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VwGH vom 27.04.2000, 96/15/0181

VwGH vom 27.04.2000, 96/15/0181

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der DH und des LH in G, vertreten durch Dr. Peter Jesch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Reichenhallerstraße 10b, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat II) vom , Zl. 154-GA4BK-DBr/91, betreffend u.a. Umsatzsteuer für die Jahre 1980 bis 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich einer die Streitjahre umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, dass bisher nach den Abgabenerklärungen eine Trennung in zwei voneinander unabhängige Gewerbebetriebe der Ehegatten H. vorgenommen worden sei. Nach dem Gesamtbild sei ein einheitlicher Gewerbebetrieb, der in der Rechtsform einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht geführt wird, anzunehmen. Bei der Gesellschaft seien Einnahmen aus der Lieferung von Kosmetikartikeln nicht aufgezeichnet und erklärt worden. Im Prüfbericht (unter TZ 8) ist dazu zu lesen, die Kosmetika seien von deutschen Kundinnen mittels vorgedruckten Bestellkärtchen angefordert, im Inland in G. verpackt und versandfertig gemacht worden. In der Folge seien diese Päckchen größtenteils mit dem unternehmenseigenen KFZ nach Deutschland entweder zur Post nach BG oder BR (gelegentlich auch zur Post im Inland) gebracht worden. Gemäß § 3 Abs. 7 UStG 1972 werde eine Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befinde. Abs. 8 dieser Gesetzesstelle besage, dass die Lieferung mit Beginn der Beförderung oder mit Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Verfrachter, Frachtführer als ausgeführt gelte. Im gegenständlichen Fall werde die Lieferung im Zeitpunkt des Beginnes der Beförderung mit dem unternehmenseigenen KFZ ausgeführt und sei daher in Österreich steuerbar und steuerpflichtig. Eine Steuerfreiheit könne trotz ausländischer Abnehmer mangels Ausfuhr- und Buchnachweises nicht begehrt werden.

Das Finanzamt schloss sich der Ansicht des Prüfers an und erließ für die Streitjahre u.a. entsprechende Umsatzsteuerbescheide.

Die Gesellschaft erhob Berufung. Darin führte sie - soweit für die Behandlung der Beschwerde von Bedeutung - aus, § 3 Abs. 7 UStG 1972 regle, dass eine Lieferung dort ausgeführt werde, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befinde. Dies wäre im Normalfall der Abgabeort durch die deutsche Bundespost beim Kunden in Deutschland. Im Falle der Versendung werde die Übergabe des Gegenstandes an den Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter als Verschaffung der Verfügungsmacht angesehen. Wenn ein kleines Kosmetikpäckchen im Wert von S 200,-- bis S 400,-- beim Postamt in BR vom Lieferanten übergeben werde, so sei kraft gesetzlicher Vorschrift nach § 3 Abs. 8 UStG die Verfügungsmacht in BR und nicht in G verschafft worden.

Außerdem habe die Bundesrepublik Deutschland für sämtliche Einfuhren zwischenzeitig die 14 %ige Einfuhrumsatzsteuer erhoben. Da die Umsätze in Deutschland als steuerpflichtig behandelt worden seien, würde eine klassische Doppelbesteuerung der Umsatzsteuer vorliegen, wenn sowohl die Republik Österreich wie auch die Bundesrepublik Deutschland die Umsätze besteuern würde.

Das Finanzamt wies die Berufung mit der Berufungsvorentscheidung unter Hinweis auf die Ausführungen im Prüfungsbericht ab.

Die Gesellschaft begehrte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Kosmetiklieferungen wurde darin Folgendes ausgeführt: Mit Einführung des § 3 Abs. 8 durch das UStG 1972 sei die Fiktion für Eigenlieferungen geschaffen worden, wonach mit der Absendung - mit der Lieferung vom Lieferanten weg - der Erfüllungszeitpunkt und der Erfüllungsort ident seien. Das bedeute, auch wenn man mit den eigenen Fahrzeugen ins Ausland exportiere, gelte als Erfüllungsort und Erfüllungszeitpunkt der Zeitpunkt, wo die Ware den Lieferanten verlasse. Aus der Literatur dazu sei ableitbar, dass die Fiktion (der Lieferort und Lieferzeitpunkt seien das Verlassen der Ware beim Lieferanten) nur dann gelte, wenn zu diesem Zeitpunkt, in welchem die Ware den Lieferanten verlassen habe - im vorliegenden Fall den Kosmetiksalon in G. -, alles für die Weiterbeförderung veranlasst worden sei. Es müsse somit die gesamte geplante Beförderung vorgelegen haben. Im gegenständlichen Fall liege keine klassische Versendungslieferung vor. Man habe, um die Kosmetiklieferungen steuerfrei zu halten, diese Waren nach Deutschland geschmuggelt und in der Bundesrepublik Deutschland seien sie eventuell in BG oder in BR zur Post zur Weiterbeförderung übergeben worden. Die Ware sei von der beschwerdeführenden Gesellschaft ins Ausland befördert worden. Die Gesellschaft sei daher stets über die Ware dispositionsberechtigt gewesen und erst mit der Übergabe an ein deutsches Postamt ihrer Wahl sei die Versendung erfolgt. Die Waren seien quasi zur eigenen Verfügung in das Ausland gebracht worden und erst danach - als sich die Waren im Ausland befunden hätten - sei bei den einzelnen Postämtern der Auftrag zur Versendung an die diversen Kunden erfolgt. Die Erhebung einer Umsatzsteuer in Österreich sei unrichtig, weil die Lieferungen an die Abnehmer als im Ausland ausgeführt gelten und folglich in Österreich nicht steuerbar sein könnten.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung in dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren allein strittigen Punkt als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die belangte Behörde zu diesem Streitthema zunächst ergänzend zum unstrittigen Sachverhalt aus, auf den Bestellkarten sei bezüglich der Lieferung zu lesen gewesen:

