VwGH vom 25.11.1994, 93/17/0050
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des M in V, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom , Zl. 3-Gem-909/3/92, betreffend Gebrauchsabgabe (mitbeteiligte Partei: Stadt Villach), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem (nicht in den Verwaltungsakten befindlichen), am zugestellten Bescheid vom schrieb - nach Darstellung in der Berufung und der Berufungsentscheidung des Stadtsenates der Stadt Villach - der Magistrat Villach dem Beschwerdeführer für zwei im Luftraum über dem öffentlichen Gemeindestraßengrund befindliche Scheinwerfer eine Gebrauchsabgabe für das Jahr 1992 in der Höhe von S 600,-- vor.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, die Annahme, die Scheinwerfer befänden sich im Luftraum über öffentlichem Gemeindestraßengrund, sei rechtsirrig. Der Dachsims rage mindestens einen halben Meter aus und die Scheinwerfer stünden nicht einmal 10 cm von der Fassade ab. Es sei nicht vorstellbar, daß das Dach des Gebäudes nicht über Eigengrund errichtet worden sei oder "derzeit nicht mehr auf Eigengrund steht".
Mit Schreiben vom wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, das Vermessungsamt der Stadt Villach habe eine nochmalige nach vermessungstechnischen Grundsätzen vorgenommene Vermessung durchgeführt und dazu festgestellt, daß der südliche Scheinwerfer 6 cm und der westliche Scheinwerfer 7 cm über öffentlichem Gemeindestraßengrund liege. Das aufgehende Mauerwerk sei gemäß der durch das Bundesvermessungsamt im Jahre 1956 durchgeführten Vermessung die Grenze zum öffentlichen Gut.
In der Stellungnahme vom bestritt der Beschwerdeführer, daß das aufgehende Mauerwerk die Grenze zum öffentlichen Gut darstelle. Es sei nicht bestreitbar, daß das Dach - somit auch der Dachvorsprung - ein unselbständiger und untrennbarer Bestandteil des Gebäudes sei. Da Eigentum an Gebäudeteilen aber nicht möglich sei, sei klargestellt, daß auch diese Gebäudeteile in jedem Fall im Eigentum des Gebäudeeigentümer stünden. Selbst wenn dieser seinerzeit die Grenze überbaut hätte, hätte dieser Bau die überbauten Flächen der verschiedenen Grundeigentümer vereinigt. Zivilrechtlich sei also eindeutig davon auszugehen, daß der Dachvorsprung, der im gegenständlichen Fall ca. 1 m ausrage, im Luftraum über Eigengrund errichtet sei und daher auch die Grenze zu einem allfälligen öffentlichen Gut bilde.
Mit Bescheid vom gab der Stadtsenat der mitbeteiligten Stadt Villach der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung führte die Berufungsbehörde im wesentlichen aus, die nicht im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Liegenschaft habe sich im Jahre 1956 im bücherlichen Eigentum des Josef T. befunden. Im Jahre 1956 sei durch den Bundesvermessungsdienst die Feldskizze Nr. 120 aufgenommen worden. Mit dieser Feldskizze seien die jeweiligen Grenzen zum öffentlichen Gut im Innenstadtbereich der Stadt Villach erhoben und auf Dauer festgelegt worden. Wie aus der genannten Feldskizze des Bundesvermessungsdienstes eindeutig hervorgehe, sei das in Rede stehende Haus deutlich so dargestellt, daß die Grenze zum öffentlichen Gut das aufgehende Mauerwerk sei. Es sei unbestritten, daß die gegenständlichen Scheinwerfer über dieses aufgehende Mauerwerk hinausreichten. Diese Feldskizzen, die im inneren Stadtbereich der Stadt Villach die Grenzen zum öffentlichen Gut nachwiesen, seien den jeweiligen Eigentümern nachweislich zur Kenntnis gebracht worden. Der damalige Eigentümer habe mit eigenhändiger Unterschrift die einvernehmliche Grenzfeststellung bestätigt. Damit erweise sich, daß die zivilrechtlichen Ausführungen des Beschwerdeführers völlig ins Leere gingen, da sie mit dem tatsächlichen Sachverhalt nicht übereinstimmten. Es sei somit für die Berufungsbehörde unbestritten und erwiesen, daß das aufgehende Mauerwerk des in Rede stehenden Hauses die Grenze zum öffentlichen Gut darstelle.