VwGH vom 24.06.1991, 90/15/0159

VwGH vom 24.06.1991, 90/15/0159

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

90/15/0160

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerden der X-Bank gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland 1. vom , Zl. GA 11 - 1562/89, und 2. vom , Zl. GA 11- 1576/89, jeweils betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin in jeden der beiden Beschwerdesachen Aufwendungen in der Höhe von je S 11.525,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheiden setzte die belangte Behörde gegenüber der beschwerdeführenden Bank in insgesamt fünf Fällen Rechtsgebühr nach § 33 TP 19 GebG fest. Den Bescheiden liegen folgende durchwegs gleichgelagerte Sachverhalte zugrunde: Die Beschwerdeführerin hatte mit verschiedenen Kreditnehmern Kontokorrentkreditverträge mit Laufzeiten von jeweils weniger als fünf Jahren geschlossen und im Wege des Gebührenjournales (§ 3 Abs. 4 GebG) ordnungsgemäß vergebührt. Jeweils vor Ablauf der vereinbarten Laufzeit hatten die Kreditnehmer um Prolongation der eingeräumten Kredite ersucht. Die Beschwerdeführerin stellte daraufhin (in zwei Fällen wenige Tage vor, in den anderen Fällen einige Tage bzw. Wochen nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit) den Kreditnehmern jeweils das Anbot, "den Kredit" bzw. "den eingeräumten Kredit" bis auf weiteres, längstens jedoch bis zu im einzelnen genannten Terminen zu verlängern, die weniger als insgesamt fünf Jahre nach dem Beginn der jeweiligen Laufzeit liegen. Die Annahme dieser Anbote durch die Kreditnehmer erfolgte durchwegs einige Tage bzw. Wochen nach Ende der ursprünglich vereinbarten Kreditlaufzeit.

Der Auffassung der Abgabenbehörde erster Instanz, die jeweilige "Verlängerung" sei als gebührenpflichtiger Abschluß eines neuen Kreditvertrages zu beurteilen, weil die ursprünglichen Kreditverträge im Zeitpunkt der "Verlängerung" bereits abgelaufen seien, hielt die Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren entgegen, ein Kreditvertrag erlösche nicht durch Zeitablauf, sondern durch Tilgung der Gesamtforderung (§ 1412 ABGB). Die wechselseitigen Rechte und Pflichten seien in den Beschwerdefällen über den ursprünglich vereinbarten Stichtag hinaus gelaufen. Überdies habe die Beschwerdeführerin mit den Kreditnehmern (innerhalb der jeweiligen Laufzeit) mündlich Prolongationen bis zur Erledigung der Ansuchen vereinbart. Den Kreditnehmern sei der Kreditrahmen während der ganzen Zeit voll zur Verfügung gestanden. Es handle sich daher um im Sinne des § 33 TP 19 Abs. 4 Z. 1 GebG gebührenfreie Prolongationen.

Die belangte Behörde vertrat im angefochtenen Bescheid die Auffassung, unter einer Prolongation im Sinne der zuletzt zitierten Gesetzesstelle sei die vertragliche Verlängerung der Dauer eines auf bestimmte Zeit begrenzten Kreditverhältnisses zu verstehen. In den vorliegenden Fällen sei die schriftliche Annahme der Prolongationsanbote jeweils zu einer Zeit erfolgt, zu der der Endtermin, bis zu dem in den vorangegangenen Urkunden die Kreditgewährung eingeräumt worden sei, bereits abgelaufen gewesen sei. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, daß der Kreditvertrag erst durch die Tilgung beendet werde, sei nicht zu folgen; dieser ende mit Ablauf der Zeit, für die er abgeschlossen worden sei.

Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerden mit seinen Beschlüssen vom , Zlen. B 225/90 und B 263/90, ab und trat die Beschwerden über nachträgliche Anträge der Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Mit ihren ergänzenden Schriftsätzen beantragt die Beschwerdeführerin, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

Nach § 33 TP 19 Abs. 1 GebG unterliegen Kreditverträge, mit welchen den Kreditnehmern die Verfügung über einen bestimmten Geldbetrag eingeräumt wird, einer Gebühr.

