VwGH vom 25.02.2003, 2002/14/0112

VwGH vom 25.02.2003, 2002/14/0112

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde der I GmbH in Innsbruck, vertreten durch DDr. Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. RV 410/1-T5/02, betreffend Sicherstellungsauftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Sicherstellungsauftrag vom ordnete das Finanzamt im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung gemäß § 232 BAO die Sicherstellung in das Vermögen der beschwerdeführenden GmbH zur Sicherung von Abgaben im Gesamtbetrag von rund S 13,5 Mio an. Unter Verweis auf die Begründung eines nach Geschäftszahl und Datum näher bezeichneten bereits ausgefolgten bzw. hinterlegten Hausdurchsuchungsbefehles des Landesgerichtes Innsbruck wurde ausgeführt, dass der begründete Verdacht bestehe, dass die sicherzustellenden Abgaben hinterzogen worden seien. Im erwähnten Hausdurchsuchungsbefehl werden unter Hinweis darauf, dass beim Landesgericht Innsbruck Voruntersuchungen unter anderem gegen Federigo F und Fernando F wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs 1 und 2 FinStrG anhängig seien, die bisherigen Ermittlungen der Finanzbehörde dargestellt, wonach Federigo F im Jahr 1987 die Beschwerdeführerin gegründet habe. Als Firmensitz diene Innsbruck, wobei im Laufe der Zeit in "ganz Österreich" Zweigstellen errichtet und dort Computerkurse verbunden mit dem Kauf von Übungscomputern angeboten worden seien. Geschäftsführer sei Federigo F, welcher auch mit 0,40 % an der Beschwerdeführerin beteiligt sei. Mit 99,6 % beteiligt sei die S Italia, deren Geschäftsführer ebenfalls Federigo F sei. Neben anderen Feststellungen wird darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin jene Forderungen gegen Kunden, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nachkämen, nach zweimaliger Mahnung um 10 % des Nominales an die SIFspa, Florenz, abgetreten und die übrigen 90 % der Forderungen ebenso wie die Umsatzsteuer wertberichtigt habe, wobei die Größenordnungen der Forderungsabtretungen in den Jahren 1995 bis 1997 zwischen 4,2 und 4,8 Mio S pro Jahr betragen hätten. Im Zuge der Ermittlungen hätte festgestellt werden können, dass die SIFspa in Italien nicht existiere und die abgetretenen Forderungen über Auftrag der Beschwerdeführerin tatsächlich vom Inkassobüro P GmbH in Salzburg betrieben worden seien. Es bestehe der begründete Verdacht, dass die durch die P GmbH eingetriebenen Forderungen auf ein näher bezeichnetes Geschäftskonto der Beschwerdeführerin überwiesen worden seien. Im Prüfungszeitraum seien weiters von der Beschwerdeführerin Wareneinkäufe (Computer, Monitore) von der durch Fernando F vertretenen FR srl, Italien, verbucht worden. Nach den bisherigen Ermittlungsergebnissen habe sich eine deutliche Überfakturierung seitens der FR srl bei ihren Rechnungen an die Beschwerdeführerin von mindestens S 4.000,-- pro Computer gezeigt, woraus sich alleine im Jahr 1996 ein ungerechtfertigter Aufwand von über S 3 Mio ergeben habe. Die Angezeigten stünden im Verdacht, Tatbestände der Abgabenhinterziehung vollendet zu haben, indem sie Sachverhalte verwirklicht hätten, die dem gesetzlichen Tatbild des § 33 Abs 1 und 2 FinStrG entsprächen, wobei der konkrete Verdacht bestehe, dass die Angezeigten sich ihrer abgabenrechtlichen Verpflichtungen bewusst gewesen seien und den rechtswidrigen Erfolg vorsätzlich herbeigeführt hätten.

In der gegen den Sicherstellungsauftrag erhobenen Berufung wurde in Abrede gestellt, dass eine in § 232 BAO als Voraussetzung für die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages geforderte Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung vorliege. Wäre dies geplant gewesen, hätte die Finanzbehörde sicher nicht Bankguthaben in der Größenordnung von mehr als 8 Mio beschlagnahmen können. Eine weitere Erörterung und Widerlegung der von der Behörde vermuteten Gefährdungsgründe erübrige sich schon deshalb, weil die von der Finanzbehörde "vermutete Steuernachzahlung" völlig aus der Luft gegriffen und schon deshalb die vorgenommene Sicherstellung unzulässig gewesen sei.

Mit Berufungsvorentscheidung wurde der Berufung insofern teilweise Folge gegeben, als der sicherzustellende Betrag auf S 4 Mio eingeschränkt wurde.

Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung insofern teilweise Folge gegeben, als der sicherzustellende Betrag auf S 5,2 Mio (Umsatzsteuer 1995 bis 1997 je S 600.000,-- Kapitalertragsteuer 1995 S 1,1 Mio, Kapitalertragsteuer 1996 S 1,5 Mio und Kapitalertragsteuer 1997 S 800.000,--) eingeschränkt wurde. Soweit die Berufung abgewiesen wurde, wies die belangte Behörde darauf hin, dass gegenständlich schon kurze Zeit nach Beginn der ursächlichen Betriebsprüfung, spätestens zum Zeitpunkt der Anzeige an die Staatsanwaltschaft, schwer wiegende Hinterziehungsvorwürfe in einem die Gerichtszuständigkeit begründeten Ausmaß vorgelegen seien. Bekannt sei auch gewesen, dass die Beschwerdeführerin im Inland - mit Ausnahme der Bankkonten, auf die zwecks späterer Einbringung (zunächst Sicherung) der voraussichtlichen Abgabenforderungen gegriffen werden sollte - über keine adäquaten Vermögenswerte verfüge und im Hinblick auf die bestehenden Firmenverflechtungen und Auslandsbeziehungen damit hätte gerechnet werden müssen, dass inländische Bankguthaben ins Ausland transferiert und der Abgabeneinhebung (Einbringung) entzogen werden könnten. Eine tatbestandsmäßige Einbringungsgefährdung erscheine unter diesen Umständen hinlänglich begründet. Zur unterstellten Steueranspruchsverwirklichung stellte die belangte Behörde fest, wenngleich sich im weiteren Verfahren die Erstannahme, beim Forderungserwerber handle es sich um ein nicht existierendes Unternehmen, als unzutreffend herausgestellt habe, so sei doch die Feststellung, dass in den Prüfungsjahren Forderungen in einer Größenordnung zwischen 4,2 und 4,8 Mio pro Jahr um nur 10 % des Nominalwertes ins Ausland abgetreten worden seien, während diese Forderungen nachweisbar von inländischen Inkassobüros und Rechtsanwälten betrieben worden seien, Eintreibungskosten von der Beschwerdeführerin getragen und Zahlungen auf ein in der Bilanz der Beschwerdeführerin ausgewiesenes Bankkonto überwiesen worden seien, Grund genug, eine Umsatz- und Gewinnzurechnung im Ausmaß von 50 % der als uneinbringlich ausgebuchten Forderungen vorzunehmen. Ob sich - wie in der Berufung behauptet - die Auslagerung der "Debitoren-Restverwertung" an die SIFspa, Italien, die sich im ausschließlichen Aktienbesitz der Brüder F befinde, als wirtschaftlich und organisatorisch sinnvoll dargestellt hätte und in welchem Umfang Forderungen tatsächlich uneinbringlich geworden seien, sei eine Beweisfrage, die nicht im Verfahren gemäß § 232 BAO gelöst werden könne und eine rasche Sicherstellung unter Bedachtnahme auf zeitaufwändige Ermittlungshandlungen im Ausland unmöglich gemacht hätten. Bis zur Erlassung des Sicherstellungsauftrages sei erhoben worden, dass eine personelle Verflechtung zwischen der Beschwerdeführerin und der italienischen FR srl bestünde und von letzterer Gesellschaft in erheblichem Umfang Computer, Monitore etc (1996 im Wert von über 11 Mio ATS) angekauft worden seien, die auf Grund von angestellten Nachkalkulationen einem Fremdvergleich nicht standgehalten hätten. Der Sicherstellungsauftrag bzw. die zu Grunde liegende Strafanzeige und der Hausdurchsuchungsbefehl des Landesgerichtes Innsbruck enthielten dazu konkrete Angaben (Vergleichsrechnungen), die durch den Berufungseinwand der Gewährung eines langfristigen Zahlungszieles nicht hätten ausgeräumt werden können. Vielmehr sei angesichts der Firmennahebeziehung und der angestellten Preisvergleiche die Annahme einer verdeckten Ausschüttung als Grundlage für die davon ermittelten Kapitalertragsteuernachforderungen in einer für das Sicherstellungserfordernis ausreichenden und nachvollziehbaren Weise begründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Hinsichtlich der sicherzustellenden Umsatzsteuer 1995 bis 1997 weist die Beschwerdeführerin darauf hin, dass "die Entscheidung ausgesetzt" worden sei. Der angefochtene Bescheid sei "sohin" diesbezüglich rechtswidrig.

