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VwGH vom 22.12.2004, 2002/15/0011

VwGH vom 22.12.2004, 2002/15/0011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. Robert Palka, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Opernring 9/6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , GZ. RV/417 - 17/02/2001, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 1999, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, der als Musiker (Hornist des Volksopernorchesters) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezieht, machte in seiner Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 1999 Werbungskosten in Höhe von S 40.200,-- für Zahnimplantate geltend.

Das Finanzamt beurteilte diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen, die nicht berücksichtigt werden konnten, weil sie den Selbstbehalt nicht überstiegen.

In seiner Berufung führte der Beschwerdeführer aus, Krankheitskosten stellten Werbungskosten dar, wenn es sich um eine typische Berufskrankheit handle oder der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststehe. Zur Ausübung seines Berufes als Hornist bedürfe es entsprechender Zähne bzw. Zahnersätze. Diese Notwendigkeit werde durch das - nachträglich vorgelegte - Gutachten bestätigt. In diesem Gutachten eines Facharztes für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde ist zu lesen, der Beschwerdeführer habe durch Verlust im Seitenzahnbereich im rechten Oberkiefer und im linken Unterkiefer eine "Freiendsituation" gehabt. Da der Beschwerdeführer beruflich als Hornist in der Volksoper beschäftigt sei - und in diesem Fall ein fest sitzender Zahnersatz unbedingt notwendig sei - hätten im linken Unterkiefer zwei Implantate und im rechten Oberkiefer ein Implantat gesetzt werden müssen, die mit drei und zwei Kronen bestückt worden seien. Es sei speziell für einen Musiker eines Blasinstrumentes eminent wichtig, geschlossene Zahnreihen zu haben, da Lücken zu Ventilationsstörungen führen könnten.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab. Ein Musiker eines Blasinstrumentes benötige "für den Ansatz" vollständige Vorderzähne, um das Instrument spielen zu können. Nicht unbedingt erforderlich seien jedoch die beantragten Implantate und Kronen. Dies sei auf Grund der Ermittlungen von Musikern von Blechblasinstrumenten bestätigt worden.

