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VwGH vom 20.01.1999, 96/13/0209

VwGH vom 20.01.1999, 96/13/0209

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde der F-GmbH in N, vertreten durch Dr. Wilhelm Häusler, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Neunkirchner Straße 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat X) vom , Zl GA 6-96/5127/10, betreffend Umsatzsteuer 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdefall steht im Zusammenhang mit den unter dem Begriff "Mehrwertsteuerschwindel des Werner Rydl" durch zahlreiche Medienberichte und Publikationen in der Öffentlichkeit bekannten Vorgängen.

Die Beschwerdeführerin betreibt ein Handelsunternehmen mit dem Schwerpunkt Fenster, Türen und Wintergärten. Anläßlich einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin insbesondere Fenster und Türen mit Zubehör, aber auch Tresore zu mehrfach überhöhten Preisen gekauft und in der Folge an die Intertrade Ltd in Brasilien exportiert habe.

Das Finanzamt versagte den diesbezüglich geltend gemachten Vorsteuern aus zwei Rechnungen (vom 13. April und ) zunächst im Rahmen von Umsatzsteuerfestsetzungen und in der Folge bei der Veranlagung der Beschwerdeführerin zur Umsatzsteuer 1995 die Anerkennung.

Die gegen den Umsatzsteuerbescheid 1995 erhobene Berufung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Die erste Rechnung über Kunststoffenster, Türen und Tresore habe sich auf S 3,677.647,-- zuzüglich 20 % Umsatzsteuer in Höhe von S 735.529,40, die zweite Rechnung auf S 8,623.823,-- zuzüglich 20 % Umsatzsteuer in Höhe von S 1,724.764,20 bezogen. Nach den Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung habe es sich um Waren der RD GmbH gehandelt. Bei einer Vernehmung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin habe dieser angegeben, er habe auf Grund der Besichtigung der Ware am Frachtenbahnhof vermuten können, daß der Produzent der Waren die RD GmbH sei. Eine Nachkalkulation habe ergeben, daß keine wesentlichen Preisabweichungen zu Fenstern, die von anderen Herstellern auf Grund der Anbotsunterlagen zu beschaffen gewesen wären, bestanden hätten. Ausgehend davon, daß unter einer handelsüblichen Bezeichnung einer Ware jede Bezeichnung zu verstehen sei, die für einen Gegenstand im Wirtschaftsleben allgemein verwendet werde, gelangte die belangte Behörde in der Folge zur Ansicht, daß die Waren in den gegenständlichen zwei Rechnungen nicht hinreichend konkretisiert worden seien, weil die Fenster darin nur mit "AZ" und einer nachfolgenden Zahl bezeichnet gewesen seien und diese Bezeichnung auf die Ausschreibungsunterlagen verwiesen hätten, in welchen die Fenster etwa wie folgt bezeichnet worden seien:

"Fenster 2tlg. Kämpfer DKL/DKR Glas: Isolierverlasung, Farbe: weiß, Profil Superline 2000, Maß zuzüglich Fensterbankanschluß unten:

Breite: 1520, Höhe: 1200." Aus diesen Angaben lasse sich zwar erkennen, daß es sich um ein Fenster bestimmter Größe handle, eine weitere Konkretisierung sei jedoch nicht möglich, weil es "Fink-Fenster" am Markt nicht gebe. Die belangte Behörde verwies auch "exemplarisch" auf die Ausschreibung Nr: AZ 201/94, in welcher die "Fink-Waren" wie folgt bezeichnet worden seien:

