VwGH 28.05.1993, 93/17/0105
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts stellt weder eine natürliche noch nach der herrschenden Lehre (Hinweis Strasser in Rummel, Kommentar zum ABGB, zweiter Band, S 1995) eine juristische Person dar. Für die als beschwerdeführende Partei auftretende Gesellschaft bürgerlichen Rechts besteht daher auch nicht die Möglichkeit einer Verletzung in vor dem VwGH verfolgbaren subjektiv-öffentlichen Rechten. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH B 1991/10/10 91/17/0107 1 |
Normen | AVG §9; PunzierungsG 1954; |
RS 1 | Insoweit die persönliche Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, gemäß § 9 AVG nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Die Parteifähigkeit bestimmt sich somit primär nach den Verwaltungsvorschriften.Enthalten diese - wie das Punzierungsgesetz - keine diesbezüglichen Bestimmungen, so sind für die Beurteilung der prozessualen Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit subsidiär die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts maßgebend. |
Normen | |
RS 2 | Einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes (§ 1175 bis § 1216 ABGB) kommt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung die Eigenschaft einer juristischen Person nicht zu. Es ermangelt ihr die Rechsfähigkeit und Handlungsfähigkeit gleichermaßen auch die Parteifähigkeit und Prozeßfähigkeit für das Verwaltungsverfahren und das Verfahren vor dem VwGH. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1991/02/18 90/19/0278 1 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, in der Beschwerdesache des HC in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Hauptpunzierungs- und Probieramtes vom , Zl. 107/3/92, betreffend Punzierung, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit dem an MC gerichteten Bescheid vom hat das Hauptpunzierungs- und Probieramt (belangte Behörde) im Instanzenzug die als Bescheid bezeichnete Erledigung des Punzierungsamtes Wien II vom abgeändert.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom , B 1635/92-7, "in der Beschwerdesache der K & F" gegen den oben zitierten Bescheid beschlossen, daß die Beschwerde abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wird.
In der dem Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde scheint als Beschwerdeführer "Firma K & F in W, S-gasse 8, Inhaber: 1.) Dkfm. HC 2.) MC" auf. In dem in der Beschwerdeschrift an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Vorbringen werden Dkfm. HC als Ersteinschreiter und MC als Zweiteinschreiterin bezeichnet, die nach dem Beschwerdevorbringen als Inhaber der nichtprotokollierten Firma K & F unter anderem den Verkauf von Schmuckgegenständen betreiben.
Die "Firma K & F" ist eine nicht rechts- und parteifähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Gemäß § 62 Abs. 1 VwGG gilt im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz. Gemäß § 9 AVG ist, insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, diese von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.
Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts stellt weder eine natürliche noch nach der herrschenden Lehre (vgl. Strasser in Rummel, Kommentar zum ABGB, II Seite 1995) eine juristische Person dar. Für eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts besteht daher, soweit ihr nicht etwa nach Abgabenvorschriften eine spezielle Steuerrechtssubjektivität zukommt, auch nicht die Möglichkeit einer Verletzung in vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbaren subjektiven-öffentlichen Rechten (vgl. Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 91/17/0107, und vom , Zl. 91/17/0176).
Die vorliegende Beschwerde ist den in der Beschwerde angeführten Inhabern der genannten Gesellschaft bürgerlichen Rechts Dkfm. HC und MC zuzurechnen.
Zur Beschwerdeführung an den Verwaltungsgerichtshof ist nur derjenige legitimiert, an den ein letztinstanzlicher Bescheid ergangen ist (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 83/14/0002, 0010, 0011). Adressat des angefochtenen Bescheides ist MC und nicht auch Dkfm. HC, sodaß dieser im vorliegenden Verfahren keine Beschwerdelegitimation hat.
