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VwGH vom 18.11.1991, 90/15/0123

VwGH vom 18.11.1991, 90/15/0123

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des N in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. GA 7 - 951/2/90, betreffend Haftung für Umsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß den §§ 9 und 80 BAO für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der A. GmbH (Umsatzsteuer 1984) im Betrage von S 212.390,50 zur Haftung heran.

In der gegen den Haftungsbescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, er habe mit dem zweiten Geschäftsführer der Gesellschaft, Gerhard K., eine Pflichtenaufteilung vereinbart, wonach der Letztere insbesondere die steuerrechtlichen Agenden der Gesellschaft wahrnehmen solle. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Gesellschaft sei auf unregelmäßige Besuche, Erörterung der Vertriebswege und Kontaktnahme mit Großkunden im Wiener Raum beschränkt gewesen. Erst im Jahr 1984 sei dem Beschwerdeführer die schlechte finanzielle Situation der Gesellschaft bekannt geworden, worauf er am erklärt habe, von der Geschäftsführung zurückzutreten. Über Anregung des zweiten Geschäftsführers sei es am zur amtswegigen Löschung der Gesellschaft gekommen; die Abgabenbehörden hätten sich nicht gegen die Löschung ausgesprochen. Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers liege nicht vor. Diesem sei auch die in Haftung gezogene Umsatzsteuerschuld nicht bekannt gewesen; sie habe ihm auch gar nicht bekannt sein können.

Das Finanzamt wies mit Berufungsvorentscheidung die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung wurde unter anderem dargelegt, es sei mehrmals erfolglos die zwangsweise Hereinbringung der Abgabenverbindlichkeit bei der Gesellschaft versucht worden. Dem Vorhalt, dem Finanzamt zu beweisen, daß die Abgabenschulden bei der Gesellschaft einbringlich seien, sei der Beschwerdeführer nicht nachgekommen.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen sein Berufungsvorbringen.

Im Berufungsverfahren forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, einen Nachweis für das Vorliegen der behaupteten Aufteilung der Agenden zwischen den Geschäftsführern vorzulegen. Der Beschwerdeführer äußerte sich dahingehend, daß ein schriftlicher Nachweis über die Ressortaufteilung in der Geschäftsführung nicht vorliege. Eine solche sei jedoch mündlich vereinbart worden. Als Beweismittel könne der Beschwerdeführer nur seine Einvernahme anbieten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung wird nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage ausgeführt, der Beschwerdeführer sei nicht imstande gewesen, einen Nachweis für das Vorliegen der von ihm behaupteten Aufteilung der Agenden zwischen den Geschäftsführern vorzulegen, weil er der belangten Behörde mitgeteilt habe, daß ein schriftlicher Nachweis nicht vorliege. Wenn er einräume, daß er die Firma lediglich gelegentlich besucht habe, da er in Klagenfurt eine andere Firma geleitet habe und ihm nicht einmal die Existenz einer Umsatzsteuerschuld der Gesellschaft bekannt gewesen sei, so diene dies keineswegs seiner Entlastung. Daraus könne vielmehr geschlossen werden, daß er die ihm obliegenden Pflichten eines Geschäftsführers nicht wahrgenommen habe. Auch bei einer Aufteilung der Agenden zwischen den Geschäftsführern, die im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen worden sei, sei es keineswegs so, daß sich ein Geschäftsführer nur auf sein eigenes Arbeitsgebiet beschränken dürfe und sich um die Tätigkeit des anderen Geschäftsführers gar nicht mehr zu kümmern brauche. Es obliege vielmehr auch im Falle einer Geschäftsverteilung jedem Geschäftsführer die Pflicht zur Überwachung des anderen. Die Gesellschaft habe im Zeitraum Jänner bis Oktober 1984 ausschließlich Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, die Guthaben ausgewiesen hätten. Ihre am für das Jahr 1984 abgegebene Umsatzsteuererklärung habe jedoch eine Restschuld von S 215.127,-- aufgewiesen. Da der Beschwerdeführer keine Gründe vorgebracht habe, die ihn hinsichtlich der Nichterfüllung der ihm obliegenden Pflichten entlastet hätten, habe das Finanzamt zu Recht angenommen, daß die Guthaben aus den Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum Jänner bis Oktober 1984 seitens der Gesellschaft zu Unrecht in Anspruch genommen worden seien.

