorsätzlich gehandelt.

Mit dem Vorbringen, die Legaldefinition des Vorsatzes im § 8 FinStrG fordere zwingend die Voraussetzung, die Beschwerdeführerin MUßTE wissen - nicht etwa hätte wissen können oder wissen müssen -, daß ihre Handlung gegen abgabenrechtliche Pflichten verstößt, übersieht die Beschwerdeführerin, daß nach § 8 Abs. 1 zweiter Halbsatz FinStrG es für das Vorliegen eines Vorsatzes genügt, daß der Täter die Verwirklichung des Sachverhaltes ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter das Übel zwar nicht erstrebt, es auch nicht als untrennbar, sondern nur als möglich und mit dem von ihm bezweckten Folgen seiner Handlung verbunden betrachtet, es aber doch in Kauf nimmt, darein willigt, es billigt, damit einverstanden ist, falls sein Ziel eben nicht anders erreichbar ist (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/16/0074).

Da die Einleitung eines Strafverfahrens wegen vorsätzlicher Finanzvergehen nach dem Finanzstrafgesetz mit Bescheid zu ergehen hat, gelten gemäß § 56 Abs. 2 FinStrG für Inhalt und Form die Vorschriften der Bundesabgabenordnung über Inhalt und Form von Bescheiden (§ 93 BAO). In der Begründung des Einleitungsbescheides ist daher darzulegen, von welchem Sachverhalt die Finanzstrafbehörde ausgegangen ist und welches schuldhafte Verhalten dem Beschuldigten vorgeworfen wird. Der Verdacht muß sich sowohl auf den objektiven als auch auf den subjektiven Tatbestand erstrecken (vgl. Erkenntnis vom , Zl. 92/16/0163).

Mit dem bloßen Hinweis auf die "Verfahrensergebnisse" und die Anführungen der Namen von einvernommenen Zeugen verfehlt die Behörde ihre Verpflichtung, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen klar und übersichtlich zusammenzufassen (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 2535/79).

Nun hat die belangte Behörde zwar auch ausgeführt: "Auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse bestehen schwerwiegende Verdachtsgründe für den Tatvorwurf gegen die Beschwerdeführerin" und hat weiters auf Aussagen von Personen auf eine durchgeführte Hausdurchsuchung und auf schriftliche Eingaben hingewiesen - was allein der Begründungspflicht nicht entspricht -, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vermögen aber Verfahrensmängel nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, wenn sie wesentlich sind. Die Wesentlichkeit eines behaupteten Verfahrensmangels ist von der Beschwerde darzutun (vgl. Klecatsky-Öhlinger, Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, 291, E 20, samt angeführter Rechtsprechung).

In der Beschwerde wird nicht behauptet, daß auf Grund der angeführten Umstände und Fakten keineswegs auf das Vorliegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens geschlossen werden könnte. Wenn auch die Begründung des angefochtenen Bescheides die sich aus den genannten Umständen und Fakten sich ergebenden konkreten Verdachtsgründe nicht ausdrücklich anführt, darf nicht übersehen werden, daß sich der Vorsatz (bzw. sein Nachweis) auch aus der (äußeren Erscheinungsform der) Tat selbst ergeben kann (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zlen. 81/16/0229, 0230). Dies insbesondere bei der Verbringung von Schmuckstücken aus dem Ausland in das Zollgebiet, zumal es als Allgemeingut angesehen werden kann, daß im Ausland (im Beschwerdefall in den USA) erworbene Gegenstände über einen bestimmten Wert - geschenkt, gekauft oder sonstwie erworben - anläßlich der Verbringung in das Zollgebiet einem Zollverfahren zuzuführen sind. Da sich im vorliegenden Fall somit aus der Tat selbst ein für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens hinreichender Verdacht ergibt, dem in der Beschwerde keine konkreten Argumente entgegengesetzt wurden, und überdies die Wesentlichkeit des Verfahrensmangels nicht dargetan wurde, hat die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.

Die endgültige Beantwortung der Frage, ob die Beschuldigte das Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, bleibt dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens nach den § 115 ff FinStrG vorbehalten. Verbleiben allenfalls nach Durchführung der Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft der Beschuldigten, dann hat nach dem Grundsatz von "in dubio pro reo" ein Freispruch zu erfolgen. Bei der Einleitung des Finanzstrafverfahrens ist jedoch nicht erforderlich, daß das Finanzvergehen bereits zweifelsfrei nachgewiesen ist, sondern es genügen hinreichende Verdachtsgründe.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rechten verletzt worden ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.