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VwGH vom 06.07.2006, 2002/15/0161

VwGH vom 06.07.2006, 2002/15/0161

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

2005/15/0038 E

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz, LL.M., über die Beschwerde der W S.N.C. in T, Italien, vertreten durch Mag. Dr. Michael Michor und Mag. Walter Dorn, Rechtsanwälte in 9500 Villach, Bahnhofstraße 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat I) vom , GZ. RV 671/1-8/02, betreffend Umsatzsteuer 1995 bis 1999, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt in T, Italien, ein Möbelhaus.

Mit Aufforderung vom hielt das Finanzamt einer im Familiennamen mit dem Namen der beschwerdeführenden Partei übereinstimmenden natürlichen Person vor, dass dem Finanzamt bekannt geworden sei, sie habe in Österreich Lieferungen an Privatpersonen ohne Unternehmereigenschaft bzw. sogenannte näher bezeichnete "Schwellenerwerber" getätigt. Diese Lieferungen würden als "Versandhandelslieferungen" gelten und seien ab dem Überschreiten der Lieferschwelle von 1,400.000 S jährlich in Österreich grundsätzlich der Umsatzsteuer zu unterziehen. Die natürliche Person werde daher ersucht, ihre Umsätze an Privatpersonen und Schwellenerwerber in Österreich ab dem Jahr 1995 "bis dato (mutmaßliche Umsätze im laufenden Jahr)" bekannt zu geben. Im Falle des Überschreitens der Lieferschwelle würden ihr Abgabenerklärungen zugesandt werden.

Die beschwerdeführende Partei antwortete mit Schriftsatz vom , dass die Voraussetzung einer Versandhandelslieferung die Beförderung oder Versendung eines Gegenstandes durch den Lieferer selbst oder einen von ihm beauftragten Dritten aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates sei. Abholfälle würden ausscheiden. Eine Abholung liege stets dann vor, wenn der Gegenstand durch den Abnehmer oder durch seinen Beauftragten, d.h. somit im Namen und für Rechnung des Abnehmers, befördert werde. Somit sei maßgebend, wer im Außenverhältnis den Transportauftrag erteile. Die beschwerdeführende Partei habe im betreffenden Zeitraum "1995 bis dato" keine derartigen Versendungslieferungen nach Österreich getätigt. Die Ware sei ausschließlich am Sitz und Ort des Möbelhauses in T übergeben worden. Als Nachweis legte die beschwerdeführende Partei neben einer Erklärung (die auf Grund einer Anfrage der österreichischen Finanzverwaltung am bei der italienischen Abgabenverwaltung zu Protokoll gegeben worden sei), dass die beschwerdeführende Partei keine der Binnenmarktregelung unterliegende Versandhandelslieferungen im Zeitraum 1995 bis 1997 getätigt habe, und einer Erklärung, dass alle Umsätze an private Abnehmer (auch an mögliche österreichische Abholer) rechtmäßig der italienischen Umsatzsteuer unterworfen worden seien, eine Kopie eines Rechnungsvordruckes vor, welcher auf der Vorderseite die Verkaufsbedingungen enthalte. Danach werde die Ware "frei Geschäft T" zur Verfügung gestellt und übergeben und im Anforderungsfall des Käufers erfolge die Lieferung bzw. der Transport der Ware im Namen und für Rechnung des Käufers, auf sein Risiko, seine Gefahr und seine Kosten.

In den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten befindet sich weiters ein Schreiben der Regionaldirektion (der italienischen Finanzverwaltung) in Triest an das italienische Finanzministerium vom , welches nach einer "inoffiziellen Arbeitsübersetzung" des Bundesministeriums für Finanzen in Wien auf Grund eines Auskunftersuchens der österreichischen Finanzverwaltung ergehe und womit das Ergebnis von Feststellungen übermittelt werde. Danach habe die beschwerdeführende Partei keinerlei Verkäufe im Wege von Anschreiben, über Kataloge oder Ähnliches, weder in Italien noch im Ausland durchgeführt. Die Verkäufe würden ausschließlich im Lande selbst im Wege über den Geschäftsverkauf in T durchgeführt werden. Die Lieferungen würden dabei nur mit betriebseigenen Mitteln am Wohnsitz der Kunden durchgeführt werden. Die beschwerdeführende Partei bediene sich dabei weder einer Handelsagentur noch einer anderen wirtschaftlichen Einheit (Organisation). "Die Aufstellung der Gesamtbeträge pro Jahr der Geschäfte, die an österreichische Privatkunden auf Basis eines Kassenbeleges mit Angabe der Gesamtumsatzsteuer durchgeführt" worden seien, "belaufe" sich auf ein "Ergebnis", das sich aus auf die Jahre 1995 bis 1997 und nach den Steuersätzen aufgegliederte näher angeführten Beträge der Bemessungsgrundlage in Lire zusammensetze.

