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VwGH vom 20.06.1990, 90/16/0055

VwGH vom 20.06.1990, 90/16/0055

Betreff

A-GesmbH gegen Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. GA 14-2/A-178/1/2/89, betreffend Tarifierung von Schmuckskulpturen

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der beantragten Höhe von S 10.470,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte das Hauptzollamt Wien am , am , am , am sowie am 12. Feber 1988 jeweils auf Antrag der K-GesmbH Nfg. KG als Anmelder für die Beschwerdeführerin als Vormerknehmer jeweils als "Schmuckskulpturen" bezeichnete Waren gemäß dem § 67 Abs. 1 lit. d ZollG im Eingangsvormerkverkehr zu Ausstellungen abgefertigt. In den vier, die Jahre 1986 und 1987 betreffenden zollamtlichen Bestätigungen (Vormerkscheinen) waren die streitverfangenen Waren antragsgemäß in die Nummer 99.03 ("Originalwerke der Plastik, aus Stoffen aller Art") des Zolltarifes - der gemäß § 1 Abs. 2 des mit außer Kraft getretenen Zolltarifgesetzes 1958, BGBl. Nr. 74, einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes gebildet hatte - eingeordnet worden. In den vier Eingangsvormerkscheinen vom 12. Feber 1988 war die Einreihung in die Nummer 9703 ("Originalwerke der Bildhauerkunst, aus Stoffen aller Art") des Zolltarifes - der gemäß § 1 Abs. 2 des am in Kraft getretenen Zolltarifgesetzes 1988, BGBl. Nr. 155/1987, einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildet - vorgenommen worden.

Unter Bezugnahme auf die schriftlichen Anträge der Anmelderin vom und vom schrieb das Hauptzollamt Wien der Beschwerdeführerin als Vormerknehmerin im Zuge der Abrechnung der acht Vormerkscheine (§ 80 Abs. 2 und 4 ZollG) mit drei Abrechnungsbescheiden je vom , Nrn. 60334, 60336 und 62900 sowie mit einem weiteren Abrechnungsbescheid vom , Nr. 60335, gemäß § 177 Abs. 3 lit. b iVm § 3 Abs. 2 ZollG die auf die im Zollgebiet verbliebenen Vormerkwaren entfallenden Eingangsabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer mit einem Steuersatz von 20 vom Hundert) zur Entrichtung vor. Hierbei wurden alle Waren als Schmuckstücke in das Kapitel 71 des zum maßgebenden Zeitpunkt (§ 6 Abs. 1 erster Halbsatz ZollG) jeweils in Geltung stehenden Zolltarifes (Zolltarifgesetzes) eingereiht. Lediglich die drei Objekte "Pritzwalker Silberfund", "Kunstgewerbemuseum" und "Berlin Spuren", 1987, wurden im Abrechnungsbescheid vom , Nr. 62900, antragsgemäß in die Nr. 9703 des Zolltarifes 1988 eingereiht.

In der gegen die vier Abrechnungsbescheide erhobenen Berufung verlangte das genannte Speditionsunternehmen im Auftrag der Beschwerdeführerin mit der Begründung, es handle sich bei den streitverfangenen Waren ausschließlich um "Kunstgegenstände", die Tarifierung nach der Nr. 9703 des Zolltarifes, welche die Zollfreiheit und gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 und Anlage A Z. 44 des Umsatzsteuergesetzes die Ermäßigung des Einfuhrumsatzsteuersatzes auf 10 vom Hundert bewirkt. Sie verwies dazu auf eine bereits vorgelegte Bestätigung von Dr. ES, Leiterin der Metallabteilung am Museum für angewandte Kunst in Wien, vom , derzufolge es sich bei den streitverfangenen Gegenständen um Unikatschmuck und Schmuckskulpturen handle, die von Künstlern mit einer einschlägigen akademischen Ausbildung entworfen und ausgeführt worden seien. Die geistige und handwerkliche Arbeit einiger Schmuckkünstler sei vom Kunstgewerbemuseum in Berlin gewürdigt worden.

