VwGH vom 18.03.1997, 96/14/0006
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GA 8 - 1921/95, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Beschwerdeführer für den Sohn David bezogene Familienbeihilfe hinsichtlich des Zeitraumes November 1990 bis März 1993 sowie den Kinderabsetzbetrag hinsichtlich des Zeitraumes Jänner bis März 1993 zurück. Das Kind habe im betreffenden Zeitraum dem Haushalt des Beschwerdeführers nicht angehört.
Der Beschwerdeführer berief gegen diesen Bescheid und brachte im wesentlichen vor, die Behörde habe einen unrichtigen Sachverhalt zugrundegelegt. Er sei noch immer mit der Kindesmutter verheiratet, wenngleich die eheliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer Geschlechtsgemeinschaft bereits aufgehoben und ein Scheidungsverfahren anhängig sei. Es könne keine Rede davon sein, daß er sich nicht mehr in der ehelichen Wohnung befinde, in welcher auch sein Sohn wohne. Er besitze zwar im selben Haus eine Zweitwohnung; diese diene jedoch nur als Refugium und Notquartier für die Fälle der Unstimmigkeiten und Streitigkeiten mit seiner Gattin.
Das Finanzamt ließ sich in der Folge mehrere Akten des Bezirksgerichtes zur Einsichtnahme übermitteln. Im Akt des Finanzamtes befinden sich Ablichtungen der Protokolle über die mündlichen Verhandlungen aus dem Akt 2 C 147/93t des Bezirksgerichtes (Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau) sowie der in der Pflegschaftssache des minderjährigen David ergangene Beschluß des Bezirksgerichtes vom , 2 P 166/93, mit welchem ausgesprochen worden ist, die Obsorge über das Kind stehe nunmehr ausschließlich der Kindermutter zu, die Obsorgerechte des Beschwerdeführers seien erloschen. In der Begründung des Beschlusses wird ua ausgeführt, das Kind wohne bei der Kindesmutter an der Adresse W, FH 14/5/10. Seit Februar 1993 habe der Beschwerdeführer nicht mehr in dieser Wohnung übernachtet und wohne nun überwiegend in einer Wohnung im ersten Bezirk, was sich aus dessen Aussage im Scheidungsverfahren ergebe. Da sohin die häusliche Lebensgemeinschaft aufgehoben sei und ein entsprechender Antrag vorliege, seien die Voraussetzungen des § 177 Abs. 2 ABGB erfüllt.
BD, die Hausbesorgerin für die Stiegen 5, 6 und 7 des Hauses FH 14, hatte dem Finanzamt im Oktober 1993 mit einem Schreiben mitgeteilt, sie könne bestätigen, daß der Beschwerdeführer seit Herbst 1990 eine Wohnung auf der Stiege 7 bewohne. Er gehe dort ständig ein und aus, und zwar auch spät abends und früh morgens. Nach ihren Beobachtungen bewohne die Ehefrau des Beschwerdeführers allein mit ihrem Sohn David die Wohnung auf der Stiege 5. Deren Mutter hatte dem Finanzamt ebenfalls im Oktober 1993 mit einem Schreiben mitgeteilt, der Beschwerdeführer sei beim Umzug seiner Ehefrau und seines Kindes im Oktober 1990 nicht bereit gewesen, in die neue Wohnung zu übersiedeln. Das Finanzamt forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom auf, zu diesen Schreiben Stellung zu nehmen. In seiner Stellungnahme führte er aus, er habe im Dezember 1991 begonnen, in der Wohnung auf der Stiege 7 zu nächtigen. Die Anzahl der Nächtigungen sei wegen des zunehmenden Zerwürfnisses mit seiner Ehefrau ständig angestiegen. Trotz dieser Nächtigungen habe er nach wie vor in der Wohnung auf der Stiege 5 einen gemeinsamen Haushalt mit seinem Sohn und seiner Ehefrau geführt. Er habe in der gemeinsamen Ehewohnung gegessen, mit dem Sohn gespielt und Haushaltsarbeiten ausgeführt. Die bloße Aufgabe der Geschlechtsgemeinschaft zu seiner Ehefrau stehe dem nicht entgegen. Es habe überdies auch ein gemeinsames Bankkonto gegeben.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung ab. Nach den Angaben seiner Ehefrau habe der Beschwerdeführer die Wohnung FH 14 Stiege 5 nur sporadisch benutzt. Er habe im selben Haus in einer Wohnung auf Siege 7 gewohnt und seine Ehefrau und sein Kind nur zwei- bis dreimal im Monat besucht. Er habe sich auch nicht an den Haushaltsarbeiten beteiligt und das Kind nur selten versorgt. Lediglich für 14 Tage im November 1991 habe er in der Wohnung der Ehefrau gewohnt. Der Beschwerdeführer habe dazu (in der Einvernahme vom ) ausgesagt, daß er in der Wohnung FH 14 Stiege 5 fünfmal oder sechsmal pro Monat genächtigt habe und ein ehelicher Haushalt bestanden habe. Im Dezember 1991 habe er begonnen, in der Wohnung auf der Stiege 7 zu nächtigen, sei aber nach der Arbeit stets in die eheliche Wohnung gekommen, um sich dem Sohn zu widmen und Haushaltsarbeiten zu verrichten. Der eheliche Haushalt sei bis März 1993 aufrecht gewesen. Unter Berücksichtigung schriftlicher Äußerungen (der BD und der Schwiegermutter des Beschwerdeführers) vom Oktober 1993 gehe das Finanzamt davon aus, daß der Beschwerdeführer seit Oktober 1990 nicht zumindest überwiegend mit seinem Sohn wohne.