"3 Stück Fenster

1 Stück Hauseingangstüren, RD 19, inkl. Hochsicherheits-Zylinder

1 Stück Hauseingangstüren, RD 21, inkl. Hochsicherheits-Zylinder

1 Stück Hauseingangstüren, RD 20, inkl.Hochsicherheits-Zylinder

1 Stück Hauseingangstüren, Sandra II, inkl.Hochsicherheits-Zylinder"

Bei Produkten der Firma Fink handle es sich um Waren, die um ein Vielfaches ihres tatsächlichen Wertes und unter Verwendung von obskuren Bezeichnungen an Lieferanten von Firmen, die Werner Rydl zuzurechnen seien, angeboten würden. Würde die Ausschreibung Fenster einer real existierenden Firma beschreiben, so könnte man durch die Angabe der Bezeichnung "Kämpfer DKL/DKR, Profil Superline" (in Verbindung mit der Größe) den in den Rechnungen angeführten Buchstaben und Zahlen bestimmte Fenster zuordnen. Dies sei jedoch bei "Fink-Fenstern" aus bereits dargelegten Gründen nicht möglich. Eine für die Gewährung des Vorsteuerabzuges ausreichende Bezeichnung sei nicht gegeben, wenn die Angaben im Abrechnungspapier entweder unrichtig oder so ungenau seien, daß sie eine Identifizierung des Leistungsgegenstandes nicht ermöglichten. Ungenaue Angaben seien gegeben, wenn die Rechnungsangaben zwar nicht unrichtig, aber nicht so eingehend und präzise seien, daß sie ohne weiteres völlige Gewißheit über Art und Umfang des Leistungsgegenstandes verschafften. Dies könne zB der Fall sein, wenn sich anhand der Rechnung nicht nachträglich feststellen lasse, auf welchen gelieferten Gegenstand sich die ausgewiesene Steuer beziehen solle. In diesem Zusammenhang habe der Senat insbesondere gewürdigt, daß der Geschäftsführer in der mündlichen Berufungsverhandlung ausgeführt habe, daß es sich nur um Fenster mit der Bezeichnung "Modell Fink" gehandelt habe, es sei jedoch nicht festgestanden, um welche Marke es sich gehandelt habe. Bei Fenstern sei jedoch die Kenntnis der Marke für eine Spezifizierung unerläßlich, weil sich erst daraus wesentliche Merkmale, wie zB Material, Verarbeitung, Glasstärke, Anzahl der Scheiben und Wärmedämmung, erkennen ließen. Ebensowenig wäre ein Kraftfahrzeug, ein Hifi-Gerät usw durch die Angabe der Farbe und einiger technischer Details (bei einem Kfz etwa: rot, Stufenheck, Baujahr 1993, 55 kW) handelsüblich bezeichnet. Der Senat verkenne keineswegs, daß das Umsatzsteuergesetz nicht explicit die Nennung der Marke in einer Rechnung verlange, allerdings müsse eine dem Gesetz entsprechende handelsübliche Bezeichnung, die auf die Nennung der Marke verzichte, das Produkt so genau beschreiben, daß auf Grund der Angaben keine Zweifel offen blieben, um welche Waren es sich handle.

In der Folge wies die belangte Behörde ausgehend von den Feststellungen, daß es sich bei den Fenstern um solche der RD GmbH gehandelt habe, darauf hin, daß es sich bei den in Rechnung gestellten Waren beim ersten Geschäft um fünf mal teurere Fenster und Türen als von der RD GmbH, beim zweiten Geschäft um mehr als sieben mal so teure Fenster und Türen und mehr als dreizehn mal so teure Tresore, die weiteren Angaben seien mit der Bezeichnung der Waren der RD GmbH ident, gehandelt habe. In der "Ausschreibung" bzw den Fakturen sei es unterlassen worden, die Fenster und Türen richtig zu benennen, weil dadurch die Überfakturierung selbst für einen Laien offensichtlich gewesen wäre.

Die belangte Behörde vertrat aber auch die Ansicht, daß im gegenständlichen Fall Rechnungen über offenbar hochwertige Produkte ausgestellt worden seien, was sich insbesondere aus dem hohen Preis der Produkte ergebe. Tatsächlich geliefert seien jedoch Waren worden, die den gelegten Rechnungen nicht hätten zugeordnet werden können, nicht einmal der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin hätte genau zu sagen vermocht, welche Waren sich in den Containern befunden hätten, er habe nur vermutet, daß es sich um Waren der RD GmbH gehandelt habe. Da weder in der Ausschreibung noch in der Rechnung eine bestimmte Marke genannt sei, und nur feststehe, daß es sich laut Ausschreibung und Rechnungen um besonders wertvolle Türen und Fenster hätte handeln sollen, reiche diese Feststellung nicht aus. Es sei daher ohne Belang, ob in der Form von irgendwelchen Türen und Fenstern Lieferungen durchgeführt worden seien. Der Senat sei zu der Überzeugung gekommen, daß es sich bei den "Fink-Waren" um Fenster und Türen der RD GmbH gehandelt habe, die unter der Bezeichnung "Fink" um den fünf- bzw siebenfachen Preis fakturiert worden seien. Für die Nichtanerkennung der Vorsteuer sei es ausreichend, daß keine Lieferung von Waren, die den Fakturen entsprochen hätten, stattgefunden habe.

In der Folge beschäftigt sich der angefochtene Bescheid mit der nach Ansicht der belangten Behörde ungewöhnlichen Geschäftsanbahnung, den ungewöhnlich kurzen Lieferfristen für die Sonderanfertigungen, den ungewöhnlichen Zahlungsmodalitäten und dem Umstand, daß der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin gar nicht versucht habe, Fenster und Türen der gleichen Qualität von einem anderen Lieferanten zu besorgen, wiewohl ihm der hohe Preis auffällig hätte erscheinen müssen, um letztlich aber lediglich darauf hinzuweisen, daß es auf ein Verschulden des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin zur Frage der Abzugsfähigkeit der entsprechenden Vorsteuern gar nicht ankomme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 12 Abs 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbetrag abziehen.

