VwGH vom 03.12.1990, 90/19/0039
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom , Zl. VII/1-V-1261/0/1-89, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des KJBG (mitbeteiligte Partei: C. D.), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling (BH) vom wurde der Mitbeteiligte als verantwortlicher Beauftragter der A. Hotelbetriebsgesellschaft mbH im Standort in V. schuldig erkannt, jugendliche Arbeitnehmer zu ungesetzlichen Arbeitsleistungen herangezogen zu haben, und zwar "1) H. N. geb. , wurde zwischen 25. August und an insgesamt 24 Tagen jeweils bis 24,00 Uhr beschäftigt; 2) A. Z. geb. , hatte vom 19. zum
20. und 22. zum jeweils nur 9 Stunden Ruhezeit". Der Mitbeteiligte habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 30 in Verbindung mit § 17 Abs. 2 und § 16 KJBG begangen und es wurden deshalb über ihn gemäß § 30 leg. cit. Geldstrafen in der Höhe von zu 1)
S 5.000,-- (Ersatzarrest in der Dauer von fünf Tagen) und zu 2)
S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe ein Tag) verhängt. Zu dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof allein noch maßgeblichen Strafausspruch führte die BH Mödling begründend aus, die Höhe der Strafe sei dem Verschulden und den persönlichen Verhältnissen des Mitbeteiligten angemessen. Als mildernd sei die bisherige Straflosigkeit des Mitbeteiligten und der Umstand berücksichtigt worden, daß er im August 1988 unter nicht sehr leichten Voraussetzungen de facto die Leitung des Betriebes übernommen habe. Dem Antrag des Arbeitsinspektorates, hinsichtlich des Jugendlichen N. die Höchststrafe zu verhängen, sei insbesonders auch deshalb nicht nachgekommen worden, da der Jugendliche bereits sein
18. Lebensjahr überschritten habe und dem KJBG nur mehr deshalb unterlegen sei, weil er noch Lehrling gewesen sei.
Der dagegen vom Arbeitsinspektorat für den
5. Aufsichtsbezirk nur hinsichtlich des Strafausmaßes erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Niederösterreich (die belangte Behörde) mit Bescheid vom keine Folge. Eingangs der Begründung wies die belangte Behörde darauf hin, daß sie das angefochtene Straferkenntnis im wesentlichen aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung vollinhaltlich bestätige. Ergänzend führte die belangte Behörde sinngemäß aus, es seien der Bestrafung fortgesetzte Delikte zugrunde gelegen, weshalb bei der Strafbemessung nur jeweils von einer Straftat auszugehen gewesen sei. Die verhängten Strafen entsprächen dem Ausmaß des Verschuldens. Straflosigkeit stelle jedenfalls einen mildernden Umstand dar, auch wenn der Bestrafte erst kurze Zeit jene Tätigkeit ausgeübt habe, bei der er sich einer strafbaren Handlung schuldig gemacht habe. Zutreffend sei auch die erst kurze Tätigkeit des Mitbeteiligten als Leiter des Unternehmens im Sinne eines geringeren Verschuldens gewertet worden. Es sei eine Erfahrungstatsache, daß bei der Übernahme eines neuen Aufgabengebietes Fehler und Irrtümer passierten, die naturgemäß in bezug auf das Verschulden geringer zu werten seien, als wenn sie einem Verantwortlichen, der über eine hinreichende Erfahrung verfüge, unterliefen.
Gegen diesen Bescheid, und zwar nur hinsichtlich der Strafhöhe, richtet sich die vorliegende, gemäß § 9 Abs. 2 ArbIG 1974 erhobene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einem nicht näher ausgeführten Schreiben die Abweisung der Beschwerde mit dem Bemerken beantragt, daß der angefochtene Bescheid dem Mitbeteiligten gegenüber nicht rechtswirksam geworden sei, da er ihm infolge seines unbekannten Aufenthaltes nicht zugestellt habe werden können. Vom Mitbeteiligten wurde keine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zufolge der erwähnten Mitteilung der belangten Behörde über die Erfolglosigkeit der Zustellung des angefochtenen Bescheides an den Mitbeteiligten war zunächst die Frage zu prüfen, ob die Beschwerdeführung durch den beschwerdeführenden Minister bei diesem Sachverhalt zulässig ist.
Gemäß § 9 Abs. 2 ArbIG 1974 ist der Bundesminister für soziale Verwaltung (nunmehr: für Arbeit und Soziales) berechtigt, gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden, die in letzter Instanz ergangen sind, wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Gemäß § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde sechs Wochen. Gemäß Z. 4 dieser Gesetzesstelle beginnt sie mit dem Tag der Zustellung des Bescheides an das zur Erhebung der Beschwerde befugte Organ bzw. mit dem Zeitpunkt, zu dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat. Im vorliegenden Fall wurde vom beschwerdeführenden Bundesminister die Beschwerde innerhalb von sechs Wochen, ab dem Zeitpunkt, zu dem ihm der angefochtene Bescheid vom zuständigen Arbeitsinspektorat übermittelt worden war, erhoben. Die Beschwerdeführung war daher zulässig, weshalb über die Beschwerde meritorisch zu entscheiden ist. Daß der angefochtene Bescheid dem Mitbeteiligten bisher nicht zugestellt werden konnte und ihm gegenüber daher keine Rechtswirkungen entfaltet, ist für die Beschwerdelegitimation des beschwerdeführenden Ministers ohne Bedeutung.
