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VwGH vom 07.09.1990, 90/14/0089

VwGH vom 07.09.1990, 90/14/0089

Betreff

X-Holding Establishment gegen Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , Zl. 209-2/90, betreffend Nachsicht von Körperschaftsteuer für 1987:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Anstalt mit Sitz in Liechtenstein, ist Mitunternehmer einer Kommanditgesellschaft (KG) in Vorarlberg. Der aus dieser 1987 auf sie entfallene Gewinn führte im Hinblick auf die beschränkte Steuerpflicht der Beschwerdeführerin, die Einschränkung des Geltungsbereiches des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich und Liechtenstein in dessen Art. 26 - wodurch das Diskriminierungsverbot gemäß Art. 24 dieses Abkommens nicht zum Tragen kam - und § 102 Abs. 1 EStG 1972 mangels Anwendbarkeit des § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 zu einer Körperschaftsteuerfestsetzung von S 295.745,--.

Die Beschwerdeführerin ersuchte um Nachsicht dieser Abgabenschuldigkeit unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 3114/79, ÖStZB 1981, 24 = VwSlg. 5478 F/1980, und auf die Tatsache, daß im Einkommensteuergesetz 1988 dem beschränkt Steuerpflichtigen die Verlustabzugsmöglichkeit eröffnet worden sei. Der Gesetzgeber habe daher eingesehen, daß die Versagung des Verlustvortrages gegenüber beschränkt Steuerpflichtigen ungerechtfertigt sei. Der Bildung eines Investitionsfreibetrages in den Verlustjahren habe die Beschwerdeführerin im Interesse der Minderung der Gewerbesteuer zugestimmt.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Gewährung der Nachsicht im Instanzenzug versagt. Die belangte Behörde verneinte die von § 236 Abs. 1 BAO geforderte Unbilligkeit nach Lage des Falles. Das Diskriminierungsverbot des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens habe nicht gegriffen, weil es sich bei der Beschwerdeführerin um eine liechtensteinische Sitzgesellschaft handle, an der kein Liechtensteiner beteiligt oder durch sie begünstigt sei. Der Gesetzgeber habe in den zur Steuerfestsetzung führenden Vorschriften bereits weitgehend auf die besonderen Umstände des Einzelfalles Rücksicht genommen. In Art. 26 des Doppelbesteuerungsabkommens sei der bewußte gesetzgeberische Wille zu erkennen, Abkommensvorteile jenen Abgabepflichtigen nicht zu gewähren, die als reine Sitzgesellschaften in den Genuß anderer Vorteile gelangten, zumal Liechtenstein eine notorische Steueroase sei. Anders als in dem von der Beschwerdeführerin zitierten Fall betrage die Besteuerung nur knapp 61 % vom Nettogewinn der Jahre 1983 bis 1987. Die Beschwerdeführerin hätte auf Grund ihrer gesellschaftsrechtlichen Stellung in der KG (vertragliches Erfordernis der Einstimmigkeit für Begünstigungen auf Grund steuergesetzlicher Sonderbestimmungen wie der über den Investitionsfreibetrag) ihr Vetorecht ausüben können. Die Beschwerdeführerin habe einen Vorhalt, der der Klärung ihrer Identität hätte dienen können, ungenügend beantwortet. Es sei deshalb nicht bekannt, wer bei der Beschwerdeführerin willensbildend tätig gewesen und wer in den Genuß der aus der Beteiligung fließenden Gewinne gekommen sei, bzw. wer die Verluste habe tragen müssen. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, daß die gewählte rechtliche Gestaltung der Umgehung und dem Mißbrauch diente. Es liege aus den von der belangten Behörde näher dargelegten Gründen der Verdacht nahe, daß hinter der Beschwerdeführerin inländische Steuerpflichtige stünden, die bereits an der Mitunternehmerschaft beteiligt seien. Eine Gewinnbesteuerung, die unterhalb des für unbeschränkt steuerpflichtige natürliche Personen geltenden Maximalgrenzsteuersatzes gelegen sei, erscheine daher solange als nicht unbillig, als der Verdacht von der Beschwerdeführerin nicht ausgeräumt worden sei.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Abgabennachsicht verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Härten, die sich unabhängig von der Lage des einzelnen Falles schon aus dem Gesetz ergeben, begründen keine Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO. Der gesetzliche Ausschluß beschränkt Steuerpflichtiger (§ 102 Abs. 1 EStG 1972) vom Verlustabzug (Verlustvortrag) gemäß § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 begründet daher allein keine Unbilligkeit (Verwaltungsgerichtshof , 84/14/0087, ÖStZB 1985, 370). Das Fehlen einer Verlustabzugsmöglichkeit kann allerdings im einzelnen Fall zu einer derart hohen Gesamtbesteuerung beschränkt Steuerpflichtiger führen, daß die Abgabeneinhebung nach Lage des Falles unbillig wird (vgl. das eben zitierte Erkenntnis vom und VwSlg. 5478 F/1980).