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung wiederholte der Beschwerdeführer im wesentlichen sein Berufungsvorbringen und vertrat die Ansicht, daß der Gebäudeeigentümer den Dachvorsprung über Eigengrund errichtet habe, sich dieser nach wie vor im Luftraum über Eigengrund befinde und sich die Scheinwerfer nicht im Luftraum über öffentlichem Grund befänden, sodaß die Vorschreibung der Gebrauchsabgabe rechtswidrig sei.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab und führte aus, der Beschwerdeführer habe die Räumlichkeiten des in Rede stehenden Objektes, in dem er ein "Cafe" betreibe, in Bestand genommen. Es sei von der Abgabenbehörde der Stadt Villach festgestellt worden, daß die Hausmauer des in Rede stehenden Objektes die Grundstücksgrenze darstelle und somit das aufgehende Mauerwerk die Grenze zum öffentlichen Straßengut sei. Die Scheinwerfer ragten über das aufgehende Mauerwerk hinaus und befänden sich damit über öffentlichem Gemeindestraßengrund. Diese Tatsachen und Verhältnisse würden auch vom Beschwerdeführer im gesamten Verfahren nicht in Abrede gestellt, sodaß die Grenzfeststellungen des Bundesvermessungsamtes für die Beurteilung des Abgabentatbestandes nach den Bestimmungen des Gebrauchsabgabengesetzes relevant gewesen seien und demgemäß die Vorschreibung der Gebrauchsabgabe entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen erfolgt sei. Im übrigen werde auf die durchaus zutreffende Begründung des Bescheides des Stadtsenates der Stadtgemeinde Villach vom verwiesen, welche vollinhaltlich übernommen werde und einen Bestandteil dieses Bescheides bilde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem gesamten Inhalt seines Vorbringens in seinem Recht verletzt, Gebrauchsabgabe nicht entrichten zu müssen.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Das Gesetz vom , über Abgaben für den Gebrauch von öffentlichem Gemeindestraßengrund und des darüber befindlichen Luftraumes (Gebrauchsabgabengesetz), Landesgesetzblatt für Kärnten Nr. 42/1969, hat auszugsweise folgenden Inhalt:
"§ 1
Allgemeines
(1) Die Gemeinden werden ermächtigt, auf Grund einer Verordnung des Gemeinderates Abgaben für den Gebrauch von Gemeindestraßengrund und des darüber befindlichen Luftraumes auszuschreiben.
(2) Gemeindestraßengrund im Sinne dieses Gesetzes ist öffentlicher Straßengrund, über den die Gemeinde verfügungsberechtigt ist.
(3)Die Gemeinde nach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben
sind solche des eigenen Wirkungsbereiches.
§ 2
Gegenstand
(1) Der Abgabe unterliegt der Gebrauch
...
b) des über dem öffentlichen Gemeindestraßengrund befindlichen Luftraumes
durch bauliche oder sonstige Anlagen.
(2)Der Abgabe unterliegt insbesondere der Gebrauch durch:
Luftschächte, Lichtschächte, Kabelleitungen, Geleise, Lagerungen von Baustoffen, Treibstoffstellen, Vorgärten, Sonnenschutzdächer, Balkone, Ankündigungstafeln, Lichtreklamen, Steckschilder, Automaten, Leitungsmasten, Drahtleitungen und ähnliches.
...
§ 4
Abgabenschuldner
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Schuldner der Abgabe ist der Besitzer der Anlage. | ||||||||||
... |
§ 7
Einhebung
(1) Abgabenbehörde ist der Bürgermeister.
(2) Die Abgabenbehörde hat das Ausmaß der Abgabe mit Bescheid festzusetzen.
...
§ 10
Übergangsbestimmungen
...
(2) Anlagen, die nach den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen nicht Gegenstand der Abgabe waren, sind auch nicht Gegenstand der Abgabe im Sinne dieses Gesetzes; insbesondere nicht Balkone und Erker, die vor dem bereits bestanden haben.
..."
Der Gemeinderat der Stadt Villach hat die am in Kraft getretene Villacher Gebrauchsabgabenverordnung am erlassen. Diese hat auszugsweise folgenden Inhalt:
"§ 1
Ausschreibung
(1) Für den Gebrauch von Gemeindestraßengrund und des darüber befindlichen Luftraumes werden Abgaben ausgeschrieben.
(2) Gemeindestraßengrund im Sinne dieser Verordnung ist öffentlicher Straßengrund, über den die Gemeinde verfügungsberechtigt ist.