Mit der vorliegenden Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfülllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Sachverhaltsannahme, die in Haftung gezogene Abgabe sei bei der Gesellschaft uneinbringlich. Er vertritt die Auffassung, die amtswegige Löschung der Gesellschaft (nach § 2 des Amtslöschungsgesetzes), die im übrigen auf Grund unrichtiger Angaben des zweiten Geschäftsführers erfolgt sei, sei für die Abgabenbehörden nicht bindend; die Uneinbringlichkeit sei vielmehr ungeachtet der Löschung der Gesellschaft von Amts wegen zu prüfen. Eine solche - insbesondere die Ergebnisse eines vom Beschwerdeführer geführten Rechnungslegungsprozesses einbeziehende Prüfung - hätte zu dem Ergebnis geführt, daß bei der Gesellschaft Vermögen vorhanden sei.

Ob die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides schon auf Grund der im März 1987 gemäß § 2 Amtslöschungsgesetz erfolgten Löschung der Gesellschaft von der Uneinbringlichkeit der in Haftung gezogenen Abgabe ausgehen durfte, kann im Beschwerdefall auf sich beruhen. Der Beschwerdeführer übersieht nämlich, daß bei der Gesellschaft bei mehreren Versuchen der zwangsweisen Einbringung der Abgabenschuld kein verwertbares Vermögen vorgefunden wurde. Dies wurde dem Beschwerdeführer auch mit der Berufungsvorentscheidung vorgehalten; dennoch hat er im gesamten Verfahren nicht dargelegt, auf welches Vermögen der Gesellschaft die Abgabenbehörde zur Hereinbringung der Abgabenschuld hätte greifen können. Nur der Vollständigkeit halber - einer Berücksichtigung dieses Vorbringens steht das Neuerungsverbot entgegen - ist darauf hinzuweisen, daß auch die Darlegungen des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit dem Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , nach dessen Feststellungen die Gesellschaft im Jahre 1985 einen LKW verkauft und eine Forderung eingezogen habe, und auch im Jahre 1986 noch Gegenstände des Anlagevermögens vorhanden gewesen seien, im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend sind, weil - was das Tatbestandsmerkmal der Uneinbringlichkeit betrifft - nicht die Vermögenslage der Gesellschaft in den Jahren 1985 und 1986, sondern die Uneinbringlichkeit der Abgabe im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden entscheidend ist.

Es war somit nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde von der Uneinbringlichkeit der Abgabe ausgegangen ist.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Heranziehung zur Haftung aber auch mit dem Argument, es könne ihm keine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden, weil er mit dem zweiten Geschäftsführer vereinbart habe, daß dieser die steuerrechtlichen Agenden der Gesellschaft alleine wahrzunehmen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zur Haftung bei einer Mehrheit von Geschäftsführern in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß bei Vorliegen einer Geschäftsverteilung die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit denjenigen Geschäftsführer trifft, der mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist. Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen. Dieser haftet jedoch selbst, wenn er eigene Pflichten dadurch grob verletzt, daß er es unterläßt, Abhilfe gegen Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten Bestellten zu schaffen. In einem solchen Fall könnte ihn nur entschuldigen, daß ihm die Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten aus triftigen Gründen unmöglich gewesen wäre (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 81/14/0083, 0169, vom , Zl. 81/15/0100, und vom , Slg. 6123/F).

Die belangte Behörde hat schon das Vorliegen einer Geschäftsverteilung, die die steuerlichen Angelegenheiten dem zweiten Geschäftsführer zugewiesen hätte, mit der Begründung verneint, der Beschwerdeführer habe erklärt, ein schriftlicher Nachweis liege nicht vor. Die belangte Behörde ist somit von der Auffassung ausgegangen, die Aufteilung der Geschäfte zwischen den Geschäftsführern einer GmbH sei an die Schriftform gebunden (bzw. sei nur bei Vorliegen eines schriftlichen Nachweises zu beachten). Für diese Auffassung findet sich jedoch kein Anhaltspunkt im Gesetz.

