VwGH vom 31.01.2002, 96/15/0228
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. H. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. U. Zehetner, über die Beschwerde des H in V, vertreten durch Dr. Klaus Dorninger, Rechtsanwalt in 4021 Linz, Figulystraße 27, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom , Zl. GA 6-96/5095/03, betreffend Umsatzsteuer 1995 , zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdefall steht im Zusammenhang mit den unter dem Begriff "Vorsteuerschwindel des Werner Rydl" durch zahlreiche Medienberichte und Publikationen in der Öffentlichkeit bekannten Vorgängen.
Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber dem Beschwerdeführer die Umsatzsteuer 1995 fest. Entsprechend den Feststellungen einer im Jahr 1995 durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung gemäß § 151 BAO (über den Zeitraum Jänner bis Juni 1995) könne - so wird in der Bescheidbegründung ausgeführt - ein Betrag von ca. 2,5 Mio. S an geltend gemachter Vorsteuer nicht anerkannt werden. Dieser strittige Vorsteuerbetrag resultiere aus der Lieferung von Parfumölen durch die Firma EL (Handelsagentur) an den Beschwerdeführer. Geliefert worden seien nicht die in den Rechnungen ausgewiesenen wertvollen Parfumöle, sondern minderwertige Waren.
Der Beschwerdeführer brachte Berufung ein und begehrte die Anerkennung der geltend gemachten Vorsteuer.
Die belangte Behörde holte ein Gutachten der Universität Wien, Institut für pharmazeutische Chemie, über die Zusammensetzung und den Wert beschlagnahmter Parfumproben ein.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Zur Begründung stützt sie sich darauf, dass hinsichtlich der Parfumöle keine zum Vorsteuerabzug iSd § 12 UStG erforderliche ordnungsgemäße Rechnung nach § 11 UStG vorgelegen sei, weil die gehandelten Parfumöle in den Rechnungen nicht handelsüblich bezeichnet worden seien (Angaben wie "Andromeda", "Synus", "Pupis", und "Auriga" seien nicht ausreichend; soweit Parfumöle nicht bereits durch ihre Marke spezifiziert seien, müssten sie durch Angabe ihrer Inhaltsstoffe, ihrer Verarbeitung, vor allem aber ihrer Herkunft bestimmt sein). Zudem seien im Beschwerdefall Gegenstand der Lieferung ausschließlich "wertlose gestreckte Öle minderer Qualität" gewesen, die keineswegs den in den Fakturen ausgewiesenen Waren entsprochen hätten. Die Fakturen seien über hochwertige Parfumöle ausgestellt worden, was sich insbesondere aus dem hohen Preis der Produkte (zum Teil über 100.000 S pro kg) ergebe. Die tatsächlich gelieferten Waren seien völlig andere gewesen. Dieses "aliud" könne nicht als Kaufgegenstand angesehen werden. Da die tatsächlich Lieferung in wertlosem Material bestanden habe, liege keine Lieferung solcher Waren vor, wie sie in den Fakturen ausgewiesen seien. Der Vorsteuerabzug stehe daher nicht zu.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist.
Gemäß § 11 Abs. 1 UStG 1994 müssen Rechnungen u.a. (gemäß Z 3) die Menge und handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung enthalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer Reihe von Erkenntnissen - etwa im Erkenntnis vom , 96/15/0220 - zum Grundtatbestand des Vorsteuerabzuges betont, dass der Vorsteuerabzug u.a. zur Voraussetzung hat, dass über die tatsächlich erbrachte Leistung eine Rechnung im Sinn des § 11 UStG 1994 gelegt worden ist. Es muss also die Lieferung erfolgt sein und eine Rechnung vorliegen, in der die tatsächlich gelieferten Gegenstände ausgewiesen sind.
