VwGH vom 27.09.1999, 98/17/0227

VwGH vom 27.09.1999, 98/17/0227

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der S GmbH, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat III der Berufungskommission der Region Linz) vom , Zl. ZRV15/1-L3/98, betreffend Aussetzung der Vollziehung bei Rückforderung einer Ausfuhrerstattung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom forderte das Zollamt Salzburg/Erstattungen von der Beschwerdeführerin die gewährte Ausfuhrerstattung in der Höhe von S 177.664,-- zurück.

Die Beschwerdeführerin beantragte den Rückerstattungsbetrag bis zur rechtskräftigen Erledigung der im Nachforderungsverfahren eingebrachten Berufung zu stunden bzw. auszusetzen. Sie brachte vor, sie habe die Ausfuhr und das Ausfuhrerstattungsverfahren rechtmäßig abgewickelt und es wäre für sie eine besondere Härte, wenn sie den nunmehr rückgeforderten Betrag vorweg erstatten müsste. Sie käme unausweichlich in finanzielle Probleme, weil sie auch unter Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Situation im Bereich des Viehhandels dann nicht mehr in der Lage wäre, ihre Bonität entsprechend aufrechtzuerhalten.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gemäß Art. 244 Zollkodex (ZK) iVm § 212a BAO abgewiesen. Dies mit der Begründung, die Prüfung der Sach- und Rechtslage des Rückforderungsfalles habe ergeben, dass an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung keine begründeten Zweifel bestünden. Die zu erwartenden finanziellen Schwierigkeiten seien in keiner Weise nachgewiesen und für das Zollamt nicht nachvollziehbar.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin zur finanziellen Seite des Unternehmens vor, bereits auf Grund der Höhe des Sanktionsbetrages von S 177.664,-- stehe auch ohne Nachweis fest, dass ein Unternehmen wirtschaftlich mehr als gefährdet werde, wenn es binnen Monatsfrist einen solch hohen Betrag bezahlen müsse. Hiezu komme, dass weitere Verfahren gegen die Beschwerdeführerin anhängig seien und auch aus diesen Verfahren Rückforderungsbeträge von mehreren hunderttausend Schilling begehrt würden. Die gesamte Wirtschaftssituation sei mehr als schlecht einzustufen und im Speziellen sei die wirtschaftliche Situation im Vieh-Exportbereich auf Grund verschiedenster Vorkommnisse als katastrophal anzusehen. Obwohl diese Argumente als notorisch vorauszusetzen seien, lege die Beschwerdeführerin eine Bestätigung ihres Steuerberaters vor, aus der sich ergebe, dass die Bezahlung der Sanktion die Beschwerdeführerin in finanzielle Schwierigkeiten bringen werde.

Das Schreiben des Steuerberaters lautet:

"Bezugnehmend auf unser heutiges Telefonat bestätige ich, dass im Falle der Entrichtung der vom Zollamt Salzburg geforderten Sanktionsbeträge in Höhe von S 1,701.000,-- gegen o.a. Firma die Gefahr gegeben ist, dass sie das voraussichtlich in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation keinesfalls verkraften würde."

Mit Bescheid (Berufungsvorentscheidung) vom wies das Zollamt Salzburg/Erstattungen die Berufung als unbegründet ab.

In der dagegen erhobenen - als Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz bezeichneten - Beschwerde brachte die Beschwerdeführerin vor, es werde ausdrücklich auf das Schreiben des Steuerberaters der Beschwerdeführerin verwiesen, womit eindeutig unter Beweis gestellt werde, dass bei Bezahlung der Sanktionsbeträge die Beschwerdeführerin Gefahr laufe, in finanzielle Schwierigkeiten zu kommen und damit in Verbindung der Ruin der Beschwerdeführerin vorprogrammiert sei.

Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Berufung gegen den Rückforderungsbescheid habe wenig Aussicht auf Erfolg und es seien begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung nicht vorgelegen. Die Beschwerdeführerin habe weder im Verfahren erster Rechtsstufe noch in der Beschwerde hinreichend und nachvollziehbar erwiesen, dass ihr durch die Vollziehung des Rückforderungsbescheides ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass durch den Rückforderungsbescheid Beträge eingefordert würden, die - mit Ausnahme der verhängten Sanktion - der Beschwerdeführerin bereits zugeflossen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Aussetzung der Vollziehung verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 5 Ausfuhrerstattungsgesetz (AEG) sind auf die Erstattungen die für Zölle geltenden Rechtsvorschriften sinngemäß anzuwenden, soweit im gemeinschaftlichen Marktordnungsrecht oder in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist.

Durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs wird gemäß Art. 244 ZK die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung nicht ausgesetzt. Die Zollbehörden setzen jedoch die Vollziehung der Entscheidung ganz oder teilweise aus, wenn sie begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung haben oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte.

Auf Grund der nationalen Bestimmung des § 1 Abs. 5 AEG ist im Aussetzungsverfahren betreffend Rückforderung von Ausfuhrerstattungen Art. 244 ZK anzuwenden. Die nationalen Bestimmungen über die Zahlungserleichterungen und die Aussetzung der Einhebung der Abgaben nach § 212a BAO sind nur insoweit anzuwenden, als diese Art. 244 ZK nicht entgegenstehen oder Art. 244 ZK keine Regelung enthält und eine solche dem nationalen Gesetzgeber überlassen wird.

