VwGH vom 11.04.1991, 90/16/0040
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des Bundes ("Republik Österreich" - Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 11 - 1026/2/89, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland) Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob entweder - im Sinn des Beschwerdeführers (Gebietskörperschaft Bund) - der für ihn mit Kaufvertrag vom (17./) begründete Anspruch auf Übereignung dreier bestimmter inländischer Grundstücke (davon - flächenmäßig überwiegend - zwei "Bauplätze"), für den die besondere Ausnahme von der Besteuerung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 lit. a GrEStG 1955 (in der Folge: GrEStG) zur "Errichtung und" Erweiterung eines Bundesamtsgebäudes beantragt worden war, von der Besteuerung ausgenommen bleibt, obwohl im Dezember 1988 erst der Rohbau beider geplanter Objekte (beim ersten waren die Wände im zweiten Obergeschoß zu 50 %, beim zweiten die Wände im dritten Obergeschoß zu 80 % und die Decke über diesem Geschoß zu 50 % fertig gewesen) aufgeführt gewesen war, oder (der Begründung der angefochtenen Berufungsentscheidung entsprechend) der erwähnte Erwerbsvorgang auf Grund des § 4 Abs. 2 erster Satz GrEStG der Steuer unterliegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst wird zur Vermeidung von Mißverständnissen bemerkt, daß die Parteien des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stillschweigend, aber nach § 12 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1987 zutreffend, für die Beantwortung dieser Frage noch die Bestimmungen des GrEStG maßgebend erachten.
Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG ist jedes Erkenntnis zu begründen. Soweit die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist, genügt es, diese anzuführen.
Auf Grund des § 1 Abs. 1 Z. 1 GrEStG unterliegen, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen, ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, der Grunderwerbsteuer.
Nach dem (durch Art. I Z. 3 der GrEStG-Novelle 1969, BGBl. Nr. 277, eine neue Bezeichnung und hier unwesentliche Erweiterung des früheren § 4 Abs. 1 Z. 6 lit. a GrEStG darstellenden) § 4 Abs. 1 Z. 7 lit. a GrEStG (in der Fassung der Kundmachung BGBl. Nr. 587/1982) ist beim Grundstückserwerb durch eine Gebietskörperschaft von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb eines Grundstückes ZUR ERRICHTUNG ODER ERWEITERUNG VON AMTSGEBÄUDEN, öffentlichen Zivilschutzräumen, Anlagen und Einrichtungen des Bundesheeres, soweit diese der Hoheitsverwaltung des Bundes dienen, öffentlichen Kindergärten, öffentlichen Schulen, öffentlichen Heil- und Pflegeanstalten, öffentlichen Altersheimen, sowie von Krematorien.
Gleiches gilt gemäß § 4 Abs. 1 Z. 7 (früher 6)
lit. b GrEStG für den Erwerb eines Grundstückes ZUR SCHAFFUNG ODER ERWEITERUNG von öffentlichen Straßen, sonstigen öffentlichen Verkehrsanlagen, öffentlichen Plätzen und öffentlichen Erholungs-, Wald- und sonstigen Grünanlagen.
Auf Grund des § 4 Abs. 2 erster Satz GrEStG unterliegen u. a. die im Abs. 1 Z. 7 lit. a und b bezeichneten Erwerbsvorgänge mit dem Ablauf von acht Jahren der Steuer, wenn das Grundstück vom Erwerber nicht innerhalb dieses Zeitraumes zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist.
Der Beschwerdeführer weist einleitend - zwar in Widerspruch zu seinem auf "Errichtung und" Erweiterung eines Bundesamtsgebäudes lautenden Antrag vom , aber tatsächlich zu Recht - darauf hin, daß es im vorliegenden Fall nicht um den Erwerb von Grundstücken zur Errichtung, sondern nur um einen solchen zur Erweiterung eines Amtsgebäudes geht. Damit ist aber entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung noch keineswegs gesagt, daß bei einer derartigen Erweiterung die Bauarbeiten nicht innerhalb von acht Jahren ab Verwirklichung des Erwerbsvorganges abgeschlossen sein müßten.
Durch die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Z. 7 GrEStG wird der Grundstückserwerb für einen genau umschriebenen Zweck begünstigt (siehe z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 1670/66, Slg. Nr. 3586/F, und vom , Zlen. 82/16/0175, 83/16/0001, ÖStZB 22/1983, S. 400).
Eine Verwendung zum begünstigten Zweck im Sinn des § 4 Abs. 2 erster Satz GrEStG kann aber erst dann angenommen werden, wenn der begünstigte Zweck verwirklicht wurde und nicht schon dann, wenn lediglich Schritte zu seiner Verwirklichung unternommen werden (siehe z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 915/71, Slg. Nr. 4362/F).
Da unter einem Amtsgebäude - auch im Sinn des § 4 Abs. 1 Z. 7 GrEStG - ein Gebäude zu verstehen ist, in dem eine Behörde als Organ der öffentlichen Gewalt die ihr obliegenden Aufgaben und Befugnisse wahrnimmt bzw. in dem der Amtsträger eine amtliche Tätigkeit entfaltet (siehe z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 1731/65, ÖStZB 19/1966, S. 147, mit weiteren Hinweisen), kann der begünstigte Zweck beim Erwerb eines Grundstückes durch eine Gebietskörperschaft zur Erweiterung von Amtsgebäuden frühestens dann verwirklicht sein, wenn die durch die Erweiterung geschaffenen neuen Gebäude oder Gebäudeteile zumindest die Möglichkeit einer sofortigen Aufnahme einer amtlichen Tätigkeit in ihnen gewährleisten.