Das UStG 1994 kennt - im Gegensatz zum UStG 1972 - auch den Vorsteuerabzug aus Anzahlungen. Dieser hat zur Voraussetzung eine Rechnung, die den Anforderungen des § 11 UStG 1994 entspricht, und die Entrichtung des Entgeltes (vgl. Ruppe, UStG2, § 12 Tz 39).
Das Gesetz normiert die entsprechende Bezeichnung der Ware in der Rechnung, um die Erhebung der Mehrwertsteuer und die Überprüfung des Vorsteuerabzuges durch die Abgabenbehörde sicherzustellen (vgl. sinngemäß das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 97/14/0138). Liegt eine Diskrepanz zwischen tatsächlich gelieferter (bzw. zu liefernder) Ware und in der Rechnung enthaltener Bezeichnung vor, ist der Vorsteuerabzug zu versagen.
Ungeachtet der Frage der Zulässigkeit der von der belangten Behörde geforderten Voraussetzungen für die handelsübliche Bezeichnung einer Ware ergibt sich somit für den Beschwerdefall folgendes: Selbst wenn die auf den Rechnungen ausgewiesene Bezeichnung der jeweils gelieferten Ware eine handelsübliche Bezeichnung für - wie sich aus diesen Rechnungen ergibt - hochwertige Parfumöle wäre, könnte der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie bei der tatsächlichen Lieferung von weitgehend wertlosen Produkten (bei denen es sich aufgrund ihrer Minderwertigkeit geradezu offensichtlich um anders geartete Produkte als in den Rechnungen ausgewiesen handelt) von der Lieferung eines "aliud" und somit von einer fehlenden Übereinstimmung zwischen Rechnung und gelieferter Ware ausgegangen ist (vgl. nochmals das Erkenntnis 96/15/0220).
Es kommt somit im Beschwerdefall entscheidend auf den (inhaltsbestimmenden) Wert der Lieferungen an. Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass es sich aufgrund der Minderwertigkeit bei den gelieferten Ölen um ein "aliud" gegenüber den Angaben in den Fakturen gehandelt habe. Die Beschwerde bekämpft diese Feststellungen nicht. Sie spricht vielmehr von der "Tatsache, dass das vereinbarte und fakturierte Entgelt nicht mit dem objektiven Warenwert übereinstimmt". Im Mittelpunkt des Beschwerdevorbingens steht die Rechtsansicht, dass es auf den Vorsteuerabzug keinen Einfluss habe, ob die Ware "wertlos oder wertvoll" gewesen sei; diese Ansicht in allerdings - wie bereits ausgeführt - insoweit nicht zutreffend, als die gelieferte Ware im Vergleich zur in der Rechnung ausgewiesenen Ware ein "aliud" darstellt.
Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, sollte es tatsächlich nicht zu einer Lieferung gekommen sein, stehe ihm der Vorsteuerabzug nach § 12 Abs. 1 Z 1 zweiter Satz UStG 1994 zu; nach dieser Bestimmung bestehe der Anspruch auf den Vorsteuerabzug, wenn ein gesondert ausgewiesener Steuerbetrag auf eine vor Ausführung des Umsatzes erfolgte Zahlung entfalle.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die vom Beschwerdeführer angesprochene Gesetzesstelle ebenfalls die Voraussetzung einer Rechnung iSd § 11 UStG normiert. Zudem ist aus den im Verwaltungsakt in Kopie einliegenden Rechnungen der EL ersichtlich, dass jeweils der Vermerk "Die Ware bleibt bis zur vollständigen Bezahlung Eigentum der Firma L" angebracht oder festgehalten ist, dass die Übergabe der Ware bestätigt sei, woraus sich ergibt, dass die Lieferung der Ware, die sich allerdings nach den Feststellungen der belangten Behörde im Vergleich zu den Bezeichnung in den Rechnungen als ein "aliud" erwiesen hat, bereits vor der (allfälligen) Bezahlung erfolgt ist.
Solcherart liegt kein Fall der "Anzahlungsvorsteuer" vor.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war
daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm
der Verordnung BGBl. II 501/2001.
Wien, am