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VwGH vom 23.01.2003, 2002/16/0169

VwGH vom 23.01.2003, 2002/16/0169

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des Mag. S in T (Schweiz), vertreten durch Dr. Helmut Hackl u.a., Rechtsanwälte in Linz, Hauptplatz 23/II, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ RV 93-09/07/02, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer und seine Ehegattin errichteten am vor einem öffentlichen Notar einen als "Ehepakte" bezeichneten Notariatsakt mit - auszugsweise - folgendem Inhalt:

"Erstens: Die Ehegatten Mag S und Judy S vereinbaren hiemit den ehelichen Güterstand einer Zugewinngemeinschaft.

Zugewinngemeinschaft heißt, dass das während der Ehe geschaffene Vermögen im Scheidungsfall, aber auch beim Ableben eines der Vertragsparteien, auf die beiden Partner zu gleichen Teilen aufgeteilt wird. Jenes Vermögen aber, welches in die Ehe eingebracht wurde, wird bei der Scheidung beziehungsweise beim Ableben eines der Vertragsparteien nicht geteilt, sondern wird voll jenem Partner zugerechnet, welcher dies in die Ehe eingebracht hat. Gleiches gilt für Vermögen, welches während der Ehe ererbt wurde. Ein Wertzuwachs, welcher auf das in die Ehe eingebrachte Vermögen oder auf das ererbte Vermögen erzielt wird, ist ebenfalls nicht zu teilen. Es ist auch nicht zu teilen, was durch eine Veräußerung des in die Ehe eingebrachten oder vererbten Vermögens samt dazugehörigen Wertzuwachs von einem der Vertragsparteien neu angeschafft wird.

Das in die Ehe eingebrachte Vermögen und das ererbte Vermögen sowie das anstelle eines solchen Vermögens angeschaffte Vermögen soll daher als getrennter Kreislauf geführt werden.

Zweitens: Die Ehegatten Mag S und Judy S stellen fest, dass das von ihnen in die Ehe eingebrachte Vermögen aus der beiliegenden Aufstellung ersichtlich ist, die einen integrierenden Bestandteil dieses Vertrages bildet.

Drittens: Für den Fall der Scheidung oder sonstigen Aufhebung ihrer Ehe beschränken die Ehegatten Mag S und Judy S ihre wechselseitigen Vermögensansprüche dahingehend, dass für jedes Ehejahr ein Betrag von höchstens S 1,000.000,-- in Worten Schilling eine Million (entspricht EUR 72.672,83) zusteht.

Diese wechselseitigen Vermögensansprüche können aber einen Betrag von S 30,000.000-- in Worten Schilling dreißig Millionen (entspricht: EUR 2,180.185,03) keinesfalls übersteigen.

Viertens: Sollte die Ehe der Vertragsparteien aus dem weitaus überwiegenden Verschulden oder aus dem Alleinverschulden einer Vertragspartei geschieden oder aufgehoben werden, ist der Vermögensanspruch dieser Vertragspartei auf ein Maximum von S 250.000,-- in Worten Schilling zweihundertfünfzigtausend (entspricht EUR 18.168,21) für jedes volle Ehejahr begrenzt.

...

Sechstens: Die weiteren Vereinbarungen und sonstigen Regelungen bleiben für den Fall einer Scheidung oder Auflösung ihrer Ehe in Ermangelung einer gerichtlichen Vereinbarung gemäß § 55 a Ehegesetz oder eines diesbezüglich zwischen den Vertragsparteien abgeschlossenen Vergleiches der gerichtlichen Entscheidung vorbehalten.

Die Vertragsparteien bekräftigen über die gesetzlichen Bestimmungen des Ehegesetzes insbesondere über den Paragraphen (§) 97 Ehegesetz belehrt worden zu sein.

..."

Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien setzte für diese Vereinbarung Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 20 Abs. 1 Z. 2 lit. b iVm § 22 GebG in Höhe von 2 v.H. der Maximalleistung von S 30,000.000,-- fest, wogegen der Beschwerdeführer mit der Begründung berief, es liege kein Vergleich, sondern ein Ehepakt vor.

Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung stellte der Beschwerdeführer unter Wiederholung seines Standpunktes fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Die belangte Behörde gab der Berufung keine Folge und vertrat in Bestätigung der erstinstanzlichen Rechtsmeinung ebenfalls die Auffassung, es sei ein Vergleich gemäß § 1380 ABGB geschlossen worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, dass eine Rechtsgebühr nach § 33 TP 20 Abs. 1 lit. b GebG nicht festgesetzt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 33 TP 11 GebG lautet:

"Ehepakte

1) Ehepakte, das sind Verträge, die in Absicht auf die eheliche Verbindung geschlossen werden, nach dem Wert ...1 v.H.

..."