Das Finanzamt setzte mit Bescheiden vom die Umsatzsteuer für die Jahre 1995 bis 1997 fest und ging dabei von einer Bemessungsgrundlage von 77,698.191 S 1995), 64,342.058 S 1996) und 55,785.313 S 1997) aus. Eine Versandhandelslieferung liege nach Ansicht des Finanzamtes deshalb vor, weil die Möbellieferungen an österreichische Privatpersonen durch Arbeitnehmer der beschwerdeführenden Partei mittels Fahrzeugen der beschwerdeführenden Partei, konkret unter anderem durch C.C. mit dem Fahrzeug UD ..., ohne Aufpreis erfolgten und somit die Beförderung der Ware an den Zielort in Österreich durch den Lieferer selbst durchgeführt werde.

Die beschwerdeführende Partei berief gegen diese Bescheide. Sie führe in T ein Möbelhaus, das auch von österreichischen Konsumenten im Rahmen ihrer Italienaufenthalte bzw. Besuche für Einkäufe aufgesucht werde. Sie habe vor allem kurz nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union verstärkte Umsätze durch österreichische Konsumenten registriert. Die Waren seien jeweils von den Käufern im Möbelhaus in T erworben, bezahlt und mitgenommen worden. In dieser ersten Phase bis etwa Ende 1997 seien Zustellungen der Waren nach Österreich durch die beschwerdeführende Partei jedoch nur in wenigen Ausnahmefällen und in einer Größenordnung erfolgt, die den jährlichen Lieferschwellenwert von etwa 1,400.000 S nicht erreicht hätten. Dabei sei die Zustellung der Waren im Namen und für Rechnung des Käufers, auf sein Risiko und auf seine Gefahr erfolgt. In der Folge hätten die Umsätze mit österreichischen Kunden etwas nachgelassen, sodass die beschwerdeführende Partei Annoncen in Österreich in Printmedien geschaltet und dabei auch die Lieferung und Montage der Waren angeboten habe. Verkäufe im Wege von Anschreiben, über Kataloge und Ähnliches seien weder in Italien noch im Ausland erfolgt. Die Anbahnung der Verkaufsgeschäfte habe ausschließlich immer im Möbelhaus in T stattgefunden. Nach Wiederholung der Ausführungen im Schriftsatz vom führte die beschwerdeführende Partei aus, dass das Finanzamt in den bekämpften Bescheiden als Bemessungsgrundlage jene Beträge herangezogen habe, die das italienische Finanzministerium im Auskunftsersuchen für Geschäfte bekannt gegeben habe, die an österreichische Privatkunden auf Basis eines Kassenbeleges mit Angabe der Gesamtumsatzsteuer durchgeführt worden seien und somit nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei eben keine Versandhandelslieferungen darstellen. Alle Geschäfte mit privaten österreichischen Kunden seien im Zeitraum vom bis der italienischen Umsatzsteuer unterworfen worden, Versandhandelslieferungen lägen nicht vor. Nach der bereits dem Finanzamt übermittelten Kopie eines Rechnungsvordruckes und den darin aufgeführten Verkaufsbedingungen würden die Waren "frei Geschäft T" zur Verfügung gestellt und übergeben und im Anforderungsfall des Käufers die Lieferung bzw. der Transport der Ware im Namen und auf Rechnung des Käufers, auf sein Risiko, seine Gefahr und seine Kosten übernommen. Dass - für den Fall der Zustellung - sodann Transportkosten aus Gründen der Verkaufsförderung nicht gesondert in Rechnung gestellt würden, ändere nichts an der Übergabe und Übernahme der Ware im Möbelhaus in T, zumal die Ware fast ausnahmslos auch immer im Geschäft in T von österreichischen Kunden bezahlt worden sei. Die Waren würden tatsächlich in etwa 98 % der Fälle im Geschäft in T erworben und vom Kunden nach Österreich selbst mitgenommen und in den im Verhältnis zum Gesamtumsatz wenigen Fällen der Zustellung auch immer im Geschäft ausgesucht, dort bezahlt und danach im Auftrag und im Namen und für Rechnung des Käufers nach Österreich gebracht. Selbst wenn das Finanzamt von der von der beschwerdeführenden Partei bestrittenen Annahme ausginge, dass die Zustellfälle in der genannten Art und Weise eine Versandhandelslieferung darstellten, könne eine Umsatzsteuerpflicht in Österreich nicht entstehen, weil die Lieferschwelle von 1,400.000 S in den betreffenden Jahren 1995 bis 1997 bei weitem nicht erreicht worden sei. Der größte Teil der in den italienischen Amtshilfeersuchen dargestellten Umsätze würde Bargeschäfte und echte Abholfälle ohne Zustellung darstellen. Nur in wenigen Ausnahmefällen sei in diesem Zeitraum zugestellt worden, ohne dass die Lieferschwelle überschritten worden sei. Erst ab dem Jahr 1998 sei in etwas größerem Umfang auch zugestellt worden; von diesen Zustellungen würde jedoch ein nicht unwesentlicher Teil auf den süddeutschen Raum entfallen.