Im Zuge des Rechtsmittelverfahrens beantwortete die Beschwerdeführerin über Einladung der belangten Behörde vom die Frage, ob es sich bei den streitverfangenen Waren um "Originalwerke der Bildhauerkunst" handle, mit Schriftsatz vom dahingehend, daß daran deshalb kein Zweifel bestünde, weil auch die belangte Behörde davon ausgehe, daß es sich um jeweils nur in Einzelstücken vorliegende Schmuckkunstwerke von akademisch ausgebildeten Künstlern handle. Der künstlerische Wert dieser Gegenstände werde im in- und ausländischen Kunstbetrieb nicht im geringsten angezweifelt, sondern - insbesondere durch Ausstellungen in renommierten Museen - ausdrücklich gewürdigt. Gestehe man nun richtigerweise diesen Gegenständen ihren Charakter als Kunstwerke zu, so sei nicht einsichtig, zu welcher Kunstgattung als eben derjenigen der Bildhauerkunst sie gehören sollten. Zum Nachweis der Richtigkeit ihres Rechtsstandpunktes legte die Beschwerdeführerin eine ergänzende Stellungnahme Dris. ES vom , sowie ein Schreiben von Prof. Mag. art. PU und Prof. RH, beide Fachhochschule Köln, Fachbereich Freie Kunst, vom , weiters eine Stellungnahme von Prof. Dr. BM, Direktorin des Kunstgewerbemuseums Berlin, vom sowie eine handschriftliche Stellungnahme von Prof. HJ, Akademie der bildenden Künste, München, vom vor.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen und unter einem ausgesprochen, daß die vom Abrechnungsbescheid des Hauptzollamtes Wien vom , Nr. 62900, erfaßten beiden Objekte "Pritzwalker Silberfund" und "Kunstgewerbemuseum" in die Unternummer 7117 19 des Zolltarifes 1988 einzureihen seien, woraus sich - zum Nachteil der Beschwerdeführerin - eine Differenz in Höhe von insgesamt 371 S an Eingangsabgaben ergebe. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens, soweit für die Beschwerde von Relevanz, ausgeführt, entscheidungswesentlich sei im Beschwerdefalle die Beantwortung der Frage, ob die streitverfangenen Waren iSd Anmerkung 3 zum Kapitel 97 des Zolltarifes den Charakter von Handelswaren, insbesondere den von handwerklichen Arbeiten, aufweisen. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Schreiben bezeichneten die streitverfangenen Waren übereinstimmend als von Künstlern hergestellte Produkte, somit als Kunstwerke bzw. als Werke der Goldschmiedekunst. Es werde auch teilweise die Meinung vertreten, daß diese Waren Originalwerke der Bildhauerkunst darstellen. Hiezu sei festzuhalten, daß Originalwerke der Bildhauerkunst üblicherweise von Künstlern geschaffen werden. Jedoch hieraus den Umkehrschluß zu ziehen, daß alle Werke, die von Künstlern geschaffen worden seien und somit Kunstwerke darstellen könnten, als Originalwerke der Bildhauerkunst zu gelten hätten, sei unzulässig. Als Beispiele sei auf künstlerisch und von Künstlern gestaltete Möbel, Teppiche, Gläser oder Keramikwaren verwiesen, die durchaus etwa im Museum für angewandte Kunst ausgestellt sein könnten, zolltarifarisch aber nach ihrer stofflichen Beschaffenheit in die Kapitel 94, 57, 70 und 69 einzureihen seien. Es sei somit nicht jedes Kunstwerk schon allein deshalb, weil es ein Kunstwerk sei, in das Kapitel 97 des Zolltarifes bzw. nach dem Zolltarifgesetz 1958, das ebenfalls auf einer Internationalen Nomenklatur beruhte, in das Kapitel 99) bzw. auch nicht jedes dreidimensionale Kunstwerk (durch Künstler hergestellte Unikate) als "Originalwerke der Bildhauerkunst" in die Nummer 9703 des Zolltarifes 1988 einzureihen. Hieraus ergebe sich, daß - obwohl die Beurteilung der streitverfangenen Waren als "Kunstwerke" nicht bestritten werde - es den Experten nicht gelungen sei, in Richtung auf die gesetzlich geforderte Unterscheidung zwischen "Originalwerken der Bildhauerkunst" einerseits und handwerklichen Arbeiten anderseits Erhebliches beizutragen. Die streitverfangenen Waren seien als "Schmuckstücke" iSd Anmerkung 8 zum Kapitel 71 anzusehen und einzureihen. Ihrer Einreihung als "Originalwerke der Bildhauerkunst" stehe die Anmerkung 3 zum Kapitel 97 des Zolltarifes entgegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf gesetzmäßig richtige Tarifierung verletzt. In Ausführung des so aufzufassenden Beschwerdepunktes trägt sie unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bzw. einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vor, die Begründung im angefochtenen Bescheid gehe insofern fehl, als die streitverfangenen Gegenstände primär als Gebrauchsgegenstände erachtet worden seien. Diese Fehleinschätzung beruhe wohl darauf, daß die belangte Behörde sich die Beurteilung der Gegenstände zugetraut habe, ohne sie aus eigener Anschauung zu kennen. Tatsächlich könne ein Teil der Kunstwerke überhaupt nicht als Schmuckstück am Körper getragen werden, jedenfalls handle es sich bei allen Gegenständen um solche, deren Schönheitswert ihren allfälligen Gebrauchswert absolut übersteige. Es handle sich primär um Ausstellungsstücke, die der Betrachtung dienen, nicht um Werke, bei denen ein bestimmter, notwendiger, Gebrauchsgegenstand in einer besonderen, künstlerisch wertvollen Form ausgeführt werde. Jedenfalls stehe fest, daß es sich bei den streitverfangegenen Waren nicht um "Handelswaren" handle, also nicht um Serienerzeugnisse, Abgüsse oder handwerkliche Erzeugnisse iSd Anmerkung 3 zum Kapitel 97 des Zolltarifes. Jedenfalls habe die belangte Behörde zu Unrecht und ohne ausreichende Begründung die streitverfangenen Waren nicht in die Nummer 9703 des Zolltarifes eingereiht.

