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VwGH 09.03.1995, 93/18/0114

VwGH 09.03.1995, 93/18/0114

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Norm
AZG §26 Abs1;
RS 1
Die nach § 26 Abs 1 AZG für jeden einzelnen Arbeitnehmer zu führenden Aufzeichnungen müssen auch die Einhaltung der Bestimmungen über die Ruhepausen und Ruhezeiten erkennen lassen. Daher können Aufzeichnungen, aus denen lediglich die in Stunden ausgedrückte Gesamtdauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer als Hilfsarbeiter an einzelnen Tagen ersichtlich ist, nicht als den Erfordernissen des § 26 Abs 1 AZG entsprechend angesehen werden.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie VwGH E 1991/07/24 91/19/0146 1
Normen
AZG §26 Abs1;
KJBG 1987 §26 Abs1 Z5;
RS 2
Auch die gemäß § 26 Abs 1 Z 5 KJBG 1987 zu führenden Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, daß dadurch eine Überwachung der Einhaltung der im AZG geregelten Angelegenheiten, zB also auch jener über die Ruhepausen und Ruhezeiten, möglich ist.
Normen
AZG §26 Abs1;
KJBG 1987 §26 Abs1 Z5;
VStG §5 Abs2;
RS 3
Enthalten die vom Beschuldigten vorgelegten Formulare keinerlei Hinweis, daß mit ihrer Verwendung der Aufzeichnungspflicht iSd § 26 Abs 1 Z 5 KJBG 1987 bzw des § 26 Abs 1 AZG entsprochen wurde, enthalten sie weiters keinerlei Hinweis auf amtlichen Ursprung oder amtliche Genehmigung und kann sich der Beschuldigte auch nicht auf eine diesbezügliche Auskunft eines zuständigen behördlichen Organs berufen, so kann ein allfälliger Rechtsirrtum des Beschuldigten über den Inhalt der von ihm zu führenden Aufzeichnungen nicht als entschuldbarer Rechtsirrtum angesehen werden.
Normen
AZG §26 Abs1;
KJBG 1987 §26 Abs1 Z5;
VStG §22;
RS 4
Bei Fehlen von Aufzeichnungen hinsichtlich mehrerer Arbeitnehmer liegt nur eine Übertretung des § 26 Abs 1 AZG vor (Hinweis E , 88/08/0087). Dieselben Erwägungen haben auch für die Übertretung des § 26 Abs 1 Z 5 KJBG 1987 zu gelten, wenn die dort genannten Aufzeichnungen hinsichtlich mehrerer Jugendlicher nicht geführt werden.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-04/22/00414/92, betreffend Einstellung eines Strafverfahrens wegen Übertretung des KJBG (mitbeteiligte Partei: K in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

I.

1. Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe als Arbeitgeber in der Zeit vom bis in seinem näher bezeichneten Betrieb in Wien für zwei namentlich genannte, bei ihm beschäftigte Jugendliche keine Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden geführt und dadurch zwei Übertretungen des § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG begangen. Über ihn wurden zwei Geldstrafen in der Höhe von je S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je zwei Tage) verhängt.

2. Mit Bescheid vom gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) der Berufung des Mitbeteiligten Folge, indem er das erstinstanzliche Straferkenntnis behob und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einstellte.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Mitbeteiligte habe nicht in Abrede gestellt, daß die von ihm hinsichtlich der beiden genannten Jugendlichen geführten Arbeitszeitaufzeichnungen insofern nicht dem Gesetz entsprochen hätten, als darin nicht die von den Jugendlichen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden explizit ausgewiesen seien. Das Vorliegen des objektiven Tatbestandes hinsichtlich der dem Mitbeteiligten zur Last liegenden Verwaltungsübertretungen sei demnach als erwiesen anzunehmen.

