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VwGH vom 23.02.1996, 93/17/0200

VwGH vom 23.02.1996, 93/17/0200

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerden 1. des S und 2. des P, beide in P, beide vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. II/1-BE-337-13-93, betreffend Lustbarkeitsabgabe (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Guntramsdorf, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Gesellschafter einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, welche unter der Bezeichnung "FREELIFE BUNGY-JUMPING TS Ges.n.b.R." nach außen hin auftritt.

Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde der "Firma free-life Bungy Jumping TS Ges.m.b.H." für an datumsmäßig näher bezeichneten Tagen durchgeführte "Bungy-Jumping-Sprungveranstaltungen" gemäß "§ 21 des Niederösterreichischen Lustbarkeitsabgabegesetzes, LGBl. 3703, in der geltenden Fassung, und der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Guntramsdorf vom ", S 133.650,-- an Lustbarkeitsabgabe vor. Dieser Bescheid wurde beiden Beschwerdeführern zugestellt.

Dagegen richtete sich eine vom Erstbeschwerdeführer namens der "Freelife-Bungy Jumping TS Ges.n.b.R." erhobene Berufung. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde wies mit dem an die "Firma free-life Bungy Jumping TS Ges.m.b.H."

adressierten Bescheid vom "deren" Berufung ab. Zustellnachweise befinden sich nicht im Akt.

Gegen diesen Bescheid erhob die "TS Ges.n.b.R.", vertreten durch beide Beschwerdeführer, Vorstellung. Darin wurde - neben Argumenten gegen die inhaltliche Richtigkeit der Abgabenvorschreibung durch die Gemeindebehörden - vorgebracht, daß eine Firma "TS Ges.m.b.H.", an welche sich der Berufungsbescheid gerichtet habe, gar nicht existiere. Die Vorstellungswerberin "TS Ges.n.b.R." vertrete daher primär die Auffassung, die Bescheide der Gemeindebehörden seien gegen sie gar nicht ergangen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung "der TS Ges.n.b.R." gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom als unbegründet ab. Dem Vorbringen in der Vorstellung, wonach in den Bescheiden der Gemeindebehörden der Bescheidadressat falsch bezeichnet worden sei, hielt die Vorstellungsbehörde entgegen, daß dieser Mangel gemäß § 75 der Niederösterreichischen Landesabgabenordnung, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung, LGBl. 3400-0 (NÖ AO 1977) in Verbindung mit § 7 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, als geheilt gelte. Durch die Erhebung der Berufung und der Vorstellung sei eindeutig erkennbar, daß der Bescheid den Personen, für die er bestimmt gewesen sei, tatsächlich zugekommen sei. Im übrigen sei festzuhalten, daß einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch nach abgabenrechtlichen Vorschriften keine Rechtsperönlichkeit zukomme und der Bescheid sich daher an die beiden Beschwerdeführer zu richten hätte, welche für die Abgabe als Gesamtschuldner hafteten. Im übrigen setzte sich die Vorstellungsbehörde mit den inhaltlichen Argumenten der Vorstellung gegen die Richtigkeit der Abgabenvorschreibung durch die Gemeindebehörden auseinander. Nach dem Inhalt der Zustellverfügung des Vorstellungsbescheides hatte dieser an beide Beschwerdeführer, jeweils per Adresse "TS Ges.n.b.R." zu ergehen. Der Vorstellungsbescheid wurde den beiden Beschwerdeführern jeweils am zugestellt.

Gegen diesen Bescheid richten sich die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag, ihn aus diesen Gründen aufzuheben. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Marktgemeinde erstatteten Gegenschriften und beantragten jeweils die Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat durch ihre - oben wiedergegebenen - Ausführungen auf Seite 5 des Vorstellungsbescheides ihre Rechtsmeinung zum Ausdruck gebracht, daß sich die Abgabenbescheide der Gemeindebehörden mangels Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht an die beiden Beschwerdeführer zu richten gehabt hätten. Durch die Erhebung der Vorstellung sei eindeutig erkennbar, daß diese Bescheide den Personen, für die sie bestimmt waren, ALSO DEN BESCHWERDEFÜHRERN, tatsächlich zugekommen seien. Die belangte Behörde hat damit offensichtlich die namens der TS Ges.n.b.R. eingebrachte Vorstellung den Beschwerdeführern zugerechnet und diese als Parteien des Vorstellungsverfahrens behandelt und folglich auch den Vorstellungsbescheid - wie aus seiner Zustellverfügung ersichtlich ist - an die beiden Beschwerdeführer persönlich gerichtet. Der angefochtene Bescheid ist daher gegenüber den Beschwerdeführern ergangen, sodaß diese zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde legitimiert sind.

