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VwGH vom 25.01.1994, 90/14/0073

VwGH vom 25.01.1994, 90/14/0073

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde der G AG in S, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat II) vom , Zl. 6-GA4Bk-DVie/90, betreffend Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine AG. Punkt 10.4 der zwischen ihr und dem Angestelltenbetriebsrat geschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung vom lautet:

"Angestellte, die eine bestimmte Dienstzeit bei der Gesellschaft nachweisen können, erhalten ein Jubiläums-Geld;

dieses beträgt bei einer Dienstzeit

von 15 vollen Jahren einen Monats-Grundgehalt,

von 25 vollen Jahren zwei Monats-Grundgehalte,

von 35 vollen Jahren drei Monats-Grundgehalte oder

von 40 vollen Jahren vier Monats-Grundgehalte

jeweils bezogen auf den Grundgehalt im Kalender-Monat, in dem die Grenz-Dienstjahre vollendet werden. Fällt der Ehrentag auf einen Arbeitstag, so erhält der Angestellte an diesem Tag dienstfrei."

§ 14 Punkt I. der zwischen ihr und dem ÖGB, Gewerkschaft der Bau- und Holzarbeiter abgeschlossenen Gesamtvereinbarung für Arbeiter lautet:

"Alle Arbeitnehmer, die eine Dienstzeit von 15 bzw. 25, 35 vollen Jahren vollenden, erhalten am Endes des Kalenderjahres, in dem dieser Zeitpunkt eintritt, eine Treueprämie in der Höhe eines Monats-Grundlohnes bzw. von zwei, drei oder vier Monats-Grundlöhnen. Wird in diesem Fall das Dienstverhältnis nach dem Erreichen des 15., 25., 35., 40. vollen Dienstjahres durch den Tod des Dienstnehmers gelöst, so erhalten die gesetzlichen Erben, zu deren Erhaltung der Erblasser gesetzlich verpflichtet war, die Hälfte der entsprechenden Treueprämie."

Erstmals in der Bilanz für das Wirtschaftsjahr 1988 bildete die Beschwerdeführerin eine Rückstellung für Jubliäumsgelder (S 3,358.418,--).

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde dieser Rückstellung die Anerkennung. Die bloße Möglichkeit des künftigen Entstehens einer Verpflichtung reiche für die Rückstellungsbildung nicht aus. Die Verpflichtung zur Leistung von Jubiläumsgeldern bzw. Treueprämien an die einzelnen Arbeitnehmer werde erst mit Vollendung von 15, 25, 35 bzw. 40 Dienstjahren existent. Das Ausmaß der gegebenenfalls zu zahlenden Beträge sei zwar in den Gesamtvereinbarungen festgelegt. Ob es allerdings in der Zukunft tatsächlich zur Entstehung der Zahlungsverpflichtung komme, hänge vom Erreichen der entsprechenden Dienstjahre durch die einzelnen Arbeitnehmer ab. Vor Erfüllung dieser zeitlichen Voraussetzung könne nicht beurteilt werden, ob eine Zahlungsverpflichtung entstehen werde. Da die Bildung einer Rückstellung das Entstehen der Schuld spätestens am Bilanzstichtag voraussetze, könne die von der Beschwerdeführerin gebildete Rückstellung nicht anerkannt werden.

Die Beschwerdeführerin macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte Teile der Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1966 nach den Vorschriften des EStG und dieses Bundesgesetzes.

Bei Gewerbetreibenden, deren Firma im Handelsregister eingetragen ist, ist gemäß § 5 EStG 1972 unter Beachtung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes über die Gewinnermittlung für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Abs. 1 erster Satz), das nach Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist.

Den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechend besteht bei der Gewinnermittlung des § 5 EStG die Verpflichtung zur Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten. Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist zu bilden, wenn eine Verbindlichkeit dem Grunde nach nicht mit Sicherheit, aber doch mit konkreter Wahrscheinlichkeit besteht oder entstehen wird, oder wenn hinsichtlich der Höhe dieser Verbindlichkeit Ungewißheit besteht. Die Bildung der Rückstellung hat zur Voraussetzung, daß die ungewisse Verbindlichkeit in der vor dem Bilanzstichtag liegenden Zeit wirtschaftlich verursacht worden ist (vgl. Quantschnigg - Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 5 Tz. 35).