"Sendungen unter 100 DM/700 öS; + 4 DM/20 öS Porto und Verpackung; über 100 DM/700 öS porto- und verpackungsfrei". Weitere Hinweise über eine Stellungspflicht der Waren beim Grenzübertritt oder Verzollungsmaßnahmen seien auf der Bestellkarte nicht getroffen worden. Auslieferungs- und Bestelladresse sei der Unternehmenssitz in G. in Österreich gewesen. In wirtschaftlicher Betrachtungsweise liege ein einheitlicher Liefervorgang an die Abnehmer der Kosmetikartikel vor. Um die Päckchen bei einem deutschen Postamt aufgeben und eine Lieferung durchführen zu können, habe die Gesellschaft die Waren ins Ausland verbringen müssen. Dies sei mittels Beförderung der Kosmetika mit dem unternehmenseigenen PKW entweder durch die Gesellschafter selbst oder durch einen Erfüllungsgehilfen geschehen. Dies bedeute, dass nach dem Zollgesetz grundsätzlich eine Stellungspflicht für die Waren bestanden habe. Wäre dieser Stellungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen worden, würde hinsichtlich der Steuerbarkeit der Lieferungen in Österreich kein Zweifel bestehen, da eindeutig der Liefervorgang in Österreich begonnen habe. Die Fälle des Schmuggels könnten aber keine Besserstellung erfahren.

Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 8 UStG 1972 werde zwar nur der Lieferungszeitpunkt bei Beförderungs- und Versendungslieferungen auf den Beginn der Beförderung bzw. auf die Übergabe des Liefergegenstandes an den mit der Beförderung Beauftragten vorverlagert. Diese Bestimmung verknüpfe diese zeitliche Festlegung jedoch mit der Fiktion der Lieferausführung und damit mit den entsprechenden Regelungen im Abs. 7 über die Bestimmung des Lieferortes und mittelbar über den Lieferungsbegriff. Es werden somit kraft gesetzlicher Fiktion - unter der Prämisse, dass eine Lieferung zustandekomme - der Lieferzeitpunkt und Lieferungsort gegenüber der Grundregel des Abs. 7 verlagert. Die Rechtswirkungen des § 3 Abs. 8 i.V.m. Abs. 7 UStG 1972, also die Vorverlegung von Lieferungszeitpunkt und Lieferungsort, trete nur dann ein, wenn bei Beginn der Beförderung der Abnehmer des Liefergegenstandes feststehe. Im vorliegenden Fall seien sämtliche Abnehmer zum Zeitpunkt der Ausführung der Beförderungslieferung festgestanden, weil ja nur Beförderungen von Kosmetikpäckchen entsprechend den Bestellungen der Kundinnen erfolgt seien. Dass die Lieferung ausgeführt worden sei, ergebe sich aus dem Umstand der Zahlungseingänge. Dem Argument der Gesellschaft, eine Lieferung sei zunächst zur eigenen Verfügung erfolgt, könne nicht gefolgt werden, weil in der Bundesrepublik Deutschland die Gesellschaft weder eine Betriebsstätte, ein Lager, oder ein Konsignationslager bei einem Spediteur gehabt habe. Es seien auch keine Veränderungen der Waren oder Umpackungen durchgeführt worden. Auch der Einwand, die Gesellschaft sei über die Waren bis zur Aufgabe der jeweiligen Päckchen bei einem deutschen Postamt dispositionsberechtigt gewesen, könne nicht überzeugen. Diese behauptete Dispositionsbefugnis habe sich ausschließlich auf die Wahl des deutschen Postamtes bezogen. Die Kosmetika seien zum Zeitpunkt der Aufnahme der Beförderung versandfertig abgepackt, d.h. die Päckchen seien speziell auf die Bedürfnisse und Wünsche entsprechend den Bestellkarten der Abnehmerinnen zusammengestellt und mit Adressen versehen gewesen. Die Disposition, wer welche Kosmetikartikel bekommen sollte, sei festgelegt gewesen. Mit der Aufnahme der Beförderung der Waren in Österreich sei ein einheitlicher wirtschaftlicher Lieferungsvorgang vorgelegen, welcher nach § 3 Abs. 8 UStG 1972 kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in Österreich steuerbar und mangels Erfüllung der gesetzlichen Erfordernisse des § 7 UStG 1972 (Ausfuhrlieferungen) auch steuerpflichtig gewesen sei.

