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VwGH vom 27.03.1996, 96/12/0030

VwGH vom 27.03.1996, 96/12/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des F in M, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 6345/39-II/4/95, betreffend Pflegefreistellung während eines Erholungsurlaubes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund der Beschwerde und des angefochtenen Bescheides geht der Verwaltungsgerichtshof von Folgendem aus:

Der Beschwerdeführer steht als Revierinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund; er wird im Bereich des Landesgendarmeriekommandos Tirol beim Gendarmerieposten XY in Osttirol eingesetzt.

In der Zeit vom 1. bis konsumierte der Beschwerdeführer Erholungsurlaub. Noch am ersten Tag dieses Urlaubes mußte sich seine Gattin zwecks Entbindung bis ins Spital begeben. Daraufhin mußte der Beschwerdeführer während dieser Zeit - mangels einer anderen Möglichkeit - die Betreuung seines zweijährigen Sohnes besorgen. Gestützt auf diese Gegebenheiten suchte er mit Eingabe vom darum an, für die auf die genannte Zeit entfallenden Arbeitstage Pflegefreistellung anstelle des Verbrauches von Erholungsurlaub zu genehmigen, also diese Tage von Urlaubstagen in Tage der Pflegefreistellung umzuwandeln.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde wie folgt:

"Ihre Berufung gegen den Bescheid des Landesgendarmeriekommandos für Tirol vom , GZ 6345/5-2/95, wird gemäß § 76 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 in der geltenden Fassung, abgewiesen, der angefochtene Bescheid jedoch gemäß § 66 Absatz 4 AVG dahingehend abgeändert, als Ihr Antrag vom um Pflegefreistellung für den 1.6., 2.6., 6.6. und im Ausmaß von 32 Stunden bei gleichzeitiger Unterbrechung des Erholungsurlaubes abgewiesen wird."

Zur Begründung wird nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, des - unstrittigen - Sachverhaltes und der Rechtslage im wesentlichen weiter ausgeführt, Zweck der Pflegefreistellung sei es, daß ein Beamter wegen der notwendigen Betreuung oder Pflege bestimmter Personen nicht zu einer an und für sich im Dienstplan vorgesehenen Dienstleistung verpflichtet sei, sondern eben die Betreuung einer Person anstelle der Dienstleistung durchführen könne. Voraussetzung dafür sei jedoch, daß grundsätzlich eine Dienstleistungspflicht für die Tage einer beantragten Pflegefreistellung bestehe, eine Dienstleistung also im Dienstplan vorgesehen bzw. angeordnet sei. Daraus folge, daß die Inanspruchnahme einer Pflegefreistellung begrifflich schon dort ausgeschlossen sei, wo - aus welchen Gründen auch immer - keine Verpflichtung für eine Dienstleistung bestehe (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 2649/79).

Im Beschwerdefall sei unbestritten, daß die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Pflegefreistellung grundsätzlich gegeben wären. Durch den davor beantragten und auch genehmigten Erholungsurlaub habe aber für den Beschwerdeführer gar keine Verpflichtung zu einer Dienstleistung mehr bestanden, sodaß schon aus diesem Grund eine Inanspruchnahme einer Pflegefreistellung begrifflich nicht mehr möglich gewesen sei. Soweit es um die Diskussion darüber gehe, ob der Beschwerdeführer berechtigt gewesen wäre, von der Urlaubsvereinbarung zurückzutreten oder nicht, so sei dies ohne Belang. Die Inanspruchnahme eines Erholungsurlaubes finde seinen Niederschlag im Dienstplan in der Form, daß dort für die an und für sich vorgesehenen Tage einer Dienstleistung eben kein Dienst geleistet werden müsse. Sofern ein Rücktritt von einem bewilligten Erholungsurlaub überhaupt als zulässig erklärt werde, so sei dies jedenfalls nur dann möglich, wenn ein solcher Rücktritt vor der Inanspruchnahme des Erholungsurlaubes bekanntgegeben werde. Ein Rücktritt nach der Konsumation eines Erholungsurlaubes - wie es der Beschwerdeführer begehre - sei jedenfalls unzulässig. Wenn der Beschwerdeführer weiters mit der Möglichkeit der Gutschrift eines Erholungsurlaubes bei einer Erkrankung während dieses Urlaubes argumentiere, so sei dem entgegenzuhalten, daß der Gesetzgeber dies positiv auch für die Pflegefreistellung hätte normieren müssen. Da dies jedoch nicht der Fall sei, sei davon auszugehen, daß eine rückwirkende Umwandlung eines Erholungsurlaubes in eine Pflegefreistellung nicht vorgesehen sei.

Die weiteren Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides rechtfertigen die von der belangten Behörde vorgenommene Abänderung des erstinstanzlichen Spruches.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Pflegefreistellung nach § 76 BDG 1979 durch die unrichtige Anwendung dieser Norm verletzt.

§ 76 Abs. 1 BDG 1979 idF des Art. I Z. 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 873/1992 lautet:

"Pflegefreistellung

§ 76. (1) Der Beamte hat - unbeschadet des § 74 - Anspruch auf Pflegefreistellung, wenn er aus einem der folgenden Gründe nachweislich an der Dienstleistung verhindert ist:


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1.
wegen der notwendigen Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden erkrankten oder verunglückten nahen Angehörigen oder
2.
wegen der notwendigen Betreuung seines Kindes, Wahl- oder Pflegekindes, wenn die Person, die das Kind ständig betreut hat, aus den Gründen des § 15 b Abs. 2 Z. 1 bis 4 MSchG für diese Pflege ausfällt."

