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VwGH vom 03.07.1990, 90/14/0069

VwGH vom 03.07.1990, 90/14/0069

Betreff

N gegen Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. 40.113-4/89, betreffend Lohnsteuerfreibetrag für erhöhte Werbungskosten 1988

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.680,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Aufwandersatzmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Reisender eines Raumausstattungsunternehmens in Innsbruck. Er bezog im Streitjahr aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und machte erhöhte Werbungskosten geltend und zwar Taggelder gemäß § 16 Abs. 1 Z. 9 in Verbindung mit § 26 Z. 7 EStG 1972, soweit diese die Diäten des Arbeitgebers überschritten, sowie Organmandate im Zusammenhang mit berufsbedingtem Be- und Entladen. Diese seien aufgelaufen, weil der Beschwerdeführer während eines Kundenbesuches das Fahrzeug auf einem Platz abgestellt habe, der seiner Meinung nach Parkplatz des Geschäftes gewesen sei, den die Behörde jedoch für einen Gehsteig angesehen habe.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Strafe nicht, die Taggelder wurden nur zum Teil als Werbungskosten anerkannt.

Hiedurch erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Berücksichtigung der betreffenden Aufwendungen als lohnsteuerfreie Beträge verletzt. Er behauptet Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat erwogen:

Ein Teil der Taggelder wurde von der belangten Behörde deshalb nicht als Werbungskosten anerkannt, weil sie Fahrten zwischen der Wohnung des Beschwerdeführers und seiner Arbeitsstätte, dem Unternehmenssitz seines Arbeitgebers betroffen hätten. Der Beschwerdeführer habe diesbezüglich nämlich behauptet, die Fahrten zwecks Aufladens von Mustern und Waren unternommen zu haben. Während im übrigen, wenn der Beschwerdeführer seine Reisen vom Wohnsitz aus begonnen habe, dieser Wohnsitz als Mittelpunkt seiner Tätigkeit anzusehen gewesen sei, von dem aus der Beschwerdeführer die ausschließlich beruflich veranlaßten Reisen angetreten habe, müsse in den erwähnten Fällen davon ausgegangen werden, daß die ausschließlich beruflich veranlaßte Reise vom Firmensitz seines Arbeitgebers angetreten worden sei. Auf Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei § 16 Abs. 1 Z. 9 EStG 1972 nicht anzuwenden.

Die Beschwerdebehauptung, es sei nicht untersucht worden, ob die Fahrten zwischen Wohnsitz und Firmensitz nur zwecks Aufladens von Mustern und Waren unternommen worden sei, ist aktenwidrig. Das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren (Eingabe vom ) lautete:

"Außerdem weise ich darauf hin, daß ich die Fahrten zur Firma nur zwecks Aufladen von Mustern und Waren unternehme und nicht im Innendienst beschäftigt bin."

Die Untersuchung ist daher durch die Entgegennahme dieser Erklärung erfolgt, deren Inhalt die belangte Behörde in ihrer Entscheidung als richtig unterstellt hat. Der Beschwerdeführer zeigt keinen Umstand auf, der die belangte Behörde verpflichtet hätte, dieses sein eigenes Vorbringen nicht zu glauben.

Auch die Behauptung, die Sache sei deshalb nicht spruchreif, weil die belangte Behörde nicht untersucht habe, ob dem Beschwerdeführer tatsächlich ein arbeitgebereigenes Fahrzeug auf Kosten der Firma oder auf eigene Kosten zur Verfügung gestanden sei, ist unrichtig. Fahrtkosten wurden vom Beschwerdeführer nämlich vor den Verwaltungsbehörden nicht als Werbungskosten geltend gemacht.

