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VwGH vom 26.04.1994, 90/14/0142

VwGH vom 26.04.1994, 90/14/0142

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde des im Konkurs über das Vermögen des H in K bestellten Masseverwalters Dr. D, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom , Zl. 4/2/32-BK/D-1990, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer für das Jahr 1972 sowie Einkommensteuer für die Jahre 1973 und 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte mit Schreiben vom durch seinen beauftragten steuerlichen Vertreter den Antrag "auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. c und Abs. 4 BAO hinsichtlich der Umsatzsteuer-, Einkommensteuer- und Gewerbesteuerveranlagung 1972 sowie der Einkommensteuerveranlagungen für die Jahre 1973 und 1975". Die Veranlagung 1972 möge im Sinne des Betriebsprüfungsberichtes vom , die Veranlagung 1973 im Sinne des Abgabenbescheides vom und die Veranlagung 1975 im Sinne des Betriebsprüfungsberichtes vom erfolgen.

Zur Begründung dieses Antrages wurde ausgeführt, daß im Zuge der in der Zeit vom 16. Juni bis durchgeführten Betriebsprüfung vom Betriebsprüfer hinsichtlich der Umsatzsteuer 1972, 1977 bis 1980, der Einkommensteuer 1972 bis 1980 und der Gewerbesteuer 1972, 1977 bis 1980 der Verdacht der Abgabenhinterziehung ausgesprochen worden sei. Das Finanzamt sei dieser Ansicht gefolgt und habe das Verfahren für die Umsatzsteuer 1972, die Einkommensteuer 1972 bis 1976 und die Gewerbesteuer 1972 wiederaufgenommen. Da zu diesem Zeitpunkt noch kein Finanzstrafverfahren durchgeführt gewesen sei, habe das Finanzamt die Frage des Vorliegens einer Abgabenhinterziehung als Vorfrage selbständig beurteilt und sei zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Abgabenhinterziehung vorliege. Aus diesem Grund sei die 10-jährige Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 BAO zur Anwendung gekommen. Infolge der Höhe des ursprünglich angenommenen strafbestimmenden Wertbetrages sei für die Durchführung eines Strafverfahrens das Gericht zuständig gewesen. Das am unter Straflisten-Nr. 100/82 eingeleitete Finanzstrafverfahren sei nunmehr mit Bescheid vom eingestellt worden, weil kein schuldhaftes Verhalten nachzuweisen gewesen sei. Des weiteren stehe jetzt auch fest, daß nach § 54 Abs. 1 Finanzstrafgesetz keine Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattet werde. Im Abgabenbemessungsverfahren habe die Berufungsinstanz in der Berufungsentscheidung vom noch zum Ausdruck gebracht, daß die Verjährungsfrist 10 Jahre betrage, weil sie vom Vorliegen einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung überzeugt sei. Dieser Meinung habe sich die Finanzstrafbehörde nicht angeschlossen und mit dem Einstellungsbescheid 1990 die Vorfrage dahin geklärt, ob § 207 Abs. 2 BAO rechtlich begründet zur Anwendung kommen könne. Der vorliegende Antrag werde daher innerhalb der Frist von 3 Monaten im Sinne des § 303 Abs. 2 BAO gestellt. Nach erfolgter Verfahrenswiederaufnahme laut Antrag ergebe sich insgesamt eine Steuergutschrift von S 690.186,--.

Am hatte die Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Gemeinschuldner das Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, daß dieser in den Jahren 1977 bis 1980 Betriebseinnahmen in noch nicht geklärter Höhe nicht vollständig erklärt und dadurch für die genannten Jahre vorsätzlich Abgaben (Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer) verkürzt bzw. zu verkürzen versucht habe (§ 33 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Finanzstrafgesetz).

Mit Bescheid vom stellte die Finanzstrafbehörde das am eingeleitete Finanzstrafverfahren gemäß § 124 Abs. 1 Finanzstrafgesetz ein, weil ein schuldhaftes Fehlverhalten nicht hinreichend habe nachgewiesen werden können.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiederaufnahmeantrag als unbegründet ab. Mit Berufungsentscheidung vom sei der Berufung gegen die im Februar 1983 zugestellten Bescheide betreffend die Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1972 sowie gegen den Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1975 als unbegründet abgewiesen worden; der Berufung betreffend Einkommensteuer 1972, 1973 und 1975 sei teilweise stattgegeben worden. Gegen diese formell rechtskräftige Entscheidung sei beim Verwaltungsgerichtshof unter der Zahl 89/14/0149 ein Beschwerdeverfahren anhängig. Mit dem gegenständlichen Antrag vom werde die Wiederaufnahme dieses Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. c und Abs. 4 BAO beantragt. In der erwähnten Berufungsentscheidung habe die Finanzbehörde die Frage des Vorliegens einer Abgabenhinterziehung als Vorfrage selbständig beurteilt und sei zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Abgabenhinterziehung vorliege. Aus diesem Grund sei die 10-jährige Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 BAO angewendet worden. Zur Begründung führte die belangte Behörde weiters aus, das unter Straflisten-Nr. 100/82 eingeleitete und später gemäß § 124 Finanzstrafgesetz eingestellte Finanzstrafverfahren habe die Jahre 1977 BIS 1980 betroffen. Im Zuge der Betriebsprüfung im Jahr 1982 sei eine Ausdehnung auf die 10-jährige Verjährungsfrist wegen eines anläßlich einer Hausdurchsuchung vorgefundenen Sparbuches, welches bis dahin ein nicht einbekanntes Vermögen in Höhe von ca. S 1,2 Mio zu Tage gebracht habe, erfolgt. Dieser Umstand habe u.a. zu einer Zuschätzung zum Gewinn und Umsatz in Höhe von S 1,2 Mio für das Jahr 1972 geführt; gleichfalls seien im Jahr 1972 sowie in den Folgejahren Zinseinkünfte erfaßt worden. Hinsichtlich der Jahre 1972 bis 1976 sei ein Finanzstrafverfahren nicht eingeleitet worden, wobei die Ausdehnung offensichtlich im Hinblick auf die Verjährungsbestimmung des § 31 Abs. 2 Finanzstrafgesetz unterblieben sei. In der Berufungsentscheidung vom sei davon ausgegangen worden, daß in den Jahren 1972, 1973 und 1975 eine Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 1 Finanzstrafgesetz vorliege. Die im Wiederaufnahmeantrag angeführte Einstellung des Finanzstrafverfahrens stelle keineswegs einen Vorfragentatbestand im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. c BAO dar. Außerdem sei die Durchführung eines förmlichen Finanzstrafverfahrens nicht Voraussetzung dafür, daß die verlängerte Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 BAO zur Anwendung kommen könne.