Da die Beschwerdeführerin keine Gründe für diese behauptete Rechtswidrigkeit nennt, erübrigt sich ein Eingehen auf dieses Beschwerdevorbringen, zumal nicht erkennbar ist, weshalb eine damit von der Beschwerdeführerin allenfalls angesprochene Aussetzung der Einhebung von bescheidmäßig festgesetzten Abgaben im Sinn des § 212a BAO der vor Erlassung der Abgabenbescheide erfolgten Anordnung einer Sicherstellung entsprechender Abgaben als bloßer Sicherungsmaßnahme entgegenstehen sollte.

Hinsichtlich der sicherzustellenden Kapitalertragsteuer räumt die Beschwerdeführerin zunächst ein, dass ein Sicherstellungsauftrag nach § 232 BAO kein abschließender Sachbescheid, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme ist, welche dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung gefährdet oder erschwert wäre. Es liege in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens gesetzt werden könne, sondern es genüge, dass gewichtige Anhaltspunkte für ihren Bestand und ihre Höhe sowie für die Gefährdung bzw wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben seien. Zutreffend weist die Beschwerdeführerin auch darauf hin, dass für die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen zutreffen, die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages (erstinstanzlicher Bescheid) maßgeblich sind (vgl etwa das hg Erkenntnis vom , 95/15/0057). Später eingetretene Tatsachen, Beweise und Anträge seien im Sicherstellungsverfahren gemäß § 232 BAO entgegen dem für Berufungserledigungen ansonsten geltenden § 280 BAO nicht zu berücksichtigen, wohl aber kausale Sachverhaltsumstände, die zum Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages bereits gegeben gewesen seien. Vor diesem Hintergrund vertritt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes die Ansicht, dass die "Vorschreibung der Kapitalertragsteuer" im gegenständlichen Fall eindeutig gesetzwidrig wäre, weil die Behörde die Freistellungsbestimmung des § 94a EStG nicht berücksichtigt habe. Bereits in ihren Ausführungen hinsichtlich einer behaupteten Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verweist die Beschwerdeführerin allerdings unter Bezugnahme auf die "einschlägigen Normen" des EStG 1988 auf die zu § 94a EStG ergangene Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Einbehaltung von Kapitalertragsteuer und deren Erstattung bei Mutter- und Tochtergesellschaften im Sinne der Mutter-Tochter-Richtlinie (BGBl Nr 56/1995), dass eine Unterlassung des Steuerabzuges dann unzulässig sei, wenn eine offenkundige verdeckte Ausschüttung (§ 8 Abs 2 des Körperschaftssteuergesetzes 1988) vorliege. Dies werde im § 3 des oben zitierten Gesetzes (richtig: Verordnung) insoweit noch näher normiert, als eine solche offenkundige verdeckte Ausschüttung nur dann vorliege, wenn der zum Abzug Verpflichtete die verdeckte Ausschüttung bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes insbesondere auf Grund der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts oder der allgemein zugänglichen Verwaltungspraxis erkannt habe oder erkennen hätte müssen. In der Folge meint die Beschwerdeführerin, dass das abgeführte Beweisverfahren bisher keine wie immer gearteten Anhaltspunkte dafür ergeben habe, dass diese Voraussetzung erfüllt sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf: Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid vor dem Hintergrund gewichtiger Anhaltspunkte für die Annahme unberechtigter Abtretungen (an eine ihr nahe stehende Gesellschaft) und (anschließenden) Ausbuchungen von Forderungen sowie einem Fremdvergleich nicht standhaltender Wareneinkäufe von verdeckten Ausschüttungen ausgegangen. In der Beschwerde wird nicht bestritten, dass diese Anhaltspunkte im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages ausgereicht hätten, die Annahme entsprechender verdeckter Ausschüttungen zu rechtfertigen. Sie bestreitet lediglich, dass weder "festgestellt noch bewiesen" worden sei, dass es der Beschwerdeführerin an der "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes" gemangelt hätte, somit, dass die Beschwerdeführerin im Sinne der angeführten Verordnung das Vorliegen verdeckter Ausschüttungen hätte erkennen müssen. Da es sich aber bei Einkommensminderungen ohne ausreichenden geschäftlichen Rechtsgrund um eine der grundlegenden Erscheinungsformen der verdeckten Ausschüttung handelt (vgl Wiesner, Verdeckte Gewinnausschüttungen im Steuerrecht, SWK 1984, A I 167), kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde angenommen hat, dass entsprechende verdeckte Ausschüttungen bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu erkennen waren.

Die Beschwerdeführerin rügt daher einerseits eine Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften zu Unrecht, andererseits ist - im Ergebnis - auch die unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit erhobene Rüge verfehlt, die belangte Behörde habe § 94a EStG 1988 nicht berücksichtigt.

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen, wobei von der beantragten Verhandlung aus dem Grunde des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr 501/2001.

Wien, am