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, daß die Beschwerdeführerin aufgrund der zitierten Gesamt(betriebs)vereinbarungen zur Zahlung des Jubiläumsgeldes bzw. der Treueprämie verpflichtet ist, wenn im Einzelfall der Dienstnehmer die in der Vereinbarung angeführten Voraussetzungen erfüllt. Da nichts Entgegenstehendes hervorgekommen ist, hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken gegen die Geltung der Vereinbarung.

Jubiläumsgeld und Treueprämie sind Belohnungen für die langjährige Tätigkeit von Arbeitnehmern. Sie sind insoweit durch die vor dem Bilanzstichtag liegenden Zeiträume wirtschaftlich mitverursacht, als sie auf die von den Arbeitnehmern bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen entfallen.

Für die Beschwerdeführerin entsteht die Verpflichtung zur Leistung des Jubiläumsgeldes bzw. der Treueprämie an den Arbeitnehmer, wenn dessen Dienstverhältnis eine bestimmte Dauer erreicht hat. Daß das Entstehen der Verbindlichkeit von künftigen ungewissen Ereignissen abhängt, steht der Bildung einer Rückstellung nicht entgegen, wenn die konkrete Wahrscheinlichkeit des Eintrittes dieses Ereignisses gegeben ist. Aufgrund der konkreten Umstände im Betrieb der Beschwerdeführerin, insbesondere der durchschnittlichen Dauer der Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer in der Vergangenheit kann auf diese konkrete Wahrscheinlichkeit geschlossen werden (vgl. hg. Erkenntnis vom , 91/14/0125). Die belangte Behörde vertrat die unrichtige Rechtsauffassung, die Bildung einer Rückstellung hätte zur Voraussetzung, daß die Verpflichtung am Bilanzstichtag bereits entstanden sei. Aus diesem Grunde unterließ sie es, Ermittlungen über die konkrete Wahrscheinlichkeit des künftigen Eintrittes der Verpflichtung anzustellen. Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Ergibt sich im fortgesetzten Verfahren die konkrete Wahrscheinlichkeit des Eintrittes der Zahlungsverpflichtung, so wird bei Ausmessung des Rückstellungsbetrages, der durch das Streitjahr veranlaßt ist, u.a. auch die zu erwartende Fluktuation der Belegschaft (vgl. BFH , BStBl. 1987 II 845, und vom , BStl. 1983 II 753) zu berücksichtigen sein.

Darauf hingewiesen sei, daß § 14 EStG 1972 eine Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen der Rückstellungsbildung darstellt (vgl. Pokorny, Grenzen des Maßgeblichkeitsgrundsatzes SWK 1987 AI 189). Jubiläumsgelder (Treueprämien) sind den in § 14 EStG genannten Dienstnehmerbezügen ähnlich (vgl. Nowotny, in Straube, HGB, § 198 Tz. 134), weil sie ebenfalls langjährige Dienstleistungen entlohnen. § 14 EStG stellt aber seinem klaren Wortlaut nach auf Abfertigungen und Pensionen ab. Aus dieser Bestimmung kann deshalb hinsichtlich der steuerlichen Vorsorge für Jubiläumsgelder (Treueprämien) keine Einschränkung abgeleitet werden, zumal sich diese Bezüge im Zweck und in den Anspruchsvoraussetzungen wesentlich von Abfertigungen und Pensionen unterscheiden (vgl. Doralt, EStG2, § 6 Tz 304, Stichwort "Jubiläumsgelder", und § 14 Tz 14).

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Der Aufwandersatz für Stempelgebühren war für vier überzählige Beschwerdeausfertigungen und - abgesehen von der Abschrift des angefochtenen Bescheides - für die vorgelegten Beilagen nicht zuzusprechen, weil er nur für Schriftstücke gebührt, die für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung erforderlich sind.