Die Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf "richtige Anwendung der Bundesabgabenordnung und des Finanzstrafgesetzes beschwert".

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Zur Gegenschrift wurde eine Replik erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ergibt sich, daß nur ein Bescheid, der den Beschwerdeführer in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, mit einer seine Aufhebung rechtfertigenden Rechtswidrigkeit behaftet sein kann. Diese Rechtsverletzung vermag lediglich der die Rechte des Beschwerdeführers gestaltende oder feststellende Teil des Bescheides, nämlich sein Spruch, zu bewirken. Nur wenn der Spruch Rechte des Beschwerdeführers verletzt, kann dies zur Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit führen (vgl. den hg. Beschluß vom , 91/14/0228). Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über die Ablehnung einer Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 303 BAO entschieden. Der Beschwerdeführer konnte daher auch nur insoweit in seinen Rechten verletzt sein. Eine Verletzung finanzstrafgesetzlicher Rechte konnte damit nicht bewirkt werden.

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und


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a)
der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder
b)
Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder
c)
der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Eine Wiederaufnahme von Amts wegen ist gemäß § 303 Abs. 4 BAO unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach Eintritt der Verjährung ist gemäß § 304 BAO, in der für 1990 maßgebenden Fassung, eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, sofern ihr nicht ein vor diesem Zeitpunkt eingebrachter Antrag gemäß § 303 Abs. 1 zugrundeliegt. Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens steht gemäß § 305 Abs. 1 BAO der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom war seinem Wortlaut nach auch auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 4 BAO gerichtet. Auf die Verfügung einer amtswegigen Wiederaufnahme hat der Abgabepflichtige jedoch kein subjektives Recht (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, S. 727, mit Hinweisen auf hg. Judikatur), sodaß der Beschwerdeführer insoweit durch den angefochtenen Bescheid ebenfalls in keinem Recht verletzt sein konnte.

Zum im übrigen auf die Bestimmung des § 303 Abs. 1 lit. c (Vorfragentatbestand) BAO gestützten Wiederaufnahmeantrag für die Jahre 1972, 1973 und 1975 hat die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, daß über diesen Zeitraum keine Entscheidung einer anderen Behörde (Finanzstrafbehörde) vorliegt, die als Vorfragenentscheidung im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. c BAO in Betracht käme. Das eingestellte Finanzstrafverfahren betraf lediglich die Jahre 1977 bis 1980. Die Verfahrenswiederaufnahme wegen des Vorfragentatbestandes des § 303 Abs. 1 lit. c leg. cit. kommt daher schon deshalb nicht in Betracht. Zutreffend führt die belangte Behörde auch aus, daß die Frage, ob eine Abgabenhinterziehung im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO zweiter Satz vorliegt, ohnedies im Abgabenverfahren zu beurteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2524, 2876/80, 81/14/125, 126 und die dort angeführte Vorjudikatur, sowie das Erkenntnis vom , 85/15/0073 bis 0077). Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen, ohne daß es eines förmlichen Strafverfahrens bedarf. Es ist auch gleichgültig, ob ein Strafverfahren eingeleitet wird oder nicht (vgl. Reeger-Stoll, BAO, Seite 687, sowie Baldauf, Schätzungsberechtigung und Verjährung hinterzogener Abgaben, in: ÖStZ 1982, S. 134 f, der auch auf die Möglichkeit einer allein aufgrund der unterschiedlichen Verjährungsfristen im Abgaben- und im Finanzstrafrecht unterbliebenen Einleitung eines Finanzstrafverfahrens hinweist). Da die Behörde die Abgabenhinterziehung ohnedies im Abgabenverfahren nachzuweisen hat (siehe dazu auch die hg. Erkenntnisse vom , 87/14/0173, und vom , 91/13/0064), kann sich diese - wie in der Replik behauptet wird - ohnedies nicht "ersparen", den Nachweis der Abgabenhinterziehung zu erbringen.

Schließlich konnte der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid jedenfalls für die Jahre 1972 und 1973 auch wegen der Verjährungsbestimmung des § 304 BAO in keinem Recht verletzt sein. Für diese beiden Jahre war zum Zeitpunkt der Stellung des Wiederaufnahmeantrages am die absolute Verjährungsfrist des § 209 Abs. 3 BAO (15 Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches) nämlich bereits abgelaufen.

Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.