§ 2
Gegenstand
(1) Der Abgabe unterliegt der Gebrauch
...
b) des über dem öffentlichen Gemeindestraßengrund befindlichen Luftraumes
durch bauliche oder sonstige Anlagen.
(2) Der Abgabe unterliegt insbesondere der Gebrauch durch:
Luftschächte, Lichtschächte, Kabelleitungen, Geleise. Lagerungen von Baustoffen, Treibstoffstellen, Vorgärten, Sonnenschutzdächer, Balkone, Ankündigungstafeln, Lichtreklamen, Steckschilder, Automaten, Leitungsmasten, Drahtleitungen und ähnliches.
...
§ 4
Abgabenschuldner
Schuldner der Abgabe ist der Besitzer der Anlage.
...
§ 6
Ausmaß
(1) Die Form und die Höhe der Gebrauchsabgabe richtet sich nach dem dieser Verordnung angeschlossenen Tarif.
...
§ 7
Einhebung
(1) Abgabenbehörde ist der Bürgermeister.
(2) Die Abgabenbehörde hat das Ausmaß der Abgabe mit Bescheid festzusetzen.
..."
Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid im wesentlichen mit dem bereits im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumenten. Dem gegenüber hat die belangte Behörde festgestellt, daß die Hausmauer die Grundstücksgrenze darstelle und das aufragende Mauerwerk die Grenze zum öffentlichen Gemeindestraßengrund ist. Sie stützt sich dabei auf die "Feldskizze Nr. 120" des Bundesvermessungsdienstes, aufgenommen im Juli 1956, sowie auf die Eintragung im Grundbuch. Daß diese Feststellungen unrichtig sind, behauptet der Beschwerdeführer gar nicht. Er vermeint jedoch, der Gebäudeeigentümer habe den Dachvorsprung über Eigengrund errichtet und dieser befinde sich nach wie vor im Luftraum über Eigengrund, weil nämlich ein (Sonder-) Eigentum an Gebäudeteilen zivilrechtlich nicht möglich und nicht begründbar sei (Hinweis auf Spielbüchler in Rummel, Kommentar zum ABGB, Band I2, Rz. 9 zu § 418). Diesem Beschwerdevorbringen ist entgegen zu halten, daß die in der zitierten Literaturstelle behandelten "Grenzüberbauten" nicht den vorliegenden Fall eines über das Gebäude in den Luftraum hinausragenden Dachvorsprunges betreffen. Die vom Beschwerdeführer vertretene Rechtsansicht findet daher weder durch die zitierte Literaturstelle noch durch den Akteninhalt Unterstützung. Der Beschwerdeführer verkennt die Rechtslage, wenn er meint, nach den zivilrechtlichen Bestimmungen könne ein Dachvorsprung nur über dem eigenen Grundstück errichtet werden bzw. ein über dem eigenen Grundstück errichteter Dachvorsprung bewirke, daß das darunterliegende Grundstück stets im Eigentum desjenigen verbleiben müsse, der das Gebäude errichtet habe. Der belangten Behörde kann daher nach der Aktenlage mit Erfolg kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie im Beschwerdefall das aufragende Mauerwerk des in Rede stehenden Objektes als Grenze zum öffentlichen Gemeindestraßengrund angesehen hat und davon ausgegangen ist, daß sich die Scheinwerfer über öffentlichem Gemeindestraßengrund befinden.
Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch aus nicht vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründen als rechtswidrig:
Der erstinstanzliche Bescheid ist am erlassen worden und betrifft die Gebrauchsabgabe für den Zeitraum 1992. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach, mit der Gebrauchsabgaben ausgeschrieben werden, ist (mit dem Gebrauchsabgabentarif ab 1992) am , somit erst nach Erlassung des Bescheides, mit dem die Gebrauchsabgabe für 1992 festgesetzt wurde, in Kraft getreten. Damit war aber in dem Zeitpunkt der erstinstanzlichen Abgabenvorschreibung die Gebrauchsabgabe für 1992 in der Stadt Villach noch nicht ausgeschrieben, so daß die genannte Verordnung noch nicht Grundlage für die Abgabenfestsetzung sein konnte. Somit erweist sich nicht nur der Berufungsbescheid des Stadtsenates der Stadt Villach, sondern auch schon der erstinstanzliche Abgabenbescheid als rechtswidrig.
Da die belangte Behörde diesen Umstand nicht zum Anlaß nahm, den Berufungsbescheid der mitbeteiligten Stadt Villach aus diesem Grund aufzuheben, hat sie den angefochtenen Bescheid selbst mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.