Die Beschwerde vertritt die Ansicht, die belangte Behörde habe die Strafhöhe nicht entsprechend den Bestimmungen des § 19 VStG 1950 bemessen. Die belangte Behörde habe bei ihrer Ermessensübung im Falle der Übertretung des Nachtarbeitsverbotes unberücksichtigt gelassen, daß es sich hiebei nicht bloß um eine sich aus besonderen Umständen ergebende einmalige oder gelegentliche geringfügige Überschreitung der in § 17 Abs. 2 KJBG festgesetzten Zeitgrenze, sondern um eine sich über einen längeren Zeitraum erstreckende systematische Übertretung des Nachtarbeitsverbotes in beträchtlichem Ausmaß gehandelt habe. Außerdem habe die belangte Behörde bei der Strafbemessung den Umstand außer acht gelassen, daß der Mitbeteiligte vorsätzlich gehandelt habe. Der Umstand, daß der Jugendliche N. bereits das 18. Lebensjahr vollendet gehabt habe, könne nicht als mildernd berücksichtigt werden, da in § 3 Z. 2 KJBG ausdrücklich festgelegt sei, daß Lehrlinge auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres dem vollen Schutz des Bundesgesetzes über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen unterlägen. Die verhängte Geldstrafe von S 5.000,-- sei im Hinblick auf den in § 30 KJBG für erstmalige Übertretungen vorgesehenen Strafrahmen von S 1.000,-- bis S 15.000,-- wegen der mit der Tat verbundenen beträchtlichen Gefährdung und angesichts des Grades des Verschuldens des Mitbeteiligten als zu gering anzusehen. Auch die für die zweite dem Mitbeteiligten angelastete Übertretung des KJBG verhängte Strafe erscheine dem Beschwerdeführer angesichts des Umstandes, daß in zwei Fällen die vorgesehene tägliche Ruhezeit um ein Viertel verkürzt und nicht einmal das für erwachsene Arbeitnehmer geltende Mindestausmaß der Ruhezeit von 11 Stunden eingehalten worden sei, als zu gering bemessen, zumal die verhängte Geldstrafe von S 1.000,-- nur der im KJBG vorgesehenen Mindeststrafe entspreche.
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Nach § 19 Abs. 2 VStG 1950 sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß § 30 KJBG, der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Strafbestimmung, ist, wer diesem Bundesgesetz oder einer auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 15.000,--, im Wiederholungsfall von S 3.000,-- bis S 30.000,--, oder mit Arrest von drei Tagen bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.
Die Strafzumessung, die stets innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens zu erfolgen hat, ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG 1950 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Dies bedeutet, daß die Behörde auf der Grundlage des § 19 Abs. 1 VStG 1950 ihre Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens darzutun hat. Dazu gehört die Beantwortung der gemäß § 19 Abs. 1 VStG 1950 rechtserheblichen Frage nach dem Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung jener Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Des weiteren sind neben dem objektiven Kriterium des Unrechtsgehaltes der Tat auch die subjektiven des Schuldgehaltes der Tat (§ 19 Abs. 2 VStG 1950 in Verbindung mit § 32 StGB) zu erörtern (siehe hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens3, Anm. 2 zu § 19 VStG, S. 614 f, und die dort angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Im Lichte dieser Rechtslage vermag der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde nicht darin zu folgen, daß die belangte Behörde die Strafhöhe nicht entsprechend den Bestimmungen des § 19 VStG 1950 bemessen habe. Der Beschwerdeführer macht der belangten Behörde hinsichtlich beider dem Mitbeteiligten angelasteten Übertretungen des KJBG in erster Linie zum Vorwurf, sie habe bei der Strafbemessung außer acht gelassen, daß es sich beim ersten Fall um "eine sich über einen längeren Zeitraum erstreckende systematische Übertretung des Nachtarbeitsverbotes in beträchtlichem Ausmaß" gehandelt habe und beim zweiten Fall "in zwei Fällen die vorgesehene tägliche Ruhezeit um ein Viertel verkürzt worden sei", und daß der Mitbeteiligte überdies vorsätzlich gehandelt habe. Dieser Vorwurf entbehrt jeder Berechtigung, da aus der Begründung des angefochtenen Bescheides mit hinlänglicher Deutlichkeit entnommen werden kann, daß die belangte Behörde bei der Strafbemessung die vom Beschwerdeführer vermißten Kriterien mitberücksichtigt hat.
Aber auch der weitere Einwand des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte bei der ersten dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung den Umstand, daß der Jugendliche N. bereits das 18. Lebensjahr überschritten gehabt habe, nicht als mildernd berücksichtigen dürfen, ist im vorliegenden Fall nicht stichhältig. Der Beschwerdeführer übersieht hiebei, daß dieses Argument von der Behörde erster Instanz als zusätzliche Begründung dafür angeführt worden ist, daß dem Antrag des Arbeitsinspektorates, in diesem Fall die Höchstsstrafe zu verhängen, nicht entsprochen werde. Wenngleich der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht des Beschwerdeführers für richtig hält, daß im Hinblick auf das durch das KJBG geschützte Rechtsgut, nämlich der Gesundheit des Jugendlichen, bei der Strafbemessung der Überschreitung der im § 3 Z. 1 KJBG normierten Altersgrenze keine entscheidende Bedeutung zukommt, kann dennoch im konkreten Fall kein Fehler in der Strafbemessung erblickt werden, da die belangte Behörde erkennbar dem fortgeschrittenen Alter des Jugendlichen bei der Strafbemessung nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen hat.
Da die belangte Behörde sohin bei der - innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens gehaltenen - Strafbemessung von dem ihr durch § 19 VStG 1950 eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, haftet dem angefochtenen Bescheid die von der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit nicht an.
Die somit unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.