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VwGH vom 17.02.1992, 90/15/0100

VwGH vom 17.02.1992, 90/15/0100

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde des Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zl. 6/1 - 1081/89-02, betreffend Umsatzsteuer 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der Umsatzsteuererklärung, die die aus dem Beschwerdeführer (einem Rechtsanwalt) und zwei weiteren Rechtsanwälten gebildete Anwaltsgemeinschaft für das Jahr 1984 abgegeben hatte, waren steuerpflichtige Umsätze von S 2,541.975,14 ausgewiesen. Das Finanzamt setzte die Umsatzsteuer gegenüber der Anwaltsgemeinschaft erklärungsgemäß mit einer Gutschrift von S 8.694,-- fest.

Mit der von allen drei der Anwaltsgemeinschaft angehörenden Rechtsanwälten unterfertigten Eingabe vom teilten diese dem Finanzamt mit, "daß die bisher bestehende Gesellschaft nach bürgerlichem Recht zwischen den Anwälten Dr. B., Dr. S. und Dr. F. einvernehmlich per aufgelöst wurde. Ab üben alle drei genannten Anwälte ihre anwaltliche Tätigkeit als Einzelunternehmer aus."

Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung stellte der Prüfer fest, daß Rechtsanwalt Dr. F. am in die zwischen den beiden anderen Gesellschaftern bereits bestehende Rechtsanwaltsgemeinschaft als Gesellschafter eingetreten sei. Ein schriftlicher Vertrag könne nicht vorgelegt werden. Sämtliche Gesellschafter hätten angegeben, es sei mündlich vereinbart worden, daß jeder Mitunternehmer an der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht mit einem Drittel am Gewinn und am Betriebsvermögen beteiligt sei. Die Beendigung der Gesellschaft sei am erfolgt. Die Gesellschaft habe nach außen hin zu bestehen aufgehört. Die Gesellschafter hätten die Gesellschaftsrechte gegen Übernahme von Wirtschaftsgütern zurückgelegt. Jeder Rechtsanwalt sei als Einzelunternehmer tätig und habe jeweils seine Tätigkeit für die einzelnen, zuvor von der Anwaltsgemeinschaft geführten "Causen" fortgesetzt. Die Aufzeichnung der Einnahmen und Ausgaben werde von jedem Anwalt einzeln geführt. Die Übertragung des Betriebsvermögens an die Gesellschafter stelle eine Veräußerung im Rahmen des Unternehmens der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht dar. Das Entgelt bestehe in der Aufgabe der Gesellschaftsrechte. Der Wert des übertragenen Betriebsvermögens habe S 719.008,-- betragen.

Das Finanzamt nahm das Verfahren betreffend die Umsatzsteuer 1984 wieder auf und erließ einen neuen Sachbescheid, mit dem gegenüber der Anwaltsgemeinschaft eine Zahllast von S 140.983,-- festgesetzt wurde. In die Berechnungsgrundlagen der Umsatzsteuer wurde dabei unter anderem ein Entgelt von S 719.008,-- einbezogen.

Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandten sich die Mitglieder der Anwaltsgemeinschaft gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer von dem zuletzt erwähnten Entgelt. Sie führten aus, sie seien der Meinung, daß die Gesellschaft nicht aufgelöst, sondern in eine Regiegemeinschaft umgewandelt worden sei, da sie alle drei in den Räumlichkeiten der Kanzlei verblieben seien und lediglich die steuerliche Gemeinschaft aufgehoben worden sei. Die Nutzungsgemeinschaft insbesondere am gemeinschaftlichen Eigentum sei weiterhin aufrecht geblieben. Erst im Februar 1987 sei Rechtsanwalt Dr. F. aus den Kanzleiräumlichkeiten ausgezogen. Bezüglich seiner Miteigentumsanteile sei ein Rechtsstreit anhängig, was beweise, daß bisher das gesamte Betriebsvermögen nicht aufgeteilt worden sei. Es könne daher nicht davon gesprochen werden, daß eine Übertragung von Betriebsvermögen an die Gesellschafter durch die Gesellschaft stattgefunden habe. Es sei seinerzeit vereinbart worden, daß es nicht zu einer Realteilung bei Ausscheiden eines Gesellschafters oder Auflösung kommen solle, sondern zu einem Anwachsen der Anteile zum weiterverbleibenden Gesellschafter. Ziehe man analog die Regelung für die offene Handelsgesellschaft heran, könne daraus gesehen werden, daß es umsatzsteuerrechtlich im vorliegenden Fall nicht zur Auflösung des Unternehmens gekommen sei. Es sei für das Ausscheiden eines Gesellschafters bis eine Regelung des Anwachsens vorgesehen gewesen. Nicht einmal dieses Anwachsen sei bis eingetreten. Vielmehr sei lediglich eine Umwandlung der Gesellschaft durchgeführt worden. Zum sei keiner der Gesellschafter ausgeschieden.

