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VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0124

VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0124

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

99/01/0125

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde 1. des BK, geboren am , 2. der FK, geboren am , und 3. des GK, geboren am , alle in K, die drittbeschwerdeführende Partei vertreten durch die zweitbeschwerdeführende Partei, diese und die erstbeschwerdeführende Partei vertreten durch Dr. Hermann Löckher, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Hauptplatz 9, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates je vom , Zl. 205.634/0-XI/33/98 (ad 1), und Zl. 205.618/0-XI/33/98 (ad 2 und 3), betreffend Asylgewährung (ad 1) und Erstreckung von Asyl (ad 2 und 3), (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Erstbeschwerdeführers gemäß § 7

Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, ab und sprach aus, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 AsylG nicht zulässig sei; mit Bescheid vom selben Tag wurden die Asylerstreckungsanträge der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 2 AsylG abgewiesen. Die Zustellung dieser Bescheide - jeweils mittels RSa-Sendung - ordnete das Bundesasylamt an der Anschrift "Betreuungsstelle des BMfI, Neuaigen 24, 4362 Bad Kreuzen" an.

Mit Bescheiden je vom wies der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) die Berufungen der Beschwerdeführer gegen die genannten Bescheide des Bundesasylamtes gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurück. Die erstinstanzlichen Bescheide seien durch Hinterlegung am Postamt 4362 Bad Kreuzen am "zugestellt" worden. In einer Stellungnahme sei von den Beschwerdeführern mitgeteilt worden, dass sie sich zum Zeitpunkt der Zustellung für eine Woche in Wien aufgehalten hätten und dass sie am an die Betreuungsstelle zurückgekehrt wären. In einer weiteren Stellungnahme sei angegeben worden, dass es ihnen von der Betreuungsstelle gestattet worden wäre, vom 8. bis zum abwesend zu sein. Sie wären am "dorthin" zurückgekehrt und hätten zwischen 16. und von der Hinterlegung Kenntnis erlangt; die Schriftstücke wären schließlich am behoben worden.

Laut telefonischer Auskunft seitens der Betreuungsstelle - so die belangte Behörde weiter - seien die Beschwerdeführer vom "08. bis ortsabwesend" gewesen; dies werde durch eine Kopie der entsprechenden Karteikarte bestätigt. Als der der Rückkehr folgende Tag im Sinn des § 17 Abs. 3 Zustellgesetz sei daher - entgegen den variierenden Aussagen der Beschwerdeführer - der ermittelt worden. Somit habe die Berufungsfrist am geendet, weshalb die am zur Post gegebenen Berufungen verspätet seien.

Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, sie aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens

vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht zunächst geltend, dass die Flüchtlingsbetreuungsstelle Bad Kreuzen - wo nach den im Akt erliegenden Rückscheinen vor Hinterlegung der erstinstanzlichen Bescheide am Postamt Bad Kreuzen jeweils zwei ergebnislose Zustellversuche stattgefunden hatten - keine Abgabestelle im Sinn des § 4 Zustellgesetz dargestellt habe; dabei handle es sich um eine öffentliche Einrichtung, die für Flüchtlinge gewisse organisatorische Aufgaben übernehme und die rein unterstützende und beratende Funktion innehabe; sie sei "eine Anlaufstelle für die Flüchtlinge in bestimmten Angelegenheiten", könne jedoch keinesfalls mit den in § 4 Zustellgesetz abschließend aufgezählten Abgabestellen gleichgesetzt werden.

Gemäß § 4 Zustellgesetz kommen als Abgabestelle u.a. die Wohnung oder eine sonstige Unterkunft des Empfängers in Betracht. Als Wohnung werden Räumlichkeiten verstanden, die im Zeitpunkt der Zustellung dem Empfänger tatsächlich als Unterkunft in der Art eines Heimes dienen; Räumlichkeiten also, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er gewöhnlich zu nächtigen oder sich sonst aufzuhalten pflegt; eine "sonstige Unterkunft" liegt vor, wenn sich der Empfänger in Räumlichkeiten aufhält, die nicht das sind, was nach den allgemeinen Lebensgewohnheiten als Wohnung zu betrachten ist, selbst wenn der Aufenthalt nicht ständig, sondern nur vorübergehend ist, also nicht, wie dies bei Wohnungen der Fall ist, auf Dauer angelegt ist. Stets muss es sich um Räumlichkeiten handeln, die als Wohnungsersatz in Betracht kommen können und die dem Unterkommen dienen, wie z.B. ein Wohnwagen, ein Seniorenheim oder ein Studentenheim (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1036 f.).