Die belangte Behörde hatte im Vorstellungsverfahren neben den Bestimmungen der Niederösterreichischen Gemeindeordnung, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung, LGBl. 1000-0 (im folgenden NÖ GdO 1973), die Abgabenvorschriften der NÖ AO 1977 anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/17/0247, mwN). Gemäß § 56 NÖ AO 1977 gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. Nach diesen ist die als Vorstellungswerberin aufgetretene Gesellschaft nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig (vgl. Strasser in Rummel II2 Rz 13 zu § 1175 mwN). Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähige Gebilde nach Maßgabe der materiellen Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner im Sinne des § 54 Abs. 1 NÖ AO 1977 in Betracht kommen und gemäß § 55 Abs. 1 leg. cit. auch Partei im Abgabenverfahren sein können. Nach der hier anzuwendenden Abgabenvorschrift des § 8 Abs. 1 NÖ Lustbarkeitsabgabegesetz, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung, LGBl. 3703-0, kommt der Gesellschaft bürgerlichen Rechts jedoch ebenfalls keine spezielle Steuerrechtssubjektivität zu. Für die als Vorstellungswerberin auftretende Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestand daher auch nicht die Möglichkeit einer Verletzung in vor der Vorstellungsbehörde verfolgbaren subjektiv-öffentlichen Rechten. Die belangte Behörde hätte die Vorstellung der Gesellschaft nach bürgerlichem Recht aus diesem Grunde und weil auch der Berufungsbescheid nicht gegen die als Vorstellungswerberin auftretende Gesellschaft ergangen ist zurückzuweisen gehabt, anstatt sie in eine Vorstellung der Beschwerdeführer, die auch nicht Adressaten der Bescheide der Gemeindebehörden waren, umzudeuten (vgl. hiezu die Hauptbegründung des hg. Beschlusses vom , Zl. 91/17/0107, welcher die Zurückweisung einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht in einer Angelegenheit des Steiermärkischen Lustbarkeitsabgabegesetzes, LGBl. für Steiermark Nr. 37/1950, dessen Umschreibung des Abgabepflichtigen in seinem § 5 mit jener in § 8 Abs. 1 des NÖ Lustbarkeitsabgabegesetzes 1979 durchaus vergleichbar ist, zum Gegenstand hatte).

Gemäß § 61 Abs. 1 NÖ GdO 1973 setzt jede Vorstellungsentscheidung das Vorliegen eines Vorstellungsantrages voraus. Ein den Beschwerdeführern zurechenbarer Vorstellungsantrag lag in diesem Fall jedoch nicht vor. Eine Behörde, welche einen antragsbedürftigen Bescheid erläßt, obwohl kein diesbezüglicher Antrag der Partei vorliegt, verletzt auf Verfassungsebene das Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (vgl. die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 4730, und vom , Slg. Nr. 5685), auf einfachgesetzlicher Ebene das Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 83/01/0243, vom , Zl. 83/07/0227, und vom , Zlen. 88/10/0030, 0090).

Diese Verletzung der Behördenzuständigkeit ist vom Verwaltungsgerichtshof ungeachtet einer Möglichkeit der Verletzung sonstiger subjektiv-öffentlicher Rechte der Beschwerdeführer von Amts wegen wahrzunehmen und führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die mit datierte Urkundenvorlage unterlag dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbot und diente daher nicht zur zweckmäßigen Rechtsverfolgung, sodaß die hiefür verzeichneten Barauslagen nicht zuzusprechen waren.