Die Beschwerde des Dkfm. HC war daher mangels Berechtigung zur Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Kramer sowie die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Raunig, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Hauptpunzierungs- und Probieramtes vom , Zl. 107/3/92, betreffend Feststellung und Anordnung der Zurückleitung über die Zollgrenze, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit der als Bescheid bezeichneten, an die "K" in W gerichteten Erledigung vom 15. Februar (richtig wohl: April) 1992 verfügte das Punzierungsamt Wien II gemäß § 14 Abs. 2 Punzierungsgesetz in Verbindung mit § 25 Abs. 4 Durchführungsverordnung zum Punzierungsgesetz die Rücksendung der unter einer näher angeführten Anmeldungsnummer (am ) zollamtlich abfertigten 22 Stück Silbergegenstände innerhalb einer gemäß § 59 Abs. 2 AVG festgesetzten Frist bis (über die Zollgrenze). Dies mit der Begründung, die zur Punzierung vorgelegten Gegenstände entsprächen nicht den Bestimmungen des § 2 des Punzierungsgesetzes. Die gesetzwidrige Beschaffenheit könne nicht behoben werden. Die Rücksendung sei somit erforderlich.
In der gegen diese Entscheidung "aus Gründen der Mangelhaftigkeit der Bescheidsausführung, mangelnder Sachverhaltsfeststellung und Bescheidbegründung sowie offensichtlich unrichtiger rechtlicher Beurteilung" erhobenen Berufung scheint als Einschreiter die "Firma K Inhaber: 1) J
2) C" auf.
Mit dem auf Grund dieser Berufung an C ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid vom hat das Hauptpunzierungs- und Probieramt (belangte Behörde) die erstinstanzliche Entscheidung für die 22 "Ohrstecker" aus 925 Tausendteilen feinem Silber abgeändert und dabei im Spruch des Bescheides ausgeführt:
"Es handelt sich mit Ausnahme eines punzierungspflichtigen Stückes um mindergewichtige Edelmetallgegenstände. Es wird festgestellt, daß auf alle diese Gegenstände die §§ 1,2 Abs. 2,3 auf die Mindergewichtigen zusätzlich § 15 Abs. 1 Z. 2 lit. a Punzierungsgesetz BGBl. Nr. 68/1954 in der dzt. gültigen Fassung (PG) anzuwenden sind, da deren Hauptkörper aus Silber bestehen. Keinesfalls liegen aus unedlen Metallen hergestellte mit Verzierungen aus Edelmetall versehene Gegenstände im Sinne § 26 PG vor.
Es wird festgestellt, daß die Auflagen des § 2 Abs. 2 PG bzw. § 7 Durchführungsverordnung zum PG BGBl. Nr. 385/1967 in der dzt. gültigen Fassung (DV) an den Gegenständen des Verfahrens nicht erfüllt sind.
Die Verbindung der auf den Hauptkörpern befindlichen unechten Messingverzierungen und der Messingverbindungsringe erfolgte durch Hartverlötung mit Silberlot. Ein Stück aus P 33 und P 31 weist zusätzlich jeweils einem (richtig: einen) mit dem Silberkörper hartverlöteten Stahlstift auf. Die Messingplättchen und -verbindungsringe sind für den Konsumenten keineswegs als unedle Bestandteile leicht kenntlich und nicht mit der Unechtbezeichnung versehen.
Schließlich wird festgestellt, daß die in § 3 Abs. 2 PG für Silbergegenstände vorgeschriebenen Feingehaltszahlen, in diesem Fall 925, an den Gegenständen des Verfahrens nicht angebracht sind. Eine Ausnahme gemäß § 3 Abs. 4 PG wird nicht gewährt.
Die oben genannten zweiundzwanzig Ohrstecker sind vom Empfänger gemäß §§ 2 Abs. 7 PG und 14 Abs. 2 PG in Verbindung mit § 25 Abs. 4 DV und § 59 Abs. 2 AVG INNERHALB VON 2 WOCHEN NACH DER ÜBERNAHME wieder über die Zollgrenze zurückzuleiten, es sei denn die oben genannte gesetzwidrige Beschaffenheit dieser Gegenstände wird innerhalb dieser Frist unter Überwachung durch das Punzierungsamt Wien II behoben. Der Austritt der Waren ist entsprechend den zollgesetzlichen Bestimmungen entweder mit Einheitspapier/AT oder mit Anmeldung/EX zu erbringen und dem Punzierungsamt Wien II umgehend nachzuweisen.