Die Beschwerde ist begründet.

Berechtigung kommt der Beschwerde bezüglich der im Instanzenzuge bestätigten Abweisung der Berufung gegen die drei Abrechnungsbescheide des Hauptzollamtes Wien vom 18. und , Nrn. 60334 bis 60336, bereits aus nachfolgenden, von der Beschwerdeführerin nicht erkannten Gründen zu:

Gemäß § 6 Abs. 1 erster Halbsatz ZollG ist für die Anwendung der zolltarifarischen Bestimmungen, insbesondere für den Fall ihrer Änderung, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Abfertigung auf Vormerkschein einer dem Zollamt gestellten Ware unter Abgabe einer ordnungsgemäßen Anmeldung und unter Vorlage der für die beantragte Abfertigung erforderlichen Unterlagen beantragt wird.

Die belangte Behörde hatte bei Bestätigung dieser drei erstinstanzlichen Bescheide das Tarifrecht anzuwenden, das zum Zeitpunkt der Abfertigungen auf Vormerkschein galt. Das war für die in den Jahren 1986 und 1987 auf Vormerkscheinen abgefertigten Waren das mit außer Kraft getretene Zolltarifgesetz 1958, BGBl. Nr. 74. Mit der damals in Geltung gestandenen - und vom Wortlaut her abweichenden Rechtslage (Nummer 99.03: "Originalwerke der Plastik, aus Stoffen aller Art") hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht auseinandergesetzt und keine Feststellungen getroffen. Der angefochtene Bescheid mußte diesbezüglich schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG der Aufhebung verfallen.