In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof z.B. schon in seinem - nur teilweise in der ÖStZB 23/1983, Seite 404, veröffentlichten - Erkenntnis vom , Zl. 82/16/0094, die von Czurda, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, Wien - Stand (September 1981) nach dem
9. Nachtrag, Tz 260 zu § 4, ohne Begründung vertretene Auffassung, unter der "Errichtung" und der "Erweiterung" von Amtsgebäuden sei nicht der bautechnische Vorgang, sondern der Widmungsvorgang zu verstehen, deutlich abgelehnt.
Ganz abgesehen davon, daß Czurda a.a.O., Stand (Juli 1987) nach dem 15. Nachtrag, Tz 260 Abs. 2 zweiter Satz zu § 4, nunmehr - von seiner zitierten früheren Rechtsansicht abweichend - ausführt, da im GrEStG nicht näher bestimmt sei, was unter "Erweiterung" zu verstehen sei, werde man annehmen können, daß der Gesetzgeber unter diesem Ausdruck die bauliche Erweiterung eines schon vorhandenen Gebäudes habe verstehen wollen, hat der Verwaltungsgerichtshof z.B. auch in seinem Erkenntnis vom , Zl. 88/16/0072,
ÖStZB 15/16/1989, S. 259, u.a. folgendes dargelegt:
"Die Freiheit eines Grundstückserwerbes durch eine Gebietskörperschaft zur Errichtung (ODER ERWEITERUNG) öffentlicher Schulen kann aber nach der Absicht des Gesetzgebers nur bei fristgemäßer baulicher Vollendung einer öffentlichen Schule bejaht werden. Die Aufführung eines bloßen Rohbaues genügt hiezu nicht. Es darf auch nicht übersehen werden, daß alle im § 4 Abs. 2 erster Satz GrEStG bezeichneten Erwerbsvorgänge hinsichtlich der Rechtsfolge einer Nichterfüllung des begünstigten Zweckes gleichbehandelt werden."
Auf Grund der vorstehenden Ausführungen erweist sich auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, der begünstigte Zweck sei im vorliegenden Fall schon mit der Herstellung der wirtschaftlichen Einheit durch die Übergabe des zugekauften Grundes verwirklicht, als unrichtig. Vielleicht schwebt dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang der dem Erkenntnis vom , Zl. 2444/78, nur teilweise veröffentlicht in der Slg. Nr. 5450/F, zu Grunde gelegene Fall vor. Der damalige Erwerbsvorgang bezog sich zwar ebenfalls auf drei Grundstücke, aber die damalige belangte Behörde unterließ nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nur die Prüfung der Frage, ob diese drei Grundstücke - für sich allein - bei der Einheitsbewertung als eine wirtschaftliche Einheit bewertet worden waren oder nicht.
Der Beschwerdeführer vermag auch mit seinem Hinweis auf den "Grundsatz" der wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil er offensichtlich übersieht, daß § 21 BAO keine Regel zur Auslegung von Steuergesetzen, sondern eine Richtlinie zur Beurteilung abgabenrechtlich relevanter SACHVERHALTE ist. Die Tatsbestände des GrEStG knüpfen in der Hauptsache an die äußere formalrechtliche Gestaltung an und gestatten daher nur in diesem durch das Gesetz gegebenen Rahmen eine Beurteilung gemäß § 21 Abs. 1 BAO ZUR LÖSUNG VON TATFRAGEN (siehe z.B. die Erkenntnisse vom , Zl. 88/16/0049,
ÖStZB 14/1989, S. 228, und vom , Zl. 90/16/0002).
Wenn der Beschwerdeführer abschließend mit dem Hinweis darauf, die Knappheit der Budgetmittel sei die häufigste Ursache langsamer Baufortschritte, meint, die hier in Rede stehende Befreiungsbestimmung diene offensichtlich dazu, den Gebietskörperschaften die Einrichtung einer ausreichenden Infrastruktur für die von ihnen zu erfüllenden Aufgaben zu erleichtern, dann ist ihm - wie z.B. schon in den bereits angeführten Erkenntnissen vom und vom , Zl. 88/16/0072, - nochmals folgendes entgegenzuhalten:
Im Hinblick auf den verfassungsgesetzlich festgelegten Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz und dem Grundsatz der gleichmäßigen Erfassung aller Abgabenfälle und mangels ausdrücklicher Anordnung des Gesetzes kann dem Bund bzw. dem Fiskus keine andere Stellung vor dem Gesetz zukommen als jedem anderen Abgabenschuldner.
Aus allen dargelegten Erwägungen ist die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Aufwandersatz gebührt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über eine sogenannte Parteibeschwerde der obsiegenden Partei nämlich auch dann, wenn eine Dienststelle einer Gebietskörperschaft gegen einen Bescheid einer Behörde derselben Gebietskörperschaft Beschwerde erhob (siehe z.B. das bereits angeführte - diesbezüglich nicht veröffentlichte - Erkenntnis vom , Zl. 88/16/0049, mit weiteren Hinweisen).