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ist in dem diese Taggelder betreffenden Umfang jedoch aus anderen als vom Beschwerdeführer angeführten Gründen unaufgeklärt geblieben. Die belangte Behörde ist zutreffend davon ausgegangen, daß bei Reisenden, die ihre berufsbedingten Fahrten von ihrer Wohnung aus antreten, nicht der Sitz des Arbeitgebers Arbeitsstätte ist und daher eine an und für sich auf Freizeit entfallende Fahrt eines Arbeitnehmers zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstätte, die deshalb nicht als ausschließlich beruflich veranlaßte Reise angesehen werden kann, nicht in Betracht kommt vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, 2. Aufl. Tz 97 zu § 16 und Tz 47 zu § 26). Bei einem angestellten Reisenden, der sich dauernd unterwegs befindet, liegt nämlich der Mittelpunkt seiner Tätigkeit an seinem Wohnsitz und nicht am Sitz seines Arbeitgebers. Der Beschwerdeführer hat nun an der von der belangten Behörde zitierten Stelle seiner Eingabe vom ausdrücklich noch darauf hingewiesen, daß er nicht im Innendienst beschäftigt ist. Die Bemerkung, der Beschwerdeführer sei nur zwecks Aufladens der Muster und Ware an den Unternehmenssitz seines Arbeitgebers in Innsbruck gefahren, schloß daher nicht aus, daß der Beschwerdeführer auch an den betreffenden Tagen als Reisender tätig war und daher auch an diesen Tagen Mittelpunkt seiner Tätigkeit nicht der Firmensitz seines Arbeitgebers war. Hat er nämlich auch an diesen Tagen nicht Innendienst verrichtet, so durfte die Fahrt zwischen seiner Wohnung und dem Sitz des Unternehmens seines Arbeitgebers nicht als Freizeitfahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte angesehen werden. Die belangte Behörde hat daher verkannt, daß der Umstand allein, wonach der Beschwerdeführer in Innsbruck bei seinem Arbeitgeber nur Muster und Waren aufgeladen hat, die Fahrt eines Reisenden, der seine Arbeitsstätte also nicht am Sitz des Arbeitgebers hat, nicht zu einer Fahrt in seiner Freizeit zwischen Arbeitsstätte und der Wohnung macht. Die belangte Behörde hat sich daher in Verkennung der Rechtslage nicht mit der Behauptung des Beschwerdeführers befaßt, daß er auch an diesen Tagen keinen Innendienst am Sitz des Unternehmens seines Arbeitgebers in Innsbruck versehen hat, und solcherart ihren Bescheid im erwähnten Umfang mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG belastet.

Der Rest der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren strittigen, nicht anerkannten Taggelder entfällt auf Fahrten, die nach Ansicht der belangten Behörde im Nahbereich bis zu ca. 25 km (gerechnet vom Wohnort des Beschwerdeführers als Mittelpunkt seiner Arbeitstätigkeit) stattgefunden hätten. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht ausgeführt, wie sie zu dieser Feststellung gelangt ist. Sie hat nur zwei Ortsnamen genannt, die nach ihrer Behauptung nicht weiter als 25 km voneinander entfernt lägen. In der Beschwerde wird behauptet, die Entfernung betrage nicht 25 km, sondern 30 km. Dem hält die belangte Behörde in der Gegenschrift ein Kursbuch für Kraftfahrlinien entgegen, aus dem sich ein Abstand von 2 Haltestellen, die den erwähnten Orten zuzurechnen seien, von 25 km entnehmen lasse. Laut einer näher bezeichneten Wanderkarte betrage der Abstand zwischen der Autobushaltestelle im Wohnort des Beschwerdeführers zur Dorfmitte 600 m.

Die im angefochtenen Bescheid hinsichtlich des Nahbereiches gemachten Entferungsangaben sind so dürftig, daß sie eine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zulassen. Die Behauptungen in der Gegenschrift widerlegen die Wesentlichkeit dieses Ermittlungs- und Feststellungsmangels nicht. Es steht nämlich weder fest, wo die Wohnung des Beschwerdeführers innerhalb des Ortsgebietes seiner Wohnsitzgemeinde liegt, noch wo innerhalb des Gebietes des anderen Ortes das Ziel der jeweiligen Dienstreise lag. Erst nach Ermittlung und Feststellung dieser Tatsachen ließen sich nachprüfbare Aussagen über die Entfernungen zwischen Wohnung und Ziel der ausschließlich beruflich veranlaßten Reise machen.