Nach Abs. 4 Z. 1 leg. cit. sind gebührenfrei Prolongationen von Kreditverträgen, für die nach diesem Bundesgesetz eine Gebühr zu entrichten war, bis zu einer Dauer des Kreditverhältnisses von fünf Jahren; im übrigen bei wiederholten Prolongationen jene, mit denen nicht ein Vielfaches von fünf Jahren überschritten wird.

Unter einer Prolongation im Sinne der zuletzt zitierten Vorschrift ist die einvernehmliche Verlängerung eines auf bestimmte Zeit begrenzten Vertragsverhältnisses zu verstehen. Die grundsätzliche Gebührenpflicht von Prolongationen ergibt sich im Umkehrschluß aus dieser Befreiungsvorschrift (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/15/0082).

Zwischen den Parteien der Beschwerdeverfahren ist strittig, ob eine "Prolongation" im Sinne der Befreiungsvorschrift voraussetzt, daß die Prolongation noch während der ursprünglich bedungenen Laufzeit des Kreditverhältnisses vereinbart wird.

Zwar kann die Auffassung der Beschwerdeführerin, das Kreditverhältnis erlösche zivilrechtlich nicht mit Ablauf der vereinbarten Frist, sondern - im Hinblick auf § 1412 ABGB - erst mit vollständiger Rückzahlung der Kreditsumme durch den Kreditnehmer, nicht geteilt werden. Befristete Dauerschuldverhältnisse erlöschen nach § 1449 ABGB durch Verlauf der Zeit, wodurch sie (u.a.) durch Vertrag beschränkt sind. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, daß jedenfalls die Hauptleistungspflicht des Kreditgebers - die Einräumung der Verfügung über den Kreditbetrag - und das daraus resultierende Recht des Kreditnehmers mit dem Ende der vereinbarten Vertragsdauer begrenzt sind. Das Weiterbestehen wechselseitiger Rechte und Pflichten - etwa aus dem Abwicklungsverhältnis, im Falle der Aufrechterhaltung der Geschäftsverbindung auch aus dem allenfalls weiterbestehenden Kontokorrentverhältnis (vgl. Schinnerer-Avancini, Bankverträge II3 51) rechtfertigen es nicht, ein Weiterbestehen des "Kreditverhältnisses" nach Ablauf der bedungenen Vertragsdauer anzunehmen.

Der Auffassung der belangten Behörde ist somit insoweit zu folgen, als durch die nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit erfolgte Einigung, den Vertrag zu verlängern, zivilrechtlich ein "neuer Vertrag" abgeschlossen wird. Dennoch ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis mit ihrer Auffassung, daß in den Beschwerdefällen "Prolongationen" im Sinne der Befreiungsvorschrift vorliegen, im Recht, weil dies nach Inhalt und Zweck dieser Vorschrift nicht ausschließlich davon abhängt, ob die Einigung, "den (eingeräumten) Kredit" zu "verlängern", während der ursprünglich vereinbarten Laufzeit erfolgte.

Die Befreiungsvorschrift verfolgt ersichtlich den Zweck, die Höhe der im Rahmen eines Kreditverhältnisses anfallenden Gebühren in angemessenen Grenzen zu halten und eine Gleichstellung der kurzfristigen mit den mittelfristigen Krediten zu erreichen (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 338 Blg. NR. XIV GP). Aus der Befreiung von Prolongationen, mit denen das Kreditverhältnis auf eine Gesamtdauer von höchstens fünf Jahren verlängert wird, läßt sich die Absicht des Gesetzgebers erkennen, die Abwicklung von Kreditverträgen, bei denen eine insgesamt mittelfristige Laufzeit durch - allenfalls mehrfache - Prolongation erreicht wird, gebührenrechtlich jenen Verträgen gleichzustellen, bei denen von vornherein eine mittelfristige (fünf Jahre nicht übersteigende) Laufzeit vereinbart wurde. Schon dieser Umstand läßt im vorliegenden Zusammenhang eine formale, ausschließlich am Kriterium der Begründung eines (zivilrechtlich) "neuen" Vertragsverhältnisses orientierte Betrachtungsweise nicht angezeigt erscheinen.