Mit Vorhalt vom setzte das Finanzamt die beschwerdeführende Partei davon in Kenntnis, dass es beabsichtige, die Berufung vollinhaltlich abzuweisen. Für alle Geschäftsfälle, bei denen Waren mit Fahrzeugen der beschwerdeführenden Partei von Italien nach Österreich an nicht voll zum Vorsteuerabzug berechtigte Abnehmer gebracht worden seien, sei in Österreich Umsatzsteuer zu bezahlen. Wo die Geschäftsanbahnung und die Bezahlung erfolgt sei, ob für den Transport und die Montage der Möbel ein zusätzliches Entgelt verlangt werde und ob die Zustellung auf Risiko des Kunden erfolgt sei, sei ohne Belang. Aus dem Schreiben der regionalen Finanzdirektion in Triest vom an das italienische Finanzministerium gehe für das Finanzamt eindeutig hervor, dass der Transport der Waren durch Fahrzeuge und Dienstnehmer der beschwerdeführenden Partei erfolgt sei und dass die im Schreiben angeführten Beträge, die das Finanzamt der Besteuerung zugrundegelegt habe, nur solche Umsätze beträfen, welche einen Versandhandel darstellten.

Mit Schriftsatz vom erläuterte die beschwerdeführende Partei, dass nach einem dem Schriftsatz angeschlossenen Schreiben der regionalen Finanzdirektion in Triest vom die getätigten Umsätze gegenüber privaten Österreichern in Italien der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Zu den Bemessungsgrundlagen führte die beschwerdeführende Partei - unabhängig zur aus der Besteuerung derselben Umsätze in beiden Mitgliedstaaten entstandenen Konfliktsituation - aus, dass die Bemessungsgrundlagen lediglich 11,654.728,73 S (für 1995), 9,651.308,80 S (für 1996) und 8,367.797,02 S (für 1997) ausmachten. Die vom Finanzamt für die Bemessungsgrundlagen herangezogenen Beträge seien dem an das italienische Finanzministerium gerichteten Schreiben vom entnommen und würden Umsätze an alle privaten Personen in den EU-Mitgliedstaaten, vor allem auch nach Deutschland, und auch die Abholfälle enthalten. Weiters übermittelte die beschwerdeführende Partei Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1998 und 1999, in welchen keine Umsätze angeführt worden sind. Zur Information gab die beschwerdeführende Partei im erwähnten Schriftsatz jedoch die Umsätze an private Österreicher mit Zustellung nach Österreich für die beiden Jahre 1998 und 1999 in Lire bekannt, welche umgerechnet 8,020.250 S (für 1998) und 7,536.395 S (für 1999) betragen hätten.

Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für 1998 und 1999 fest und ging dabei für 1998 von einer Bemessungsgrundlage von 8,020.250 S und für 1999 von 7,536.395 S aus. In der (gesonderten) Begründung der Bescheide stützte sich das Finanzamt darauf, dass maßgeblich für einen Versandhandel allein die Warenbewegung von Italien nach Österreich bei Beförderung durch den Lieferer, nicht die Art oder der Ort der Geschäftsanbahnung sei. Die Bemessungsgrundlagen seien dem Schreiben der beschwerdeführenden Partei vom entnommen worden.