Der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz enthält keine weiteren Ausführungen.
Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid ab. Aus den Akten des Bezirksgerichtes, auf welche der Beschwerdeführer in der Berufung verwiesen habe, könne für die Sachverhaltsfeststellung nichts gewonnen werden, weil diese nur seine und seiner Ehefrau subjektiven Aussagen enthielten. Die Behörde müsse nach ihren Erhebungen in eigener Anschauung den Sachverhalt feststellen. Der belangten Behörde erschienen die Aussagen der Ehefrau des Beschwerdeführers plausibel, zumal sie mit der Stellungnahme ihrer Mutter und jener der Hausbesorgerin BD übereinstimme. Auch habe der Beschwerdeführer im Vorlageantrag keine Argumente gegen die bereits in diese Richtung gehenden Feststellungen der Berufungsvorentscheidung vorgebracht. Die belangte Behörde gehe daher davon aus, daß der Beschwerdeführer nicht mit seiner Familie in die neue Wohnung übersiedelt sei. Es hätten zwar noch einzelne Übernachtungen stattgefunden; daraus könne aber nicht abgeleitet werden, daß eine laufende gemeinsame Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft bestanden habe. Darin ändere auch ein gemeinsames Bankkonto und eine noch aufrechte Ehe nichts.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantrage in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein in Abs. 1 genanntes Kind eine Person, zu deren Haushalt das Kind gehört.
Gem. § 2 Abs. 5 FLAG gehört ein Kind dann zu einem Haushalt, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Ein Kind gilt bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.
Für die Beurteilung der Haushaltszugehörigkeit iSd § 2 Abs. 5 FLAG ist ausschließlich die Tatsache der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft von Bedeutung.
Gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a EStG 1988 idF BGBl. 312/1992, steht ab 1993 einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag zu.
Die Beweiswürdigung der belangten Behörde ist insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h. ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 88/16/0241).
Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde Sachverhaltsfeststellungen betreffend die Wohn- und Wirtschaftssituation getroffen. Die dabei vorgenommene Beweiswürdigung hält der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand. Die bei der Beweiswürdigung angestellten Überlegungen erweisen sich als schlüssig. Gegen diese Schlüssigkeit spricht es nicht, wenn der Beschwerdeführer vorbringt, die Hausbesorgerin verbringe ihren Tag offenbar damit, ihn beim "Ein- und Ausgehen zu beobachten". Der Sachverhalt ist auch ausreichend erhoben.
Der Beschwerdeführer verweist in diesem Zusammenhang darauf, aus dem Scheidungsakt des Bezirksgerichtes 2 C 147/93t, insbesondere aus der Seite 1 des Tonbandprotokolles vom , ergebe sich der Februar 1993 als Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft. Dieser Zeitpunkt ergebe sich auch aus dem in der Pflegschaftssache 2 P 166/93 ergangenen Beschluß vom eines objektiven Richters.
Die belangte Behörde hat in die vom Beschwerdeführer angeführten Gerichtsakten Einsicht genommen und im angefochtenen Bescheid ausgeführt, diese Akten enthielten nur die subjektiven Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau. In der Beschwerde wird dem nicht entgegengetreten und nicht konkret angeführt, welche Umstände sich aus dem Tonbandprotokoll vom ergeben sollten. Der genannte Beschluß des Bezirksgerichtes geht zwar in der Begründung in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, daß der Beschwerdeführer seit Februar 1993 nicht mehr in der ehelichen Wohnung nächtige und seither vorwiegend in einer anderswo gelegenen Wohnung wohne. Dieser - auf die Aussage des Beschwerdeführers gestützten - Beweiswürdigung des Pflegschaftsrichters kommt aber schon deshalb für das gegenständliche Verfahren keine Bedeutung zu, weil es im Pflegschaftsverfahren zwar auf die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft, nicht aber darauf ankam, ob diese bereits vor dem Februar 1993 stattgefunden hat.
Ausgehend von dem festgestellten Sachverhalt hat aber die belangte Behörde ohne Rechtsirrtum angenommen, das Kind des Beschwerdeführers teile nicht in einheitlicher Wirtschaftsführung mit ihm eine Wohnung. Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde hat die belangte Behörde der Auflösung der ehelichen Geschlechtsgemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeutung beigemessen.
Ein gemeinsames Bankkonto ist entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht mit einer gemeinsamen Wirtschaftsführung gleichzusetzen, zumal die Pflicht des Beschwerdeführers zur Unterhaltsleistung nicht in Zweifel steht.
Der Beschwerdeführer wurde sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht in subjektiven Rechten verletzt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Von der Durchführung einer Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.