In der, der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machenden, Beschwerde wird die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird die bereits im Verwaltungsverfahren - oben dargestellte - Rechtsauffassung aufrechterhalten. § 3 Abs. 8 UStG 1972 sei demnach - zusammengefasst - nicht anwendbar, weil die Waren zunächst in die Bundesrepublik Deutschland geschmuggelt werden mussten und erst danach je nach Opportunität die Wahl des Postamtes in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei. Eine Auswahl der Postämter hätte zu Beginn der Lieferung in Österreich gar nicht getroffen werden können, weil zuerst der Schmuggel erfolgreich abgeschlossen hätte werden müssen.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Nach § 1 Abs. 1 Z. 1 UStG 1972 unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Lieferungen sind gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, in eigenem Namen über den Gegenstand zu verfügen. Die Verfügungsmacht über den Gegenstand kann von dem Unternehmer selbst oder in dessen Auftrag durch einen Dritten verschafft werden. Eine Lieferung wird gemäß Abs. 7 leg. cit dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Gemäß Abs. 8 leg. cit. gilt, wenn der Gegenstand einer Lieferung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten befördert oder versendet wird, die Lieferung mit dem Beginn der Beförderung oder mit der Übergabe des Gegenstandes an einen Spediteur, Frachtführer oder Verfrachter als ausgeführt.

Soweit in der Beschwerde ganz allgemein ausgeführt wird, dass ein Unternehmer, der einen Gegenstand, über den er mit einem ausländischen Abnehmer ein Umsatzgeschäft abgeschlossen habe, zunächst zur eigenen Verfügung in das Ausland verbringe und erst dann den Auftrag erteile, den Gegenstand an den ausländischen Abnehmer auszufolgen oder an diesen zu versenden, mit der Ausfuhr des Gegenstandes in das Ausland keine Ausfuhrlieferung bewirke, ist darauf hinzuweisen, dass nach den unstrittigen Feststellungen ein derartiger Vorgang im Beschwerdefall nicht erfolgte. Nach den auch in der Beschwerde als unstrittig angesehenen Sachverhalt ist davon auszugehen, dass die Gesellschaft die versandfertigen Päckchen zwecks Lieferung an die Abnehmer ins Ausland befördert hat und von dort aus sich zur Weiterbeförderung der deutschen Bundespost bedient hat. Der belangten Behörde ist zuzustimmen, dass § 3 Abs. 8 UStG 1972 auch auf diesen Fall, in dem der Liefergegenstand durch mehrere Personen nacheinander befördert wird, anwendbar ist. Maßgebend ist in diesem Fall der Beginn der Beförderung durch die beschwerdeführende Gesellschaft selbst. Ausgehend vom unstrittigen Sachverhalt kann kein Zweifel bestehen, dass in diesem Zeitpunkt der Liefergegenstand, nämlich die versandbereiten Päckchen, sowie der Abnehmer, nämlich die bestellenden Kunden, bestimmt waren und auch die Art der Beförderung, nämlich Eigenbeförderung bis zum Postamt und sodann Versendung mit der Post, feststand. Soweit die Beschwerdeführer Letzteres mit dem Hinweis bestreiten, es sei nicht sicher gewesen, ob der Schmuggel der Kosmetikpäckchen in die Bundesrepublik Deutschland gelingen werde, übersehen sie, dass es auf Unwägbarkeiten eines von vornherein vorgesehenen Beförderungsweges nicht ankommt und zudem ohnedies nur die Fälle vom Bescheid erfasst wurden, in denen der Schmuggel tatsächlich erfolgreich abgeschlossen wurde. Schließlich ist auch unstrittig, dass die versandfertigen Päckchen von der Gesellschaft nach Deutschland zum Zwecke der Weiterbeförderung durch die deutsche Bundespost in Erfüllung der Bestellungen befördert wurde. Die Versendungsart ist somit entgegen der Meinung der Gesellschaft im Zeitpunkt des Beginnes der Beförderung bestimmt gewesen. Der Umstand, dass möglicherweise nicht feststand, bei welchen bestimmten, von mehreren zur Verfügung stehenden Postämtern der Versand in Auftrag gegeben wird, ist, worauf die belangte Behörde schon zutreffend hingewiesen hat, irrelevant.

Aus diesen Erwägungen folgt, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid weder mit einer in der Beschwerde geltend gemachten noch mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aus Eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit belastet hat.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Beschwerdesache nicht erwarten lässt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am