Die belangte Behörde wies die Berufung als unbegründet ab. Begründend wies die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage darauf hin, daß die Mitglieder der seinerzeitigen Anwaltsgemeinschaft auf die Aufforderung, Umsatz- und Feststellungserklärungen betreffend die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht für die Jahre 1985 bis 1987 abzugeben, jeweils mit der Mitteilung reagiert hätten, daß die Kanzleigemeinschaft aufgelöst worden sei und daher keine Umsätze bzw. Gewinne mehr zu erklären hätte. Im Hinblick auf diese Erklärung und die mit Schreiben vom erfolgte Bekanntgabe der Auflösung durch alle drei ehemaligen Gesellschafter sei von der Auflösung der Gesellschaft auszugehen. In einem solchen Fall stelle der Übergang des Vermögens auf die Gesellschafter nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes einen umsatzsteuerbaren Vorgang dar. Die Auflösung einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht bedeute nämlich die Vollbeendigung des Gesellschaftsverhältnisses; die "societas" erlösche und wandle sich selbständig in eine einfache "communio", eine Gemeinschaft nach dem 16. Hauptstück des ABGB um, weil durch den Auflösungsakt zwar die Gesellschaft beendet werde, die Gütergemeinschaft aber fortdauere, bis auch sie durch Realteilung oder Naturalteilung ihr Ende finde. Dies entspreche auch der von den Mitgliedern der Gesellschaft selbst ausgeführten Sachverhaltsdarstellung, wonach nach Auflösung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts per ihre drei ehemaligen Mitglieder eine Nutzungs- bzw. Eigentumsgemeinschaft hinsichtlich der Wirtschaftsgüter der Kanzlei aufrechterhalten hätten. Bei diesen Gütern handle es sich nun nicht mehr um Betriebsvermögen der nicht mehr bestehenden Gesellschaft. Der in der Berufung erstmals behauptete Umstand, es sei vereinbart worden, daß es zu einem Anwachsen der Anteile zum weiterverbleibenden Gesellschafter kommen solle, habe im Falle der einvernehmlichen Beendigung einer aus drei Mitgliedern bestehenden Gesellschaft nach bürgerlichem Recht mangels eines verbleibenden Gesellschafters gar nicht zum Tragen kommen können. Vielmehr sei mit dem durch Verzicht der ehemaligen Gesellschafter erfolgten Erlöschen der Gesellschaftsrechte das nach der Aktenlage bis zum Streitjahr 1984 im wirtschaftlichen Eigentum der ehemaligen Gesellschaft stehende Betriebsvermögen auf die ehemaligen Gesellschafter übergegangen, was auch aus den für die folgenden Jahre von den ehemaligen Gesellschaftern als Einzelunternehmern eingereichten Steuererklärungen zu erkennen sei.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter der Voraussetzung, daß die Gemeinschaft mehrerer Anwälte (Anwaltsgemeinschaft) als solche nach außen in Erscheinung tritt und Leistungen erbringt, ist die Anwaltsgemeinschaft (und nicht die einzelnen Mitglieder) Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechtes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Slg. 5562/F). Mit "echten" Anwaltsgemeinschaften, die nach außen hin als Unternehmer auftreten, nicht zu verwechseln sind sogenannte Kanzleigemeinschaften (auch Regie- oder Kostengemeinschaften genannt), die nach außen hin nicht durch Erbringung von Leistungen in Erscheinung treten; hier ist nicht die Gemeinschaft als solche Unternehmer, sondern jedes einzelne Gemeinschaftsmitglied (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 2, Anm. 55).

Im Beschwerdefall ist nicht strittig, daß im Jahr 1984 zwischen dem Beschwerdeführer und zwei weiteren Rechtsanwälten eine "echte", das heißt als solche durch Erbringung von Leistungen nach außen hin in Erscheinung tretende Anwaltsgemeinschaft bestand. Ebensowenig ist strittig, daß nach dem keine durch Erbringung von Leistungen nach außen hin in Erscheinung tretende ("echte") Anwaltsgemeinschaft mehr bestand, sondern die Mitglieder der früheren Gemeinschaft jeweils als Einzelunternehmer in Erscheinung traten. Der Beschwerdeführer hatte weiters im Berufungsverfahren vorgetragen, daß die "Nutzungsgemeinschaft" am gemeinschaftlichen Eigentum weiter aufrecht geblieben sei.