Zu der im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreites von beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich behandelten Frage, ob die vom verbleibenden und im Instanzenzuge - zum Nachteil der Beschwerdeführerin - abgeänderten Abrechnungsbescheid vom , Nr. 62900, erfaßten Waren als "Originalwerke der Bildhauerkunst, aus Stoffen aller Art" der Nummer 9703 oder als "Phantasieschmuck" der Nummer 7117 des Zolltarifes 1988 zu tarifieren sind, ist folgendes auszuführen:

Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Unterkapitel stellen nur Hinweise für die Einreihung von Waren in den Zolltarif dar; maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Nummern und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln sowie die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des Zolltarifes (AV), wobei die letzteren zweitrangig sind und nur insoweit gelten, als sie dem Wortlaut der Nummern oder der Anmerkungen nicht widersprechen (AV 1).

Diese Anmerkungen sind Bestandteile des Zolltarifs und haben den Zweck, die Nummern gegeneinander abzugrenzen. Viele Waren könnten sowohl in eine "Stoffnummer" als auch in eine "Zwecknummer" eingereiht werden. In einem solchen Fall stellen die Anmerkungen oft klar, wie solche Tarifierungskonflikte zu lösen sind. Nur wenn derartige abgrenzende Anmerkungen fehlen, sind solche Tarifierungskonflikte mit Hilfe der subsidiär anzuwendenden Allgemeinen Vorschrift 3a zu regeln. Da dies im Streitfall nicht zutrifft, ist zur Lösung der strittigen Rechtsfrage in der durch die Allgemeine Vorschrift 1 festgelegten Reihenfolge vorzugehen, also der Wortlaut der Nummern und der dazugehörigen Anmerkungen zu beachten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. im Zusammenhang das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 87/16/0118) sind im Interesse der Rechtssicherheit und der Meßbarkeit des Verwaltungshandelns die Waren grundsätzlich nach ihrer objektiven Beschaffenheit in den Zolltarif, der als international verbindliches Warenverzeichnis für die Signatarstaaten des Internationalen Übereinkommens über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Kodierung der Waren, BGBl. Nr. 553/1987, die Grundlage für die Einreihung der weltweit gehandelten Waren bildet, eingeordnet. Es kommt also grundsätzlich auf an der Ware selbst feststellbare objektive Merkmale an. Auf den etwaigen "Kunstwert" einer Ware kann rechtens deshalb nicht abgestellt werden, weil die Anschauungen hierüber im wesentlichen subjektiven und sich wandelnden Kriterien unterliegen. Eine Wertung im künstlerischen Sinne ist deshalb unzulässig.

Nach der zwingenden Anordnung der Anmerkung 3 o zum Kapitel 71 des Zolltarifs sind "Originalwerke der Bildhauerkunst (Nr. 9703)" als Kunstgegenstände bestimmter Art von diesem Kapitel ausgenommen.

Für die (revisions-)rechtliche Beurteilung, ob die in Streit gezogene Tarifierung mit der Rechtslage in Einklang steht, ist von der Feststellung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid auszugehen, daß einer Einreihung der streitverfangenen Waren als "Originalwerke der Bildhauerkunst" die Anmerkung 3 zum Kapitel 97 des Zolltarifs entgegensteht.

Diese Anmerkung lautet:

"Ausgenommen von der Nummer 9703 sind Arbeiten, die den Charakter von Handelswaren haben (Serienerzeugnisse, Abgüsse oder handwerkliche Erzeugnisse); diese sind nach ihrer stofflichen Beschaffenheit einzureihen."

Mit dieser Feststellung hat die belangte Behörde zu erkennen gegeben, daß die vom Abrechnungsbescheid des Hauptzollamtes Wien vom , Nr. 62900, erfaßten Waren (arg.: "Ausgenommen von der Nummer 9703 sind Arbeiten, die ...") jene Anforderungen, die für eine Zuweisung zur Nummer 9703 des Zolltarifs erforderlich sind, nämlich Merkmal der Originalität und Werke der "Bildhauerkunst", erfüllen.