Auch dagegen berief die beschwerdeführende Partei und verwies im Wesentlichen auf ihre Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1995 bis 1997.

In den vorgelegten Verwaltungsakten ist eine Arbeitsübersetzung eines Schreibens des italienischen Finanzministeriums an das Bundesministerium für Finanzen in Wien vom enthalten, wonach "das zuständige Amt" spezifische Überprüfungen veranlasst habe, um die Verkaufsmodalitäten der beschwerdeführenden Partei festzustellen. Dabei habe sich herausgestellt, dass weder ein Katalog für den Versandhandel der Möbel vorbereitet worden sei, noch dass das Unternehmen die Montage der Möbel durchführe, sondern dass die Lieferung in einigen Fällen an den Wohnsitz des Abnehmers ausgeführt werde und dass die Verkäufe in Italien am Geschäftsort in T durch Bestellungen durchgeführt worden seien, die bei deren Abfassung unterzeichnet oder vom österreichischen Abnehmer mittels Fax zur Auftragsbestätigung zurückgesendet worden seien. Daher gehe das italienische Finanzministerium davon aus, dass die von der beschwerdeführenden Partei durchgeführten Lieferungen an österreichische Privatpersonen in Italien der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind.

Mit Berufungsvorentscheidungen vom gab das Finanzamt der Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1995 bis 1997 (teilweise) statt und verringerte die zugrundegelegten Bemessungsgrundlagen auf 11,654.728,73 S 1995), 9,651.308,80 S 1996) und 8,367.792,02 S 1997). Hinsichtlich der Jahre 1998 und 1999 setzte das Finanzamt - ungeachtet des Spruchs, dass der Berufung stattgegeben werde - die Umsatzsteuer im selben Betrag fest wie mit den bekämpften Bescheiden. In der (gesonderten) Begründung zu diesen Bescheiden führte das Finanzamt aus, die durch die unterschiedliche Auslegung der Umsätze der beschwerdeführenden Partei in Italien und in Österreich entstandene Doppelbesteuerung sei anhand der

6. Mehrwertsteuerrichtlinie zu entscheiden. Ein Vorabentscheidungsverfahren könne das Finanzamt jedoch nicht "in Gang" setzen. Hinsichtlich der Jahre 1995 bis 1997 seien die in der Berufung angesetzten Zahlen zur Höhe der Bemessungsgrundlage herangezogen worden.

Im dagegen erhobenen Vorlageantrag wies die beschwerdeführende Partei auf ihre Berufungsausführungen hin, dass sie im Zeitraum 1995 bis 1999 ihrer Ansicht nach keine der Binnenmarktregelung unterliegenden Versandhandelslieferungen getätigt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung betreffend die Umsatzsteuerbescheide 1995 bis 1997 teilweise Folge und verwies auf die entsprechenden Berufungsvorentscheidungen; die Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide 1998 und 1999 wies die belangte Behörde als unbegründet ab.

Strittig sei im Verfahren, ob die von der beschwerdeführenden Partei getätigten Umsätze - die Höhe der Umsätze sei unbestritten -

zufolge der Bestimmungen des UStG über den Versandhandel im Inland der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Nach Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 gelte die Lieferung nach Maßgabe der Abs. 4 bis 7 dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung ende, wenn bei einer Lieferung der Gegenstand durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet werde. Gemäß Art. 3 Abs. 5 leg. cit. in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung müsse der Gesamtbetrag der Entgelte, der den Lieferungen in den jeweiligen Mitgliedstaat zuzurechnen sei, bei dem Lieferer im vorangegangenen oder voraussichtlich im laufenden Kalenderjahr die maßgebliche Lieferschwelle von 1,400.000 S übersteigen. Während der für die grundsätzliche Anwendbarkeit der Versandhandelsregelung erforderliche Abnehmerkreis - im Beschwerdefall Privatpersonen - und die Überschreitung der Lieferschwelle unbestritten seien, herrsche Streit darüber, wie das Tatbestandsmerkmal "Beförderung bzw. Versendung des Liefergegenstandes durch den liefernden Unternehmer" auszulegen sei. Die Versandhandelsregelung finde keine Anwendung, wenn der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung selbst abhole (persönlich oder durch eine unselbständigen Beauftragten) oder abholen lasse. Abholung liege stets vor, wenn der Gegenstand durch den Abnehmer oder durch seinen Beauftragten, d. h. somit im Namen und für Rechnung des Abnehmers, befördert werde.