Im vorliegenden Fall kann entgegen den Beschwerdeausführungen nicht zweifelhaft sein, dass die Flüchtlingsbetreuungsstelle Bad Kreuzen für die Beschwerdeführer eine Wohnung oder eine "sonstige Unterkunft" im eben bezeichneten Sinn darstellte. Denn einerseits haben die Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass sie sich gewöhnlich in der Betreuungsstelle aufgehalten und dort genächtigt haben; so haben sie stets die Betreuungsstelle als ihre Adresse angeführt und etwa in ihren gleich lautenden Stellungnahmen vom von einer Rückkehr an die Betreuungsstelleneinrichtung - nach einem behaupteten einwöchigen Aufenthalt in Wien - bzw. von einer ordnungsgemäßen Abmeldung für die Dauer des Fernbleibens gesprochen. Davon, dass der Betreuungsstelle nur organisatorische Aufgaben zugekommen seien, ohne dass die Beschwerdeführer dort tatsächlich Aufenthalt genommen hätten, war hingegen nicht einmal ansatzweise die Rede; das in diese Richtung gehende Beschwerdevorbringen stellt mithin eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG) dar. Andererseits ergibt sich nach den obigen Ausführungen aber auch, dass eine allfällige Einrichtung der Betreuungsstelle als "Lager" oder als Heim einer rechtlichen Qualifikation derselben als Abgabestelle im Sinn des § 4 Zustellgesetz nicht im Wege steht.

Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführer gemäß den Feststellungen der belangten Behörde "vom 08. bis ortsabwesend" waren, vermag der Betreuungsstelle Bad Kreuzen nicht den Charakter einer Abgabestelle zu nehmen. Erkennbar ist die erwähnte Feststellung so zu verstehen, dass die Beschwerdeführer am abgereist und am zurückgekehrt seien; konsequenterweise wird als der der Rückkehr folgende Tag der angeführt. Damit waren die Beschwerdeführer sechs Tage von der Betreuungsstelle abwesend, was selbst vor dem Hintergrund des von den Beschwerdeführern ins Treffen geführten hg. Erkenntnisses vom , Zl. 84/10/0176, Slg. Nr. 11.575/A, - gemäß diesem, im Übrigen vereinzelt gebliebenen Erkenntnis (vgl. dazu näher Wiederin, Zustellung bei Abwesenheit des Empfängers, ZfV 1988, 224 ff.) hebt schon die Ortsabwesenheit in der Dauer einer Woche den Charakter einer Räumlichkeit als Wohnung im Sinn des § 4 Zustellgesetz auf - die rechtliche Qualität dieser Adresse als Abgabestelle unberührt lässt.

Gemäß § 17 Abs. 2 Zustellgesetz ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Wohnhaus-, Gartentüre) anzubringen. Wie sich aus den in den Verwaltungsakten erliegenden Rückscheinen ergibt, wurde die Verständigung über die Hinterlegung in den vorliegenden Fällen bei der "Lagerleitung" zurückgelassen. Diese Vorgangsweise begegnet keinen Bedenken (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 5, zu § 17 Zustellgesetz sub. E 15. und 16. wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Damit erweisen sich aber auch die Beschwerdeausführungen, wonach es an einer korrekten Verständigung der Beschwerdeführer von der Hinterlegung der erstinstanzlichen Bescheide gemangelt habe, als nicht zielführend.

Schließlich vermag aber auch die Verfahrensrüge der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen. Sie geht zunächst insoweit von falschen Voraussetzungen aus, als sie annimmt, die belangte Behörde habe den als Rückkehrtag festgestellt. Des Weiteren trifft es nicht zu, dass die Beschwerdeführer übereinstimmend den als Rückkehrtag angeführt haben; in ihren Stellungnahmen vom war vielmehr, die ursprüngliche Angabe des Rückkehrdatums mit korrigierend, von einer Rückkehr per die Rede. Davon abgesehen ist nicht zu sehen, welche ergänzenden Ermittlungsschritte - wie die Beschwerde meint - die belangte Behörde zur Klärung der tatsächlichen Rückkehr der Beschwerdeführer konkret hätte setzen müssen; der bloße Hinweis auf "weitere Zeugen" und auf "vorzulegende Fahrkarten" reicht nicht aus, Ermittlungsdefizite erkennen zu lassen, zumal selbst nach der Beschwerde bloß "die Möglichkeit" besteht, dass die Beschwerdeführer tatsächlich erst am aus Wien zurückgekehrt seien.

Nach dem Gesagten haften den angefochtenen Bescheiden die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht an. Die vorliegende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am