Der Zolltarif stellt somit wie auch sonst aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit - wie bereits oben dargelegt - nicht auf subjektive und sich im Laufe der Zeit wandelnde Kriterien, sondern auf objektive Merkmale ab. Diese unterscheiden sich bei den einzelnen Warenarten des Kapitels 97. Zum Unterschied von den vollständig mit der Hand geschaffenen Gemälden, Zeichnungen und Bilder der Nummer 9701 und den Originalstichen der Nummer 9702, die nach der Anmerkung 2 zum Kapitel 97 zu beurteilen sind und außer dem Merkmal der Originalität auch eine bestimmte Herstellungsweise aufweisen müssen, dürfen Originalwerke der Bildhauerkunst nach der oben wiedergegebenen Anmerkung 3 zum Kapitel 97 nicht den Charakter einer Handelsware iS von handwerklichen Erzeugnissen ("works of conventional craftsmanship of a commercial character" bzw. "moulages et oeuvres artisanales") haben. Demnach darf das Merkmal der Originaltät nicht dadurch verlorengehen, daß der Künstler praktisch an den vervielfältigten Stücken nicht mehr in nennenswertem Maße mitwirkt (Serienerzeugnisse, "mass-produced reproductions", "reproductions en series") oder die von ihm hergestellten Waren als handwerkliche Erzeugnisse Gegenstand des allgemeinen Handelsverkehrs, wozu auch der Spezialkunsthandel in Galerien zählt, werden.

Der erkennende Senat pflichtet der belangten Behörde bei, daß der Zolltarif in seinem Aufbau nicht daraufhin ausgerichtet ist, daß das Kapitel 97 generell als Auffangposition für Kunstwerke in Betracht kommt. Vielmehr weist er andere Gegenstände mit künstlerischem Wert, wie z.B. geknüpfte Teppiche, Tapisserien, handgewebt (wie z.B. Gobelins), Schmuckwaren, Gold- oder Silberschmiedearbeiten, Uhren und Möbel in anderen Zweckkapiteln aus.

Nur können nicht alle Schmuckwaren der Nummer 7113 (vgl. Anmerkung 8 zum Kapitel 71) und sämtliche Gold- oder Silberschmiedearbeiten der Nummer 7114 (vgl. Anmerkung 9 zum Kapitel 71) sowie der gesamte Phantasieschmuck der Nummer 7117 (vgl. Anmerkung 10 zum Kapitel 71) generell von der Einreihung in die Nummer 9703 ausgenommen sein, weil diesfalls die Anmerkung 3 o zum Kapitel 71, die der künstlerischen Produktion offensichtlich durch die Zollfreiheit eine Vorzugsbehandlung einräumt, überflüssig wäre. Ein selbstverständlicher Auslegungsgrundsatz aber ist es, daß Rechtsvorschriften nicht so ausgelegt werden dürfen, daß sie überflüssig und daher inhaltslos werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 789/63).

Fehlt den streitverfangenen Erzeugnissen infolge ihrer serienmäßigen Herstellung ohne Mitwirkung des Künstlers die originelle und individuelle Note, die gerade das vom Künstler selbst einmalig oder nur in sehr geringer Anzahl hergestellte Originalerzeugnis auszeichnet und dessen hohen Preis rechtfertigt, so handelt es sich um Handelswaren, die nach der Anmerkung3 zum Kapitel 97 des Zolltarifs nach ihrer stofflichen Beschaffenheit zu tarifieren sind.

Eine abschließende rechtliche Beurteilung ist dem erkennenden Senat deshalb nicht möglich, weil, wie die Beschwerdeführerin zu Recht rügte, jegliche Feststellungen über Art, Beschaffenheit, Bearbeitungszustand, Herstellungsweise, Preise und Originalität der Vormerkwaren sowie über die fachliche (akademische) Qualifikation der herstellenden Künstler im angefochtenen Bescheid fehlen.

Der belangten Behörde sind daher auch diesbezüglich Feststellungs- und Begründungsmängel unterlaufen, die im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG relevant sind, weshalb der angefochtene Bescheid aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze aufzuheben war.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand zu nehmen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verrodnung BGBl. Nr. 206/1989.