Weiters ist darauf hinzuweisen, daß jede "Verlängerung" der zeitlichen Geltungsdauer eines Kreditvertrages - mag sie auch während der ursprünglich bedungenen Laufzeit vereinbart werden - wenigstens insoweit, als die Verlängerung reicht, zivilrechtlich einen "neuen Kreditvertrag" darstellt. Davon geht der Gesetzgeber offenbar auch im Zusammenhang mit § 21 GebG aus (vgl. hiezu die Erläuterungen zur RV der GebG-Nov. 1981, 549 Blg. NR. XV. GP, wonach die Verlängerung der vereinbarten Geltungsdauer eines Rechtsgeschäftes, ohne auf zivilrechtliche Überlegungen ... einzugehen, gebührenrechtlich als Neuabschluß eines selbständigen Rechtsgeschäftes zu behandeln ist).

Davon ausgehend bedeutet somit jede - auch die innerhalb der ursprünglich bedungenen Vertragslaufzeit vereinbarte - "Prolongation" die Begründung eines "neuen" Vertragsverhältnisses. Dessen ungeachtet ordnet der Gesetzgeber jedoch in § 33 TP 19 Abs. 4 Z. 1 GebG die Gebührenbefreiung bestimmter Prolongationen - abhängig vom Ausmaß der gesamten Vertragslaufzeit bzw. der "Verlängerung" - an. Es entspräche daher nicht der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers, die Lösung der Frage, ob eine "Prolongation" eines bestehenden Kreditverhältnisses im Sinne der Befreiungsvorschrift vorliegt oder die Neubegründung eines Kreditverhältnisses, ausschließlich davon abhängig zu machen, ob die durch die "Prolongation" begründeten wechselseitigen Rechte und Pflichten einem zivilrechtlich "neuen" Kreditverhältnis zuzuordnen sind. Dem Zweck der Befreiungsvorschrift, eine einheitliche Gebührenbelastung von Kreditgeschäften zu erreichen und übermäßige Gebührenbelastungen zu vermeiden, entspricht es vielmehr, die Lösung dieser Frage daran zu orientieren, ob die in Rede stehende "Prolongation" zu einem zeitlich unmittelbar anschließenden und inhaltlich identen, insgesamt somit die Kontinuität zum "ursprünglichen" Kreditverhältnis wahrenden Kreditverhältnis führte.

Dies kann in den Beschwerdefällen vor allem im Hinblick darauf bejaht werden, daß die Erklärungen der Vertragsparteien jeweils auf eine zeitlich unmittelbar an die ursprünglich vereinbarte Vertragsdauer anschließende Fortdauer der (inhaltlich identen) wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem ursprünglichen Kreditverhältnis gerichtet waren. Weiters ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, daß die Ersuchen der Kreditnehmer, den eingeräumten Kredit zu prolongieren (in zwei Fällen auch die darauf folgenden Prolongationsanbote der Beschwerdeführerin) während der Laufzeit der ursprünglichen Kredite gestellt wurden und die Vereinbarung der Prolongation jeweils wenige Tage bzw. Wochen nach dem bedungenen Ablauf der ursprünglich vereinbarten Kreditlaufzeit wirksam zustande kam.

Diese Umstände rechtfertigen es, die auf "Verlängerung des Vertragsverhältnisses" gerichteten Vereinbarungen der Vertragsparteien - ungeachtet der Frage, ob damit zivilrechtlich "neue" Vertragsverhältnisse begründet wurden - als "Prolongationen" im Sinne des § 33 TP 19 Abs. 4 Z. 1 GebG aufzufassen. Dabei handelt es sich in den Beschwerdefällen durchwegs um Prolongationen, auf die der Tatbestand der Gebührenbefreiung nach dem ersten Halbsatz der zuletzt zitierten Vorschrift (Verlängerung des Kreditverhältnisses auf eine Gesamtdauer von höchstens fünf Jahren) zutrifft; sie unterliegen daher der Gebührenfreiheit nach dieser Gesetzesstelle.

Die von der gegenteiligen Rechtsansicht ausgehenden angefochtenen Bescheide sind daher mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; sie waren gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mi der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.