Nach Art. 244 ZK ist die Vollziehung auszusetzen, wenn entweder begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen oder wenn dem Beteiligten ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte. Liegt eine der beiden Voraussetzungen vor, dann besteht ein Rechtsanspruch auf Aussetzung der Vollziehung.

Art. 244 ZK regelt nur die materiellen Voraussetzungen einer Aussetzung der Vollziehung.

Nach Art. 245 ZK werden die Einzelheiten des Rechtsbehelfsverfahrens von den Mitgliedstaaten erlassen.

Nach diesen Bestimmungen sind somit die nationalen Vorschriften im Verfahren über die Aussetzung nach Art. 244 ZK anzuwenden, soweit dem nicht gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Eine spezielle nationale Regelung über das Verfahren bei der Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK wurde im ZollR-DG nicht ausdrücklich normiert. Es gelten daher nach § 2 Abs. 1 ZollR-DG die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften der BAO. Die Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK entspricht im Wesentlichen der nationalen Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO, sodass in Vollziehung des Art. 244 ZK, die für diese nationale Bestimmung geltenden Verfahrensbestimmungen auch bei der Aussetzung der Vollziehung anzuwenden sind.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht bestünden und die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass ihr durch die Vollziehung der Entscheidung ein unersetzbarer Schaden entstehen könnte.

Die belangte Behörde hat mit Recht auf die Erhebungsergebnisse des Zollamtes verwiesen, aus denen sich ein vorsätzliches Verhalten der verantwortlichen Organe der Beschwerdeführerin anlässlich der der Ausfuhrerstattung vorangegangenen Ausfuhr ergeben habe und kein Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Rückforderung samt der verhängten Sanktion bestehe. Insofern wird auf das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/17/0226, verwiesen.

Bei der Auslegung des Begriffes "unersetzbarer Schaden" ist an den Begriff "nicht wiedergutzumachender Schaden" anzuknüpfen, der zu den Voraussetzungen für die in Art. 242 EG vorgesehene Aussetzung der Durchführung einer Handlung gehört. Insoweit verlangt die Voraussetzung des "nicht wiedergutzumachenden Schadens" nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass der Richter der einstweiligen Anordnung prüfe, ob bei Aufhebung der streitigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren die Lage, die durch den sofortigen Vollzug dieser Entscheidung entstünde, umgekehrt werden könnte, und - andererseits - ob die Aussetzung des Vollzugs dieser Entscheidung deren volle Wirksamkeit behindern könnte, falls die Klage abgewiesen würde. Wie der Gerichtshof entschieden hat, ist ein finanzieller Schaden grundsätzlich nur dann als schwerer und nicht wiedergutzumachender Schaden anzusehen, wenn er im Fall eines Obsiegens des Antragstellers im Hauptsacheverfahren nicht vollständig ersetzt werden könnte. Kann der sofortige Vollzug einer angefochtenen Handlung jedoch zur Auflösung einer Gesellschaft führen, so ist die Voraussetzung für einen nicht wiedergutzumachenden Schaden erfüllt. Dabei muss das unmittelbare Bevorstehen des geltend gemachten Schadens nicht mit letzter Sicherheit nachgewiesen werden. Insbesondere, wenn die Entstehung des Schadens vom Eintritt einer Reihe von Faktoren abhängt, genügt es, dass er mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist ( Bernt Giloy, Rechtssache C-130/95, Sammlung der Rechtsprechung 1997, S. I-4291, samt dort angeführter Rechtsprechung).

Wie die belangte Behörde mit Recht im angefochtenen Bescheid ausführte, war das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht geeignet, das Vorliegen eines unersetzbaren Schadens im Sinne des Art. 244 ZK glaubhaft zu machen. Bei der Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK handelt es sich, wie bei der Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO, um eine begünstigende Bestimmung. Der Abgabepflichtige hat daher aus eigenem überzeugend darzulegen und glaubhaft zu machen, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/13/0291).

Die Beschwerdeführerin hat im Antrag auf finanzielle Probleme hingewiesen und in der Berufung die Ansicht vertreten, dass auch ohne Nachweis schon allein auf Grund des "Sanktionsbetrages von S 177.664,--" ein Unternehmen wirtschaftlich mehr als gefährdet werde. Das im verwaltungsbehördlichen Verfahren vorgelegte Schreiben des Steuerberaters ist nur sehr allgemein gehalten und legt die Finanzlage des Unternehmens nicht dar. Die Höhe des Rückforderungsbetrages allein hat jedoch dann keine entscheidende Aussagekraft, wenn nicht gleichzeitig die Finanz- und Vermögenslage des Unternehmens bekannt ist. In der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wird erstmals geltend gemacht, es sei die Auflösung der Gesellschaft "beinahe" unausweichlich gewesen, ohne aber zu behaupten, dass das "Entstehenkönnen" eines unersetzbaren Schadens bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren konkret und überzeugend dargelegt worden sei.

Die belangte Behörde durfte daher davon ausgehen, dass die Behauptungen der Beschwerdeführerin mangels konkreter Angaben nicht geeignet waren, die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Vollziehung nach Art. 244 ZK glaubhaft zu machen. Die Aussetzung der Vollziehung konnte wurde mit Recht versagt.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am