Sowohl aus dem über Ersuchen der österreichischen Finanzverwaltung ergangenen Antwortschreiben der Regionaldirektion des italienischen Finanzministeriums vom als auch aus den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei in der Berufung gehe hervor, dass der Transport der Liefergegenstände nach Österreich mit Kraftfahrzeugen der beschwerdeführenden Partei - "betriebseigene Mittel" - bewerkstelligt werde. Selbst wenn - wie in der Berufung behauptet - der vom Abnehmer erwünschte Transport nach Österreich auf sein Risiko und seine Gefahr erfolge, weil der Gefahrenübergang auf Grund der Verkaufsbedingung "frei Geschäft T" in Italien anzunehmen sei, ändere dies nichts an der Beurteilung. Entscheidend für die Anwendung der Versandhandelsregelung sei unter anderem die Tatsache, dass der liefernde Unternehmer die Beförderung oder Versendung veranlasst habe. Wenn die beschwerdeführende Partei dem Kundenwunsch auf Transport des Gegenstandes nach Österreich dadurch nachkomme, dass sie den Transport mit unternehmenseigenen Kraftfahrzeugen bewerkstellige, dann sei ihr die Beförderung auch zuzurechnen. Ein die Versandhandelsregelung ausschließender Abholfall würde nur dann vorliegen, wenn der Abnehmer den Gegenstand selbst abhole (persönlich oder durch einen unselbständigen Beauftragten) oder abholen lasse (z.B. Spediteur). Da der Transportvorgang über Wunsch des Abnehmers aber vom liefernden Unternehmer selbst veranlasst werde, ist dieser ihm zuzurechnen und diene der Erfüllung des Umsatzgeschäftes. In diesem Zusammenhang sei auch zu bemerken, dass die beschwerdeführende Partei dem Kunden tatsächlich auch keine gesonderten Transportkosten in Rechnung stelle. Auf welche Art und Weise die dem Umsatz zugrundeliegende Vereinbarung über die Lieferung eines bestimmten Gegenstandes zu Stande komme, sei für die Anwendung der Versandhandelsregelung ohne rechtliche Bedeutung. Auch der von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführte Umstand, dass der Liefergegenstand im Möbelhaus in T übergeben und vom Abnehmer übernommen werde, zumal auch die Bezahlung fast ausnahmslos im Geschäft erfolge, vermöge keine Änderung in der Beurteilung zu bewirken, weil derartige Umstände nichts darüber aussagen, von wem der für die Beurteilung entscheidende Transportvorgang veranlasst worden sei. Die Frage, ob der Abnehmer die Gefahr des Untergangs der Ware auf dem Transportweg trage, erübrige sich, weil der Transport mit den unternehmenseigenen Kraftfahrzeugen der beschwerdeführenden Partei wirtschaftlich jedenfalls ihr zuzurechnen sei. Diese Beurteilung stehe nach Ansicht der belangten Behörde auch im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach Art. 8 Abs. 1 Buchstabe a der 6. Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (6. Mehrwertsteuer-Richtlinie, im Folgenden: 6. MwSt-RL) gilt als Ort der Lieferung für den Fall, dass der Gegenstand vom Lieferer, vom Erwerber oder von einer dritten Person versandt oder befördert wird, der Ort, an dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befindet.

Abweichend von Art. 8 Abs. 1 Buchstabe a gilt gemäß Art. 28b Teil B Abs. 1 der 6. MwSt-RL als Ort einer Lieferung von Gegenständen, die durch den Lieferer oder für dessen Rechnung von einem anderen Mitgliedstaat als dem der Beendigung des Versands oder der Beförderung aus versandt oder befördert werden, der Ort, an dem sich die Gegenstände bei Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Käufer befinden, sofern weitere, für den Rechtsstreit im Beschwerdefall nicht strittige Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.

