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VwGH vom 30.05.2001, 98/21/0511

VwGH vom 30.05.2001, 98/21/0511

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des G in V, geboren am , vertreten durch Dr. Herwig Hasslacher, Rechtsanwalt in 9500 Villach, Hauptplatz 25, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom , Zl. Fr-1538-2/98, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Zur Zuständigkeit der Bundespolizeidirektion Villach als erstinstanzliche Behörde führte die belangte Behörde in der Bescheidbegründung aus, dass sich nach § 91 Abs. 1 FrG die örtliche Zuständigkeit - sofern nichts anderes bestimmt ist - nach dem Wohnsitz des Fremden im Inland, falls kein solcher besteht, nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens richtet. Als die Bundespolizeidirektion Villach am das Aufenthaltsverbotsverfahren begonnen habe, sei der Beschwerdeführer in V, B-Straße, gemeldet gewesen und habe dort zweifellos einen Wohnsitz begründet. In der Marktgemeinde A (die im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Villach liegt) sei der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben nie gemeldet gewesen. Eine allfällige Unterkunftnahme bei seinem Verwandten in A könne durchaus erfolgt sein, doch könne dieser Umstand die örtliche Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft Villach im Hinblick auf § 91 Abs. 1 FrG nicht begründen. Seine Ansicht, dass hinsichtlich der Zuständigkeit vom letzten Wohnsitz vor der Inhaftierung auszugehen gewesen wäre, könne nicht geteilt werden, weil gemäß dem Grundsatz der Amtswegigkeit im Sinn des § 39 Abs. 2 AVG die Behörde selbst bestimme, wann sie das Aufenthaltsverbotsverfahren einleite. Unter diesem Gesichtspunkt sei die versuchte Zustellung einer mit datierten Ladung zur fremdenpolizeilichen Überprüfung der erste Verfahrensschritt der Bundespolizeidirektion Villach gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich zwar seit in Untersuchungshaft befunden, sei aber noch immer mit Wohnsitz V, B-Straße, gemeldet gewesen. Die Bundespolizeidirektion Villach sei daher die für die Durchführung des Verfahrens zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes örtlich zuständige Fremdenbehörde gewesen.

Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes lägen vor, weil der Beschwerdeführer drei Mal wegen gerichtlich strafbarer Handlungen, die immer gegen dasselbe Rechtsgut, nämlich die körperliche Integrität von Menschen, gerichtet gewesen seien, rechtskräftig verurteilt worden sei. Davon stelle allein die zuletzt erfolgte Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zehn Monaten wegen versuchter Nötigung und versuchter Nötigung zum Beischlaf bereits eine solche dar, die die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gestatte. Zudem sei der Beschwerdeführer wegen zweimaligen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand rechtskräftig bestraft worden.

Der Beschwerdeführer halte sich seit 1989 in Österreich auf, sei unverheiratet und für niemanden sorgepflichtig, habe keinen festen Wohnsitz und stehe in keinem Beschäftigungsverhältnis. In Österreich lebten ein Cousin in A und eine Schwester in Oberösterreich; weitere Verwandte lebten in Deutschland. Mit dem Aufenthaltsverbot werde im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zweifellos in sein Privatleben eingegriffen; er habe jedoch in der Vergangenheit immer wieder einschlägig gegen strafrechtliche Bestimmungen verstoßen, weshalb das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei. Bei der Abwägung nach § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass sich der Beschwerdeführer seit etwa neun Jahren in Österreich aufhalte, allerdings häufig den Arbeitsplatz gewechselt habe. Mit seinen Verwandten lebe er nicht zusammen. Das Gewicht des verhältnismäßig langen Aufenthaltes werde durch die von ihm in den Jahren 1993 bis 1998 begangenen Straftaten relativiert. Eine allfällige Verfolgungssituation wegen des Kriegszustandes im Kosovo sei hier nicht zu untersuchen. Erhebungen hinsichtlich der behaupteten sozialen Integration bei der Familie seines Cousins in A seien nicht erforderlich, weil er dort nicht einmal gemeldet sei und die gelegentliche Unterkunftnahme bei Verwandten keine relevanten Rückschlüsse für eine Beurteilung nach § 37 Abs. 2 FrG erwarten lasse.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerde zeigt auf, dass die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet hat.

Gemäß § 91 Abs. 1 FrG richtet sich die örtliche Zuständigkeit, sofern nichts anderes bestimmt ist, nach dem Wohnsitz des Fremden im Inland, falls kein solcher besteht, nach seinem Aufenthalt zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens. Der Wohnsitz ist gemäß § 1 Abs. 6 MeldeG an einer Unterkunft begründet, an der sich jemand in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf Weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben. Die bloße Behauptung der Absicht, einen Wohnsitz zu nehmen, reicht aber zur Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes nicht aus; zur Wohnsitzbegründung ist erforderlich, dass die Wohnung tatsächlich zum Wohnen bezogen worden ist. Der Begriff des Wohnsitzes schließt somit ein zweifaches in sich, nämlich ein tatsächliches Moment - die Niederlassung in einem Ort - und ein psychisches, und zwar die Absicht, in dem Ort der Niederlassung bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Der polizeilichen Anmeldung ist kein entscheidendes Gewicht beizumessen. (Vgl. zum Ganzen die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, unter E. 1, 9 und 12a zu § 3 AVG zitierte Rechtsprechung.)

Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Beschwerdeführer am bei seiner Vernehmung vorgebracht, dass er zwar in V, B-Straße, gemeldet sei, dort aber seit nicht mehr Unterkunft genommen habe. Er habe seine "persönlichen Effekten" zu seinem Cousin nach A gebracht, wo er die Absicht habe, auch in Zukunft Unterkunft zu nehmen. Gemeldet sei er in A derzeit noch nicht. Die Nacht vom 18. auf den habe er bereits in A Unterkunft genommen. Nach dem Akteninhalt wurde der Beschwerdeführer am in Untersuchungshaft genommen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides verwies die belangte Behörde zur Zuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer nie in A, sondern zum Zeitpunkt der Zustellung einer Ladung zur fremdenpolizeilichen Überprüfung noch immer in V, B-Straße, gemeldet gewesen sei. Damit verkannte sie die oben dargelegte Rechtslage in zweifacher Hinsicht. Zum einen enthebt das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer polizeilichen Meldung die Behörde nicht von der Prüfung, ob eine Wohnsitznahme stattgefunden hat, zum anderen kommt einem Wohnsitz zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens keine Bedeutung zu, weil auf den - allenfalls im Lauf des erstinstanzlichen Verfahrens geänderten - Wohnsitz im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde erster Instanz Bedacht zu nehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/18/0120). Diesem Rechtsirrtum folgend unterließ die belangte Behörde Ermittlungen und Feststellungen zum behaupteten Wohnsitz des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides. Im Fall der Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde wäre die Berufungsbehörde verpflichtet gewesen, diese Unzuständigkeit aufzugreifen und den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos aufzuheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/21/0764).

Der angefochtene Bescheid war somit schon deswegen, ohne auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht - im Umfang des Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am