Der belangten Behörde ist beizupflichten, daß ein solcher Fall hier schon deshalb nicht vorliegt, weil die Besteuerung des gesamten Gewinns im festgestellten Zeitraum mit 61 % noch nicht so exzessiv ist, daß sie für sich allein gesehen Unbilligkeit zur Folge hätte, und die Beschwerdeführerin, anders als im Fall des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom unbestrittenermaßen die rechtliche Möglichkeit gehabt hätte, steuerliche Verluste, wie sie in den Vorjahren durch die Inanspruchnahme der Begünstigung des § 10 EStG 1972 entstanden waren, durch Versagung der Zustimmung zu der Inanspruchnahme eines Investitionsfreibetrages hätte vermeiden können. Sie wäre innerhalb der Gesellschaft nicht verpflichtet gewesen, ihre Interessen den Interessen der anderen Gesellschafter nachzustellen.

Die von der belangten Behörde geäußerte Ansicht, die Steueroaseneigenschaft von Liechtenstein habe den Gesetzgeber zum Ausschluß von Sitzgesellschaften vom Anwendungsbereich des Doppelbesteuerungsabkommens und damit vom Diskriminierungsverbot des Abkommens veranlaßt, ist daher für die Lösung der Unbilligkeitsfrage ebenso bedeutungslos, wie der von der belangten Behörde geäußerte Verdacht, hinter der beschwerdeführenden Anstalt stünden inländische Steuerpflichtige, die bereits an der erwähnten Mitunternehmerschaft beteiligt seien und es könne die gewählte rechtliche Gestaltung der Umgehung und dem Mißbrauch dienen.

Wenn die Beschwerdeführerin dem Vorwurf im angefochtenen Bescheid, sie habe einen Vorhalt, der der Klärung ihrer Identität hätte dienen sollen, nicht beantwortet, entgegenhält, die belangte Behörde habe zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Fragen an sie gerichtet, deren Beantwortung ihr zumutbar gewesen wäre, ist sie vorerst darauf hinzuweisen, daß es für die aus der Verletzung der Mitwirkungspflicht eines Steuerbegünstigungswerbers entstehenden verfahrensrechtlichen Folgen ohne Bedeutung ist, ob die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Frage stellt oder die Abgabenbehörde erster Instanz, wie dies hier geschehen ist. Was jedoch die Zumutbarkeit der Beantwortung anlangt, so meint die Beschwerdeführerin offenbar ihre Erklärung in der Antwort vom : "Im Hinblick auf Art. 4 des Liechtensteinischen Staatsschutzgesetzes wird die liechtensteinische Gesellschaft alle übrigen vom Finanzamt geforderten Unterlagen nicht zur Verfügung stellen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zur Frage des Art. 4 des Liechtensteinischen Staatsschutzgesetzes in seinem Erkenntnis vom , 86/14/0098, ÖStZB 1988, 306, der Entscheidung des Bundesfinanzhofes vom , BStBl 1981 II 492, angeschlossen, wonach vergleichbare ausländische Bestimmungen nicht dazu führen dürfen, daß Zweifel zu Lasten des inländischen Abgabenanspruches ungeklärt bleiben. Gleiches muß umso mehr für Verfahren über eine Abgabennachsicht gelten, weil den Steuerpflichtigen in solchen Verfahren noch dazu eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft.

Das Beweisanbot zum Beschwerdevorbringen, wonach die beschwerdeführende Anstalt weder im Eigentum einer natürlichen noch einer juristischen Person stehe, die in Österreich einen Sitz oder Wohnsitz habe, und die in der Beschwerde erwähnte Erklärung des Verwaltungsrates sind gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige und daher unbeachtliche Neuerungen.

Zum Zeugenbeweisanbot in der Beschwerde ist noch darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof in Bescheidbeschwerdesachen nachprüfende Rechtskontrolle zu üben hat, ihm also nicht die Feststellung des Sachverhaltes zukommt. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren kein entsprechendes Beweisanbot gemacht. Dem angefochtenen Bescheid haftet daher im gegebenen Zusammenhang auch keine Verletzung von Verfahrensvorschriften an.

Da die belangte Behörde den festgestellten Sachverhalt und nicht einen fiktiven zu beurteilen hatte, ist es belanglos, welche steuerlichen Folgen es gehabt hätte, wenn der Anteil der Beschwerdeführerin einem Inländer gehört oder wenn die Beschwerdeführerin eine inländische Gesellschaft gegründet hätte, in die ihre Gewinn- und Verlustanteile eingeflossen wären.

Die Änderung der Rechtslage durch das Einkommensteuergesetz 1988 hinsichtlich des Verlustvortrages durch beschränkt Steuerpflichtige beweist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach Lage des Falles im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO, sondern nur ein rechtspolitisches Bedürfniss nach Änderung einer generellen Norm ab jenem Veranlagungszeitraum, für den die neue Rechtslage gilt.

Die Beschwerdeführerin wird durch den angefochtenen Bescheid daher im Rahmen des Beschwerdepunktes in ihren Rechten nicht verletzt. Die Beschwerde mußte deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom , BGBl. Nr. 206.