Handelt es sich bei den gelieferten Gegenständen jedoch um nicht verbrauchsteuerpflichtige Waren, so gilt nach Art. 28b Teil B Abs. 2 der 6. MwSt-RL (für das Streitjahr 1999: idF des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro, ABlEG Nr. L 162 vom ) Art. 28b Teil B Abs. 1 nicht für Lieferungen von Gegenständen, die in ein und dem selben Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung versandt oder befördert werden, wenn


Tabelle in neuem Fenster öffnen
-
der Gesamtbetrag dieser Lieferungen - ohne Mehrwertsteuer - im laufenden Kalenderjahr den Gegenwert von 100.000 ECU in Landeswährung (für 1999: 100.000 Euro) nicht überschreitet und
-
der Gesamtbetrag - ohne Mehrwertsteuer - der gemäß Abs. 1 vorgenommenen Lieferung von anderen Gegenständen als verbrauchsteuerpflichtigen Waren im vorangegangenen Kalenderjahr den Gegenwert von 100.000 ECU in Landeswährung (für 1999: 100.000 Euro) nicht überschritten hat.
Der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet sich die Gegenstände bei Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Käufer befinden, kann die vorgenannten Schwellen auf den Gegenwert von 35.000 ECU in Landeswährung (für 1999: 35.000 Euro) begrenzen, falls dieser Mitgliedstaat befürchtet, dass die Schwelle von 100.000 ECU (für 1999: 100.000 Euro) zu schwerwiegenden Wettbewerbsverzerrungen führt.
Nach Art. 28b Teil B Abs. 3 der 6. MwSt-RL räumt der Mitgliedstaat, in dessen Gebiet sich die Gegenstände bei Beginn des Versands oder der Beförderung befinden, den Steuerpflichtigen, auf deren Lieferungen die Bestimmungen des Abs. 2 gegebenenfalls Anwendung finden, das Recht ein, sich dafür zu entscheiden, dass der Ort dieser Lieferungen gemäß Abs. 1 bestimmt wird.
Art. 28b der 6. MwSt-RL wurde durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom in die 6. MwSt-RL eingefügt. Rat und Kommission erklärten für das Ratsprotokoll zu Art. 1 Nr. 22 der Richtlinie 91/680/EWG betreffend Art. 28b Teil B der 6. MwSt-RL, dass die Sonderregelung für Fernverkäufe in allen Fällen zur Anwendung gelangt, in denen die Gegenstände direkt oder indirekt vom Lieferer oder in dessen Auftrag versandt bzw. befördert werden.
Nach Art. 3 Abs. 3 UStG 1994 gilt in Fällen, in denen bei einer Lieferung der Gegenstand durch den Lieferer oder einen von ihm beauftragten Dritten aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet wird, die Lieferung nach Maßgabe der Abs. 4 bis 7 dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung endet.
Nach Art. 3 Abs. 5 UStG 1994 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Stammfassung musste der Gesamtbetrag der Entgelte, der den Lieferungen in den jeweiligen Mitgliedstaat zuzurechnen ist, bei dem Lieferer im vorangegangenen oder voraussichtlich im laufenden Kalenderjahr die maßgebende Lieferschwelle übersteigen. Maßgebende Lieferschwelle war im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Inland der Betrag von 1,400.000 S.
Wird die maßgebliche Lieferschwelle nicht überschritten, so gilt nach Art. 3 Abs. 6 UStG 1994 idF des BG BGBl. Nr. 756/1996 die Lieferung auch dann am Ort der Beendigung der Beförderung oder Versendung als ausgeführt, wenn der Lieferer auf die Anwendung des Abs. 5 verzichtet. Der Verzicht ist dem Finanzamt gegenüber innerhalb der Frist zur Abgabe der Voranmeldung für den Voranmeldungszeitraum eines Kalenderjahres schriftlich zu erklären, in dem erstmals eine Lieferung im Sinne des Abs. 3 getätigt worden ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen hat, muss die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Behörde die Einreihung des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Zentrales Begründungselement eines Bescheides ist dabei die zusammenhängende Sachverhaltsdarstellung, worin nicht etwa die Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens einschließlich des Vorbringens des Abgabepflichtigen, sondern die Anführung jenes Sachverhaltes gemeint ist, den die belangte Behörde als Ergebnis ihrer Überlegungen zur Beweiswürdigung als erwiesen annimmt (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom , 94/13/0200, und etwa das hg. Erkenntnis vom , 2001/14/0224).