Eine Herausnahme dieser neuwertigen Gegenstände des Verfahrens aus dem (richtig: den) Bestimmungen des PG ist nicht möglich."
Am wurden die "Ohrstecker" als "Rückware gemäß § 43 ZG 1955" an die Empfängerin U in der Bundesrepublik Deutschland zollamtlich in der Ausfuhr abgefertigt.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit dem beim Verwaltungsgerichtshof am eingelangten Beschluß vom , B 1635/92-7, "in der Beschwerdesache der Kunst & Form International" gegen den oben zitierten Bescheid beschlossen, daß die Beschwerde abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wird.
Mit Beschluß vom , Zl. 93/17/0105-3, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die "Firma K" eine nicht rechts- und parteifähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts und die dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde den dort angeführten Inhabern der genannten Gesellschaft bürgerlichen Rechts J und C zuzurechnen sei. Die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers wurde mit diesem Beschluß mangels Berechtigung zur Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen.
Die (Zweit-)Beschwerdeführerin macht im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und stellt unter anderem die Anträge, der Verwaltungsgerichtshof möge aussprechen, daß die belangte Behörde schuldig sei, den Metallwert der Gegenstände binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen, weiters aussprechen, daß die Gegenstände dem Punzierungsgesetz entsprächen und feilgeboten werden dürften, in eventu aussprechen, daß auf die Gegenstände § 26 Punzierungsgesetz anzuwenden sei.
Die belangte Behörde, vertreten durch die Finanzprokuratur, erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu den von der Beschwerdeführerin gestellten, oben angeführten Anträgen ist darauf hinzuweisen, daß im Falle der Bescheidbeschwerde Prüfungsmaßstab für den Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ist. Er kann als rechtswidrig erkannte Bescheide allerdings nur aufheben, nicht aber in der Sache reformatorisch entscheiden. Eine Entscheidungsbefugnis über die genannten Anträge kommt dem Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Fall somit nicht zu.
Die Beschwerde erweist sich, soweit auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides gerichtet, im Ergebnis als berechtigt:
Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist sie von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, gemäß § 9 AVG nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen.
Die Parteifähigkeit bestimmt sich somit primär nach den Verwaltungsvorschriften. Enthalten diese - wie das Punzierungsgesetz - keine diesbezüglichen Bestimmungen, so sind für die Beurteilung der prozessualen Rechts- und Handlungsfähigkeit subsidiär die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts maßgebend. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts stellt jedoch weder eine natürliche noch nach herrschender Lehre (vgl. Strasser in Rummel, Kommentar zum ABGB2, II, Rz. 13 zu § 1175) eine juristische Person dar, ihr kommt daher im verwaltungsbehördlichen Verfahren keine Rechts- und Parteifähigkeit zu.
Der erstinstanzliche Bescheid vom war an die "K" in W - eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts - gerichtet. Diese Erledigung der Behörde ist mangels Adressierung an eine parteifähige Person als Bescheid rechtlich nicht existent geworden, sondern ins Leere gegangen. Ein erstinstanzlicher Bescheid ist an die Beschwerdeführerin somit nicht ergangen. Wenn nun auf Grund der erhobenen "Berufung" die belangte Behörde als Berufungsinstanz in der Sache erstmals einen Bescheid an die Beschwerdeführerin erlassen hat, dann hat sie aus diesem Grund eine ihr nicht zustehende Entscheidungskompetenz beansprucht und damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet. Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG, ohne daß auf das übrige Beschwerdevorbringen noch eingegangen werden müßte, aufzuheben.
Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, ist mit der Entscheidung in der Hauptsache gegenstandslos geworden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Artikel III Abs. 2. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nur die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aufgelaufenen Stempelgebühren zuerkannt werden können. Im vorliegenden Verfahren sind infolge der Entrichtung der Stempelgebühren für die in einem Schriftsatz zusammengefaßte, an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde Stempelgebühren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht aufgelaufen. Im übrigen ist die geltend gemachte Umsatzsteuer mit dem pauschalierten Schriftsatzaufwand abgegolten.
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des Einschreiters |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1993:1993170105.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAE-51816