Von diesem Sachverhalt ausgehend war die Auffassung der belangten Behörde, die zwischen dem Beschwerdeführer und zwei weiteren Rechtsanwälten bestehende "echte" Anwaltsgemeinschaft sei - wie dies ihre Mitglieder erklärt hatten und den für die Folgejahre abgegebenen Steuererklärungen zu entnehmen war - zum aufgelöst und das Betriebsvermögen auf die früheren Mitglieder übertragen worden, nicht rechtswidrig.

Die Auflösung einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht bedeutet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Slg. 3457/F, und vom , Zl. 1503/69) die Vollbeendigung des Gesellschaftsverhältnisses; die "societas" erlischt und wandelt sich - ein verbleibendes Vermögen betreffend - selbsttätig in eine einfache "communio", eine Gemeinschaft nach dem

16. Hauptstück des ABGB um, weil durch den Auflösungsakt zwar die Gesellschaft beendet wird, die Miteigentumsgemeinschaft aber fortdauert, bis auch sie durch Realteilung oder Naturalteilung ihr Ende findet. Die Übertragung des Betriebsvermögens an die Gesellschafter stellt eine Veräußerung im Rahmen des Unternehmens dar, wobei das Entgelt darin besteht, daß die Gesellschafter ihre Gesellschaftsrechte oder einen Teil derselben aufgeben (vgl. die bereits oben zitierte hg. Rechtsprechung und Kranich-Siegl-Waba, aaO, § 4 Anm. 268).

Die Beschwerde macht geltend, es sei zu keiner Geschäftsveräußerung im ganzen im Sinne des § 7 Abs. 5 (gemeint offenbar: § 4 Abs. 7) UStG gekommen. Es sei nämlich für das Ausscheiden eines Gesellschafters bis "eine Regelung des Anwachsens vergleichbar mit den Vorschriften des HGB" vorgesehen gewesen. Rechtsanwalt Dr. F. sei jedoch erst im Februar 1987 aus den Kanzleiräumlichkeiten ausgezogen. Bezüglich seiner "Betriebsanteile" sei ein Rechtsstreit anhängig, was beweise, daß bisher das Betriebsvermögen nicht aufgeteilt worden und "noch nicht angewachsen" sei. Dies sei im Abgabenverfahren nicht berücksichtigt worden.

Diese Darlegungen können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar findet zwischen der Gesellschaft und dem "zurückbleibenden Gesellschafter" kein steuerbarer Umsatz statt, wenn kraft gesellschaftsvertraglicher Regelung bei Ausscheiden eines Gesellschafters die Übernahme des Betriebsvermögens durch den Verbleibenden ohne besonderen Übertragungsakt erfolgt. Eine solche Regelung kann auch für den Fall des Ausscheidens mehrerer Gesellschafter bis auf einen aus einer mehrgliedrigen Gesellschaft getroffen werden: Die Gesellschaftsrechte wachsen sodann dem als Alleininhaber zurückbleibenden Gesllschafter als Gesamtrechtsnachfolger zu, ohne daß zwischen der Gesellschaft und ihm ein steuerbarer Umsatz stattfindet (vgl. z.B. Plückebaum-Malitzky, Umsatzsteuergesetz § 1, Rz 168 f).

Einen Sachverhalt, der nach den dargelegten Grundsätzen als Zuwachs der Gesellschaftsrechte an einen verbleibenden Gesellschafter, der das Unternehmen als Einzelunternehmen fortführt, infolge entsprechender gesellschaftsvertraglicher Regelung aufgefaßt werden könnte, hat der Beschwerdeführer jedoch nicht behauptet. Vielmehr hat er in der Berufung dargelegt, die Gesellschaft sei zum in eine Regiegemeinschaft umgewandelt worden, aus der keiner der Gesellschafter ausgeschieden sei. Diese seien in den Räumlichkeiten der Kanzlei verblieben; die "Nutzungsgemeinschaft insbesondere am gemeinschaftlichen Eigentum" sei weiterhin aufrecht geblieben. Diesen Sachverhaltsbehauptungen konnte keineswegs entnommen werden, daß im Zuge der - nach den eingangs dargelegten Grundsätzen die Auflösung der "echten" Anwaltsgemeinschaft darstellenden - "Umwandlung in eine Regiegemeinschaft" die wesentlichen Grundlagen des Unternehmens der Anwaltsgemeinschaft, zu denen insbesondere der Klientenstock gehörte, kraft gesellschaftsvertraglicher Regelung auf eines der Mitglieder der früheren Anwaltsgemeinschaft ohne besonderen Übertragungsakt übergegangen wären. Es war daher nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde auf das oben wiedergegebene Vorbringen nicht weiter eingegangen ist.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.