Zuständig für eine vom gesetzlichen Regelzustand abweichende Geschäftsverteilung unter den Geschäftsführern sind in erster Linie die Gesellschafter, welche darüber schon im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluß entscheiden können. Der Gesellschaftsvertrag kann aber die Geschäftsverteilungskompetenz auch einem anderen Gesellschaftsorgan, zum Beispiel dem Aufsichtsrat oder dem Geschäftsführerkollegium selbst zuordnen. Solange derartige Regelungen fehlen, sind die Geschäftsführer auch von sich aus befugt, die ihnen als Gesamtheit obliegenden Aufgaben untereinander (im Wege einer einstimmigen Beschlußfassung) aufzuteilen (Rowedder/Koppensteiner, GmbHG-Kommentar § 37, Rz 40 mwN; vgl. weiters Kastner-Doralt-Nowotny, Gesellschaftsrecht5 381 f, 103; Harrer, Haftungsprobleme bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung 94). Eine Formvorschrift für die erwähnte Beschlußfassung der Geschäftsführer kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Ebenso ist dem Gesetz eine Beweisregel fremd, wonach eine solche Beschlußfassung nur schriftlich nachgewiesen werden könnte. Die vom Beschwerdeführer behauptete Vereinbarung der Geschäftsführer, wonach der andere Geschäftsführer die steuerlichen Angelegenheiten wahrnehmen solle, ist somit nicht schon deshalb unbeachtlich, weil sie nicht schriftlich erfolgt bzw. mittels Urkunden nachgewiesen worden ist. Von ihrer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend hat es die belangte Behörde unterlassen, Erhebungen und Feststellungen darüber zu treffen, ob eine nach dem oben Gesagten wirksame Verteilung der Geschäfte unter die Geschäftsführer vorlag, die den Beschwerdeführer von der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten entbunden hat. Da auch die im folgenden erörterte Auffassung der belangten Behörde deren Standpunkt, es stehe eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beschwerdeführers fest, nicht zu tragen vermag, ist der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde hat überdies offenbar die Auffassung vertreten, der Beschwerdeführer hafte schon wegen eines Verstoßes gegen seine Überwachungspflichten, die durch das Vorliegen einer Geschäftsverteilung zwischen den Geschäftsführern unberührt bleiben. Darauf deuten die Ausführungen des angefochtenen Bescheides hin, es könne schon aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe die Gesellschaft nur gelegentlich besucht und die Umsatzsteuerforderung sei ihm nicht bekannt gewesen, geschlossen werden, daß er die ihm obliegenden Pflichten eines Geschäftsführers nicht wahrgenommen habe.

Wie schon oben dargelegt wurde, obliegt es auch dem Geschäftsführer, der durch die Geschäftsverteilung von der Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten entbunden worden ist, gegen Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung dieser Pflichten bestellten Abhilfe zu schaffen. Davon ausgehend trifft ihn auch eine Überwachungspflicht, deren Rahmen von den Umständen des Einzelfalles abhängt. Von den oben wiedergegebenen Darlegungen des Beschwerdeführers ausgehend steht jedoch im vorliegenden Fall noch nicht fest, daß - das Vorliegen der vom Beschwerdeführer behaupteten Geschäftsverteilung zwischen den Geschäftsführern unterstellt - der Beschwerdeführer gegen eigene Pflichten verstoßen hätte. Von einer solchen Pflichtverletzung könnte im Beschwerdefall insbesondere erst gesprochen werden, wenn dem Beschwerdeführer im haftungsrelevanten Zeitraum konkrete Anhaltspunkte für Pflichtverstöße des anderen Geschäftsführers vorgelegen wären und er nichts unternommen hätte, um Abhilfe zu schaffen. Eine haftungsrechtlich relevante Pflichtverletzung eines von den abgabenrechtlichen Pflichten entbundenen Geschäftsführers kann ferner in einer vorwerfbaren Unkenntnis von der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den anderen Geschäftsführer liegen. Derartiges, etwa die Unterlassung von Überprüfungen trotz eines konkreten Verdachtes in Richtung eines Verstoßes gegen abgabenrechtliche Pflichten oder die Außerachtlassung von Mindestzuständigkeiten (vgl. hiezu z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 81/14/0083, 0169, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen wird) wurde jedoch nicht festgestellt.

Der Vollständigkeit halber ist schließlich auf folgendes hinzuweisen: Dem angefochtenen Bescheid kann mangels einer Darstellung der Zusammensetzung der Umsatzsteuerschuld nicht entnommen werden, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer nur für jene Abgabenschuldigkeiten zur Haftung herangezogen hätte, die im haftungsrelevanten Zeitraum (nach den Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde bis zum ) zu entrichten gewesen wären. Die von der belangten Behörde angenommene Pflichtverletzung liegt, soweit dies dem angefochtenen Bescheid entnommen werden kann, in der Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen; diese könnten dem Beschwerdeführer - sofern sämtliche Voraussetzungen der Haftung vorliegen - nur soweit zur Last fallen, als sie bis zum zu entrichten gewesen wären.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Der Pauschbetrag für den Schriftsatzaufwand umfaßt auch die vom Beschwerdeführer gesondert begehrte Umsatzsteuer.