Im Vorlageantrag führte der Beschwerdeführer aus, der Charakter der Aufwendungen als Werbungskosten werde durch ein (weiteres) Gutachten nachgewiesen werden. In der Folge legte er ein Gutachten der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien vor. In diesem Gutachten wird unter dem Titel Schlussfolgerung ausgeführt, im Falle von Sanierungsmaßnahmen im Bereich der seitlichen Zahnreihen bis hin zu den Backenzähnen sei unter der Voraussetzung, dass die Berufsfähigkeit von professionellen Blechbläsern erhalten bleiben solle, nach dem heutigen Stand der Technik ausschließlich eine sorgfältig durchgeführte Überkrönung bzw. das Einsetzen von Implantaten zielführend. Internationale Studien und Untersuchungen an einer Vielzahl von Patienten belegten, dass für den Amateurbereich durchaus billigere Lösungen ausreichend sein könnten. Für einen Blechbläser in einem professionellen Symphonie- oder Opernorchester könne jedoch nur eine Überkrönung oder ein Implantat die Berufsunfähigkeit verhindern. Dies gelte insbesondere für "tiefe" Bläser.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung stellte sie das Verwaltungsgeschehen dar und gab die vorgelegten Gutachten wieder. Im Erwägungsteil wurde dazu ausgeführt, dass Krankheitskosten grundsätzlich Kosten der Lebensführung seien. Aufwendungen im Zusammenhang mit Krankheiten kämen nur dann als Werbungskosten in Betracht, wenn es sich um typische Berufskrankheiten handle oder ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Beruf und Krankheit bestehe. Auf Grund des vorgelegten Gutachtens sei erwiesen, dass ein im Sinne dieses Gutachtens saniertes Gebiss wesentlich für die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Hornist sei. Damit sei jedoch für den Beschwerdeführer noch nichts gewonnen. Es sei wohl ebenfalls unstrittig und bedürfe keiner näheren Ausführungen, dass die vorgenommene Gebisssanierung auch den privaten, höchstpersönlichen Bereich des Beschwerdeführers betreffe. Ein komplettes Gebiss beuge Schäden des Verdauungstraktes vor, ein schadhaftes Gebiss berge die Gefahr weiterer Schädigungen bislang gesunder Zähne in sich und die Artikulation beim Sprechen könne ebenfalls beeinträchtigt sein. Eine Sanierung des Gebisses betreffe jedenfalls auch den privaten Bereich. Bei Aufwendungen, die die Privatsphäre mitbetreffen, sei das Aufteilungsverbot zu beachten. Diese Aufwendungen seien daher zur Gänze nicht abzugsfähig. Eine andere Betrachtungsweise wäre lediglich dann geboten, wenn sich die Gebisssanierung ausschließlich auf einen Bereich beschränkte, der nur von beruflicher Bedeutung sei. Dies sei etwa dann gegeben, wenn eine Beeinträchtigung des ansonsten in seiner Kaufunktion intakten Gebisses nur beim beruflichen Mikrofonsprechen, nicht aber bei der privaten Kommunikation auftrete. Eine Aufspaltung in einen beruflichen und privaten Teil sei auch im Schätzungswege nicht zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht unter Hinweis auf die Gutachten geltend, die Zähne eines Berufsmusikers seien enormen Belastungen ausgesetzt. Auch die belangte Behörde gehe zutreffend davon aus. Entgegen der Argumentation der belangten Behörde sei jedoch die gegenständliche Zahnbehandlung eine typische Folge dieser jahrzehntelangen Berufsausübung und der damit einhergehenden übermäßigen Druckbelastung in der Mundhöhle. Es handle sich daher um typische Folgen des von ihm ausgeübten Berufes. Die gegenständlichen Aufwendungen seien auch ausschließlich deshalb nötig gewesen, weil ansonsten - wie auch die belangte Behörde richtig festhalte - die Beendigung der Berufsausübung gedroht hätte.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Nach § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 sind Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abzugsfähig, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Bei Aufwendungen, die auch in den Kreis der privaten Lebensführung fallen können, ist ein strenger Maßstab anzulegen und eine genaue Unterscheidung vorzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/13/0142, m. w.N.). Soweit sich Aufwendungen für die Lebensführung und Aufwendungen beruflicher Natur nicht einwandfrei trennen lassen, ist entsprechend dem "Aufteilungsverbot" der gesamte Betrag nicht abzugsfähig. Krankheitskosten sind nur dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten absetzbar, wenn es sich um eine typische Berufskrankheit handelt oder der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststeht (vgl. auch hiezu das zitierte Erkenntnis vom , 94/13/0142).

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, es könne keine Rede davon sein, dass die vorgenommene Gebisssanierung auch den privaten, höchstpersönlichen Bereich betreffe, verkennt er die primäre Funktion des Gebisses. Die Zähne dienen primär der Aufnahme der erforderlichen Nahrung; dies ist aber dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen. Die belangte Behörde ist auf Grund der von ihr berücksichtigten Gutachten davon ausgegangen, dass ein durch Implantate saniertes Gebiss "wesentlich" für die berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers ist. Damit schließt sie aber selbst eine Notwendigkeit der in Rede stehenden Zahnbehandlung ausschließlich zur Ermöglichung der weiteren Berufsausübung nicht aus. Ist aber eine solche Notwendigkeit der Aufwendungen für die berufliche Tätigkeit gegeben, erfolgen die Aufwendungen nicht nur zur "Förderung des Berufes des Steuerpflichtigen" im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 93/13/0047). Soweit durch die konkrete berufliche Tätigkeit nachgewiesene Mehraufwendungen im Vergleich zur üblichen Gebisssanierung unmittelbar notwendig sind, können somit Werbungskosten vorliegen. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Die belangte Behörde wird im fortzusetzenden Verfahren zu prüfen haben, ob eine solche unmittelbare Notwendigkeit von Zahnimplantaten allein für die Berufsausübung des Beschwerdeführers als Hornist des Volksopernorchesters vorlag und gegebenenfalls welche Mehraufwendungen im Vergleich zu einer üblichen (den normalen Aufwendungen für die Lebensführung Rechnung tragenden) Gebisssanierung anfielen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, wobei auf das im Wesentlichen erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, es habe sich bei der Zahnbehandlung (auch) um die Folge einer Berufskrankheit gehandelt, nicht weiter einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am