§ 33 TP 20 leg. cit. bestimmt (auszugsweise):

"(1) Vergleiche (außergerichtliche)


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1.
...
2.
In allen anderen Fällen
a)
...
b)
sonst ...2 v.H. vom Gesamtwerte der von jeder Partei übernommenen Leistung. ..."
In Streit steht im vorliegenden Fall allein die Frage, ob die getroffene Vereinbarung dem Gebührentatbestand eines außergerichtlichen Vergleiches oder dem eines Ehepaktes zuzuordnen ist, wobei sich die belangte Behörde (auch in ihrer Gegenschrift) auf jene hg. Judikatur beruft, die in vorweg geschlossenen Scheidungsfolgenvereinbarungen Vergleiche iS. des § 1380 ABGB erblickt hat (siehe z.B. die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band I, Stempel- und Rechtsgebühren, in Rz 11 bis 15 zu § 33 TP 20 GebG referierte hg. Judikatur).
Wesentlich ist dabei, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass auch im Rahmen von Ehepakten nach § 33 TP 20 GebG gebührenpflichtige Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden können, deren Aufgabe es ist, für den Fall der Scheidung eine Regelung der Vermögens- und Unterhaltsverhältnisse vorzunehmen (Fellner, a.a.O. Rz 11 und 16 sowie Rz 3 zu § 33 TP 11 GebG). Daraus folgt aber nicht, dass damit dem Gebührentatbestand nach § 33 TP 11 GebG gänzlich der Anwendungsbereich entzogen wäre, ist es doch definitionsgemäß gerade auch der Zweck von Ehepakten, eine Regelung der vermögensrechtlichen Beziehung der Eheleute während der Ehe und für den Fall der Auflösung der Ehe zu schaffen (Fellner, a.a.O. Rz 1 zu § 33 TP 11 GebG unter Berufung auf Schwind in Ehrenzweig3, Familienrecht 83).
Es ist daher die Frage zu klären, ob die beschwerdegegenständliche Vereinbarung dem vom § 33 TP 11 GebG erfassten Geschäftskreis zuzurechnen ist, oder ob sie eine bloße Scheidungsfolgenvereinbarung darstellt, der eine vorbeugende Bereinigungs- bzw. Klarstellungsfunktion und damit Vergleichscharakter zukäme (vgl. dazu das Fellner, a.a.O. Rz 16 zu § 33 TP 20 GebG zitierte hg. Erkenntnis Zl. 99/16/0051).
Dazu ist ein Blick darauf zu werfen, was die zivilrechtliche Standardliteratur und Judikatur unter einem Ehepakt und unter dem von den Vertragsparteien im vorliegenden Fall verwendeten Begriff der sog. Zugewinngemeinschaft versteht.
Das Wesen eines Ehepaktes ist darin gelegen, dass im Wege eines Notariatsaktes der (gemäß §§ 1233, 1237 ABGB) gesetzliche Güterstand der Gütertrennung geändert oder ergänzt wird (M. Bydlinski in Rummel, ABGB II3, Rz 2 zu § 1217 ABGB).
Ein Ehepakt liegt nur dann vor, wenn die vermögensrechtlichen Verhältnisse, wie sie sich als objektiv-rechtliche Ehefolgen darstellen, geändert werden (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I12, 435), wobei Inhalt eines Ehepaktes auch eine Vereinbarung sein kann, mit der bei sonstiger Beibehaltung des gesetzlichen Güterstandes der Gütertrennung ein Nebenvertrag zum gesetzlichen Güterstand vereinbart wird (Weiss in Klang2, V, 684). Betreffend Änderungen oder Ergänzungen des gesetzlich vorgesehenen Güterstandes der Gütertrennung sind die Parteien nicht an die ihnen dazu vom Gesetz angebotenen Vertragstypen (zB Gütergemeinschaft, Widerlage, Morgengabe, Witwengehalt, etc.) gebunden, es besteht vielmehr vertragliche Gestaltungsfreiheit (Weiss in Klang, a.a.O. 679; Koziol/Welser, a.a.O. 436; M. Bydlinski in Rummel, a.a.O. Rz 7 zu § 1217 ABGB, mwN).
Eine vom gesetzlichen Güterstand der Gütertrennung abweichende, vertraglich zulässigerweise vereinbarte Variante ist die sogenannte Zugewinngemeinschaft, worunter im allgemeinen verstanden wird, dass an sich Gütertrennung besteht, im Falle der Auflösung der Ehe jedoch jeder Teil einen (der Höhe nach von der getroffenen Vereinbarung abhängenden) Anspruch auf einen Anteil an demjenigen hat, was der andere Teil während der Ehe erworben hat (vgl. Koziol/Welser, a.a.O. 434; ; ebenso Faistenberger/Gschnitzer, Österreichisches Familienrecht2, 75).
Eine dieser Definition - wenn auch mit gewissen Einschränkungen - jedenfalls im Kern entsprechende Vereinbarung haben die Eheleute in dem in Streit stehenden Notariatsakt getroffen, wobei sie den Anteil des Einen am ehelichen Zugewinn im Wege der Vertragspunkte Drittens und Viertens der Höhe nach beschränkten. Diese insbesondere auch für den Scheidungsfall getroffene Beschränkung ist im gegebenen Zusammenhang der den gesetzlichen Güterstand ergänzenden Vereinbarung einer Zugewinngemeinschaft und damit dem Begriff des Ehepaktes zuzuordnen und deshalb nicht als streitvorbeugender Vergleich über Scheidungsfolgen anzusehen, weil sich die Vertragsparteien gerade für den letzteren Bereich Regelungen anderer Art im Wege des Punktes Sechstens des Notariatsaktes ausdrücklich vorbehalten haben.
Die belangte Behörde hat daher dadurch, dass sie die in Rede stehende Vereinbarung dem Gebührentatbestand des § 33 TP 20 Abs. 1 Z. 2 lit. b und nicht dem der TP 11 leg. cit. unterstellte, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führen muss.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am