Der Mitbeteiligte habe jedoch glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung des § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG kein Verschulden treffe. Er sei hinsichtlich der von den genannten Jugendlichen geleisteten Arbeitszeit davon ausgegangen, daß diese stets der Normalarbeitszeit entspreche, und habe deshalb die Normalarbeitszeit in den genannten Aufzeichnungen ausgewiesen. Der Mitbeteiligte sei der Auffassung gewesen, daß er den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe, weil er sich auf Grund der weiten Verbreitung der von ihm hiezu verwendeten Formulare in der Friseurbranche darauf verlassen habe, daß diese Formulare den gesetzlichen Anforderungen entsprächen. Eine Sorglosigkeit des Mitbeteiligten sei nicht anzunehmen, weil von den genannten Jugendlichen ohnehin keine Überstunden hätten geleistet werden dürfen, sodaß die in den Aufzeichnungen ausgewiesenen Normalarbeitszeiten mit den von den Jugendlichen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden identisch seien.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Arbeit und Soziales gemäß § 9 Abs. 2 ArbIG 1974.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt. Der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

II.

1. Gemäß § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG hat das in jedem Betrieb, in dem Jugendliche beschäftigt sind, zu führende Verzeichnis Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung (§ 26 Abs. 1 des Arbeitszeitgesetzes) zu enthalten.

Nach § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz haben die Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung zu führen.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz müssen die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden (hinsichtlich der Dauer und der zeitlichen Lagerung) so beschaffen sein, daß dadurch eine Überwachung der Einhaltung der im Arbeitszeitgesetz geregelten Angelegenheiten, z.B. also auch jener über die Ruhepausen und die Ruhezeiten, möglich ist (siehe dazu unter anderem die Erkenntnisse vom , Zl. 91/19/0146, und vom , Zl. 90/19/0457, mwN). Dieselben Überlegungen gelten auch für die gemäß § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG zu führenden Aufzeichnungen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 91/19/0004, und vom , Zl. 91/19/0093).

3. Aufzeichnungen, die diesen Anforderungen entsprechen, wurden vom Mitbeteiligten nicht geführt. Die von ihm im Verwaltungsstrafverfahren vorgelegten Anwesenheitskarten enthalten keine Aufzeichnungen über den Beginn und das Ende der tatsächlichen Arbeitszeit sowie die zeitliche Lagerung der Ruhepausen und entsprechen schon deshalb nach dem zuvor Gesagten nicht § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG. Es bedarf daher keiner näheren Auseinandersetzung mit der im angefochtenen Bescheid geäußerten - mit den Denkgesetzen nicht vereinbaren - Auffassung, daß deshalb, weil die beiden Jugendlichen keine Überstunden hätten leisten dürfen, die in den Aufzeichnungen des Mitbeteiligten genannten Normalarbeitszeiten mit den von den Jugendlichen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden identisch seien.

4. Die Auffassung der belangten Behörde, der Mitbeteiligte habe im Hinblick auf die weite Verbreitung der von ihm verwendeten Formulare der Meinung sein dürfen, daß er seiner Aufzeichnungspflicht entspreche, vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Die vorgelegten Formulare enthalten keinerlei Hinweis, daß mit ihrer Verwendung der Aufzeichnungspflicht im Sinne des § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG bzw. des § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz entsprochen werde. Sie enthalten ferner keinerlei Hinweis auf amtlichen Ursprung oder amtliche Genehmigung. Der Mitbeteiligte hat sich auch nicht auf eine diesbezügliche Auskunft eines zuständigen behördlichen Organs berufen. Ein allfälliger Rechtsirrtum des Mitbeteiligten über den Inhalt der von ihm zu führenden Aufzeichnungen kann daher nicht als entschuldbarer Rechtsirrtum angesehen werden (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, unter E. Nr. 50-52 zu § 5 Abs. 2 VStG zitierte hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde hat insoweit die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Für das fortzusetzende Verfahren wird die belangte Behörde zu beachten haben, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Fehlen von Aufzeichnungen hinsichtlich mehrerer Arbeitnehmer nur eine Übertretung des § 26 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz vorliegt (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 88/08/0087, mwN). Dieselben Erwägungen haben auch für die Übertretung des § 26 Abs. 1 Z. 5 KJBG zu gelten, wenn die dort genannten Aufzeichnungen hinsichtlich mehrerer Jugendlicher nicht geführt werden.

Da im erstinstanzlichen Straferkenntnis das Ende der Tatzeit offenbar irrtümlich mit (statt richtig ) angegeben wurde, wird die belangte Behörde gleichfalls zu beachten haben.

Zusatzinformationen


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Normen
AZG §26 Abs1;
KJBG 1987 §26 Abs1 Z5;
VStG §22;
VStG §5 Abs2;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:1995:1993180114.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAE-52539