In seinem Erkenntnis vom , 83/14/0128, 0136, 0137, ÖStZB 1984, 453, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits einmal ausgeführt, daß das Überwinden einer Entfernung von 30 km - auch auf gut ausgebauten Straßen - bereits den Begriff der "Reise" verwirklicht. Wenn es sich beim Nahbereich von 20 bis 25 km auch nicht um eine starre Regel handelt, die also bis zu 26 km überschritten werden kann (vgl. das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/14/0037, ÖStZB 1987, 311), so wäre die Grenze zur Reise jedoch bei 30 km jedenfalls überschritten.

Dem angefochtenen Bescheid haftet daher insofern Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG an.

In der Frage der Werbungskosteneigenschaft der Geldstrafe leidet der angefochtene Bescheid an Ermittlungs- und Feststellungsmängeln, die wieder Folge einer unrichtigen Rechtsansicht der belangten Behörde sind, nämlich daß die Absetzung von Organmandaten gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1972 - ausnahmslos - unzulässig sei, weil es unverständlich wäre, Strafen, die zum Schutz und im Interesse der Allgemeinheit verhängt werden, im Wege der Steuerminderung wieder der Allgemeinheit anzulasten. In Wahrheit sind Geldstrafen nur in der Regel der privaten Lebenssphäre des Steuerpflichtigen zuzuzählen. Bei entsprechendem Zusammenhang mit der Einkunftsquelle können Geldstrafen, die vom Nachweis eines Verschuldens unabhängig sind oder auf ein nur geringes Verschulden zurückzuführen sind, abzugsfähig sein (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, a.a.O. Tz 9 zu § 29, Tz 31 zu § 16, Tz 75 zu § 4; Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts, 4. Aufl., 85; Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 86/14/0061, ÖStZB 1987, 197).

Der erforderliche Zusammenhang mit der Einkunftsquelle im Sinne der Sicherung und Erhaltung der Einnahmen wäre entgegen der Ansicht der belangten Behörde in der Gegenschrift dann zu bejahen, wenn das Abstellen des Fahrzeuges, wie vom Beschwerdeführer behauptet, zu Ladevorgängen beim Kunden diente; er wäre selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Ent- oder Beladevorgang auch an anderer Stelle hätte vorgenommen werden können. In Ermangelung jeder Feststellung, die einen Schluß auf das Ausmaß des Verschuldens zuläßt, konnte die belangte Behörde aber die Absetzbarkeit als Werbungskosten nicht beurteilen. Für ein derart leichtes Verschulden, das die Zuordnung der Geldstrafe zur Privatsphäre nicht zur Folge hätte, könnte der vom Beschwerdeführer behauptete Irrtum sprechen, wonach er den Platz, auf dem er das Fahrzeug abgestellt hatte, für einen Parkplatz des Geschäftes des Kunden gehalten habe.

Auch in diesem Punkt haftet dem angefochtenen Bescheid inhaltliche Rechtswidrigkeit an.

Er mußte aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom , BGBl. Nr. 206. Die Eingabengebühr für jede der drei notwendigen Beschwerdeausfertigungen beträgt S 120.--; der angefochtene Bescheid mußte gemäß § 28 Abs. 5 VwGG nur in einer Ausfertigung oder Abschrift vorgelegt werden. Die Beilage des Formblattes der Gewerkschaft war zur Rechtsdurchsetzung nicht notwendig, weil das vorgelegte Exemplar den in der Beschwerde zitierten Punkt 22 gar nicht enthielt. Außer dem richtig verzeichneten Schriftsatzaufwand waren daher nur S 570,-- an Stempelgebührenaufwand zuzuerkennen (S 120,-- Vollmacht, S 360,-- Eingaben, S 90,-- Beilage). Das Aufwandersatzmehrbehren war also abzuweisen.