Die Begründung des angefochtenen Bescheides entspricht diesen Anforderungen nicht. Sie lässt nicht erkennen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde. Die belangte Behörde beschränkte sich darauf - in rechtliche Ausführungen eingestreut - sachverhaltsmäßig anzuführen, dass "der Transport der Liefergegenstände nach Österreich mit Kraftfahrzeugen der Bw. - betriebseigene Mittel - bewerkstelligt wird". Wenn die beschwerdeführende Partei nun dem Kundenwunsch auf Transport des Gegenstandes nach Österreich dadurch nachkomme, dass sie den Transport mit unternehmenseigenen Kraftfahrzeugen bewerkstellige, sei ihr die Beförderung auch zuzurechnen. Da der Transportvorgang über Wunsch des Abnehmers vom liefernden Unternehmer selbst veranlasst werde, sei ihm dieser zuzurechnen und diene der Erfüllung des Umsatzgeschäftes. Die Beschwerdeführerin habe den Kunden tatsächlich keine gesonderten Transportkosten in Rechnung gestellt. Andererseits führte die belangte Behörde an, der von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführte Umstand, dass der Liefergegenstand im Möbelhaus in T übergeben und vom Abnehmer übernommen werde, zumal auch die Bezahlung fast ausnahmslos im Geschäft erfolge, vermöge keine Änderung in der Beurteilung zu bewirken, weil derartige Umstände nichts darüber aussagten, von wem der für die Beurteilung entscheidende Transportvorgang veranlasst worden sei.
Die - von der beschwerdeführenden Partei nicht bestrittene - Verwendung von Fahrzeugen der beschwerdeführenden Partei allein lässt mehrere Sachverhaltskonstellationen zu, die zu unterschiedlichen rechtlichen Beurteilungen führen können. Einerseits könnte eine "klassische" Zustellung von Waren an die gewünschte Anschrift in Österreich unmittelbar durch die beschwerdeführende Partei gegeben sein, wenn der Käufer bei Abschluss des Kaufvertrages diese Lieferbedingung mit der beschwerdeführenden Partei vereinbart. Andererseits wäre es denkbar, dass die beschwerdeführende Partei den Käufern ihre Fahrzeuge zum Zweck der Beförderung zur Verfügung stellt und die Beförderung durch sie oder ihr zurechenbare Personen durchgeführt wird. Schließlich ist auch möglich, dass die beschwerdeführende Partei dem jeweiligen Käufer das Fahrzeug zur Verfügung stellt und dieser - nach Übernahme der Gegenstände in T., Italien - die Beförderung vornimmt.
Nach den Ausführungen im hg. Erkenntnis vom , 2003/15/0014, kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, wer den Transport organisiert hat und auf wessen Initiative dies zurückzuführen ist.
Zur rechtlichen Beurteilung sind im Beschwerdefall daher Sachverhaltsfeststellungen unentbehrlich, wie die in Rede stehenden Verkäufe tatsächlich abgewickelt wurden und die Transporte zu Stande gekommen sind.
Zuzustimmen ist der belangten Behörde allerdings, dass der Ort der Bezahlung der Geschäfte genauso wenig erheblich ist, wie die Frage, ob der Abnehmer die Gefahr des Unterganges der Ware auf dem Transportweg trägt (zu letzterem siehe das insoweit maßgebende (EMU) sowie das hg. Erkenntnis vom , 2003/15/0014).
Für das fortgesetzte Verfahren sei angemerkt, dass die belangte Behörde für das Streitjahr 1995 sämtliche von ihr als Versandhandelsfälle angesehene Umsätze der Besteuerung unterworfen hat. Ein Verzicht der beschwerdeführenden Partei iSd Art. 3 Abs. 6 UStG 1994 ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Für den Fall, dass die Voraussetzungen der Versandhandelsregelungen gegeben sein sollten, wird zu beachten sein, dass im Jahr 1994 keine vergleichbaren Umsätze möglich waren, weil die dabei erfolgten Beförderungen nach Österreich damals noch nicht zwischen Mitgliedstaaten der EU stattgefunden haben, sondern Aus- und Einfuhren darstellten, weshalb die im Jahr 1995 erzielten Umsätze erst dann in Österreich der Steuerpflicht unterlagen, sobald in jenem laufenden Jahr die Lieferschwelle von 1,400.000 S überstiegen wurde. Eine rückwirkende Anwendung des Art. 28b Teil B Abs. 1 der 6. MwSt-RL ab dem Beginn des Kalenderjahres, in dem die Lieferschwelle überstiegen wird, kam nicht in Betracht. Unbeschadet der (auch) für das Streitjahr 1995 geltenden Stammfassung des Art. 3 Abs. 5 UStG 1994 wären jene Umsätze des Jahres 1995, die vor Überschreiten der Lieferschwelle erzielt worden sind, nicht der Versandhandelsregelung zu unterziehen (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom ).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am