Gemäß § 12 Abs 1 UStG 1994 setzt der Vorsteueranspruch eine Übereinstimmung zwischen gelieferter und in der Rechnung ausgewiesener Ware voraus. Diese Voraussetzung ist, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 96/15/0220, ausgesprochen hat, dann nicht erfüllt, wenn die in der Rechnung gewählte Bezeichnung des Liefergegenstandes eine solche Vorstellung vom Liefergegenstand hervorruft, die mit dem tatsächlich gelieferten Gegenstand nicht in Einklang zu bringen ist.

Im Beschwerdefall rügt die Beschwerdeführerin allerdings zu Recht, daß sich die belangte Behörde insofern widerspreche, als sie einerseits ausführe, die vom Lieferanten der Beschwerdeführerin gelegten Rechnungen entsprächen nicht den Formerfordernissen des § 11 UStG 1994, weil der Gegenstand der Lieferung selbst unter Berücksichtigung der "Ausschreibungsunterlagen" mangels handelsüblicher Bezeichnung nicht eindeutig identifizierbar wäre, andererseits sei es aber der belangten Behörde anhand dieser Unterlagen gelungen, sogar den Produzenten und dessen Fabrikspreise für die entsprechenden Waren zu ermitteln. Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, daß die Ansicht der belangten Behörde, in den Rechnungen fehle die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Waren, unter diesen Umständen verfehlt ist, zumal der angefochtene Bescheid sachverhaltsmäßige Feststellungen vermissen läßt, welche Bezeichnungen hinsichtlich der gegenständlich gelieferten Waren allgemein im Geschäftsverkehr verwendet werden. Es mag zutreffen, daß bei neuen oder gebrauchten Personenkraftwagen eine Anführung der Marke, Type und anderer Merkmale handelsüblich ist, im Beschwerdefall wurden aber keine Personenkraftwagen geliefert. Verfehlt ist aber auch die Annahme, ein relativ hoher Preis einer Ware müsse sich aus der handelsüblichen Bezeichnung der Ware eindeutig ergeben. Im Beschwerdefall kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die in der Rechnung (in Verbindung mit den "Ausschreibungsunterlagen") gewählte Bezeichnung der Liefergegenstände eine solche Vorstellung vom Liefergegenstand hervorgerufen hat, die mit den tatsächlich gelieferten Gegenständen nicht in Einklang zu bringen war. Eine solche Beurteilung kann in Fällen gerechtfertigt sein, in welchem Liefergegenstände mit einem sehr hohen Preis in Rechnung gestellt sind, die tatsächlich gelieferten Gegenstände nach sachverhaltsbezogen gesicherten Feststellungen aber mehr oder weniger wertlos sind. Werden aber in einer Rechnung Fenster, Türen oder auch Tresore, somit Waren, die allein durch Angebotsvielfalt große Bandbreiten bei den Preisen ermöglichen, zu bestimmten Preisen in Rechnung gestellt, so kann in aller Regel ohne sachverständige Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, daß diese Bezeichnung der Liefergegenstände eine solche Vorstellung vom Liefergegenstand hervorruft, die mit den tatsächlich gelieferten Fenstern, Türen und Tresoren - hinsichtlich derer eine minderwertige Qualität gar nicht behauptet wird - nicht in Einklang zu bringen ist. Entsprechende Feststellungen fehlen im Beschwerdefall hinsichtlich der in Rechnung gestellten Waren völlig. Insbesondere hat es die belangte Behörde verabsäumt, sich mit dem ausdrücklichen Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin auseinanderzusetzen, wonach eine Nachkalkulation ergeben hätte, daß hinsichtlich der gelieferten Waren keine wesentlichen Preisabweichungen zu entsprechenden Waren anderer Hersteller bestanden hätten.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß die Begründung eines Bescheides u.a. erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt worden ist und aus welchen Erwägungen die Behörde zur Einsicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt. Es muß also jener Sachverhalt angeführt sein, den die belangte Behörde als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung als erwiesen annimmt, und weiters die Darstellung der behördlichen Überlegungen zur Beweiswürdigung erfolgen, wobei auf das Vorbringen des Abgabepflichtigen im Verwaltungsverfahren beider Instanzen sachverhaltsbezogen im einzelnen eingehend jene Erwägungen darzustellen sind, welche die belangte Behörde bewogen haben, einen anderen als den vom Abgabepflichtigen behaupteten Sachverhalt als erwiesen anzunehmen (vgl im einzelnen das hg Erkenntnis vom , 94/13/0200).

Diesen Erfordernissen entspricht der angefochtene Bescheid bereits aus den angeführten Gründen nicht. Aber auch soweit die belangte Behörde die ungewöhnliche Geschäftsanbahnung, ungewöhnliche Zahlungsmodalitäten und andere ihr ungewöhnlich scheinende Umstände anführt, kann dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden, ob sie einen, gegebenenfalls welchen Sachverhalt sie aus diesen Umständen als erwiesen annimmt. Die diesbezüglichen Ausführungen sind daher ebenfalls nicht geeignet, den Spruch des angefochtenen Bescheides zu tragen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil das Schriftsatzpauschale auch die Umsatzsteuer umfaßt.

Wien, am