Im § 71 BDG 1979 ist für den Fall einer drei Tage überschreitenden Erkrankung eines Beamten während des Erholungsurlaubes geregelt, unter welchen Voraussetzungen die Tage der Erkrankung nicht auf das Urlaubsausmaß anzurechnen sind.

Beide genannten Bestimmungen sind im 7. Abschnitt des BDG 1979 "Rechte der Beamten" unter der Überschrift "Urlaub" enthalten. § 76 BDG 1979 folgt der im wesentlichen gleichartigen Regelung im Bundesgesetz vom , BGBl. Nr. 390. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu diesem Bundesgesetz (vgl. 150 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XIV. GP) wird diesbezüglich u.a. ausgeführt, die sittliche Verpflichtung zur Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden erkrankten nahen Angehörigen sei zwar auch schon "von der Judikatur als ein wichtiger Dienstverhinderungsgrund ... anerkannt" worden. Die gesetzliche Ausformung dieses Sondertatbestandes einer Arbeitsverhinderung diene daher der Rechtssicherheit. Ob die Pflege eines erkrankten nahen Angehörigen der Pflicht zur Arbeitsleistung vorgehe, könne nur im Einzelfall nach Abwägung der Rechtsgüter festgestellt werden. Nur wenn die erforderliche Betreuung des Angehörigen mit der Erbringung der Arbeitsleistung unvereinbar sei, könne davon gesprochen werden, daß der Arbeitnehmer an der Arbeitsleistung "verhindert" sei.

Nach den Durchführungsbestimmungen zum BDG 1979 (zitiert nach BDG 1979, Erläuterungen, Durchführungsbestimmungen, Kommentare und sonstige Bestimmungen, 1981, herausgegeben von der Gewerkschaft öffentlicher Dienst) soll der "Anspruch auf Pflegeurlaub" dem Beamten helfen, seiner sittlichen Verpflichtung zur Pflege eines im gemeinsamen Haushalt lebenden nahen Angehörigen nachzukommen.

Demnach handelt es sich bei der im § 76 BDG 1979 geregelten Pflegefreistellung um einen Sondertatbestand der Verhinderung der Dienstleistung. Es ist damit ein zeitlich beschränkter Rechtsanspruch des Beamten auf Freistellung von der Dienstleistung wegen des genannten Tatbestandes der notwendigen Pflege bzw. Betreuung von Angehörigen gesetzlich statuiert worden. Daß ein derartiger Anspruch auf FREISTELLUNG VON DER DIENSTLEISTUNG nur dann bestehen kann, wenn an sich zur selben Zeit eine Verpflichtung zur Dienstleistung besteht, liegt auf der Hand.

Im Beschwerdefall ist allein die Rechtsfrage strittig, ob der Anspruch auf Pflegefreistellung auch dann gegeben ist, wenn sich der Beamte in dem in Frage stehenden Zeitraum im Urlaub befunden hat und den Anspruch erst nachträglich geltend macht. Es ist nämlich unbestritten, daß der Beschwerdeführer bereits seinen Erholungsurlaub angetreten hatte und deshalb für ihn keine Verpflichtung zur Dienstleistung bestanden hat. Er hatte vielmehr erst nachträglich um die Wertung eines Teiles des genannten Erholungsurlaubes als Pflegefreistellung anstelle von Erholungsurlaub ersucht.

Wenn aber für den Beschwerdeführer gar keine Verpflichtung zur Dienstleistung bestanden hat, ist eine solche Freistellung von der Dienstleistung für einen solchen Zeitraum begrifflich ausgeschlossen. Weiters fehlt für eine nachträgliche Umwandlung von Urlaubstagen in Tage der Pflegefreistellung eine Rechtsgrundlage.

An dieser Betrachtung kann das Beschwerdevorbringen schon deshalb nichts Entscheidendes ändern, weil im Gegensatz zum Fall der Dienstverhinderung durch Krankheit beim Fall einer Dienstverhinderung durch Pflegefreistellung keine dem § 71 BDG 1979 entsprechende Nichtanrechnungsregel im Gesetz vorgesehen ist. Hätte der Gesetzgeber diesbezüglich eine Berücksichtigung der Pflegefreistellung beabsichtigt, wäre eine dem § 71 BDG 1979 entsprechende gesetzliche Regelung notwendig gewesen.

Der Hinweis in der Beschwerde auf das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom , ArbSlg. 10.408, bringt für den Beschwerdefall schon deshalb nichts Entscheidendes, weil es sich bei diesem arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht um die Frage der Unterbrechung eines Urlaubes durch eine Pflegefreistellung, sondern um den RÜCKTRITT VON EINEM BEANTRAGTEN URLAUB im Hinblick auf die Notwendigkeit der Pflege eines Kindes gehandelt hat.

Da bereits diese auf Basis des Vorbringens angestellten Überlegungen zeigen, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt worden ist, war die Beschwerde gemäß § 35 in Verbindung mit § 42 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und ohne weitere Kosten für den Beschwerdeführer als unbegründet abzuweisen.