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VwGH vom 18.03.1991, 90/14/0053

VwGH vom 18.03.1991, 90/14/0053

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der X-Bank reg. Gen.m.b.H. gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom , Zl. B 107-4/89, betreffend Haftung für und Zahlung von Lohnsteuer 1985 bis 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Strittig ist die steuerliche Behandlung der an einen ehemaligen Dienstnehmer der Beschwerdeführerin gemeinsam mit dem Dezemberbezug des Jahres 1985 ausgezahlten Kündigungsentschädigung in Höhe von S 652.600,--.

Mit Dienstvertrag vom waren dem Dienstnehmer Vordienstzeiten im Ausmaß von 16 Dienstjahren unter anderem für den Abfertigungsanspruch anerkannt worden (§ 9); für den Fall der Kündigung des Dienstverhältnisses durch die Beschwerdeführerin wurde der Abfertigungsanspruch mit zwei Jahresgehältern festgelegt (§ 11); der Dienstvertrag war seitens der Beschwerdeführerin mit einjähriger Kündigungsfrist zum Ende des folgenden Kalenderjahres kündbar (§ 12).

Im Dezember 1985 einigten sich die Beschwerdeführerin und der Dienstnehmer, das Dienstverhältnis per zu nachstehenden Bedingungen zu lösen:

1. An Abfertigung wird abweichend zu § 11 des Dienstvertrages nicht ein Betrag in Höhe von zwei Jahresgehältern, sondern ein solcher in Höhe von 1 1/3 Jahresgehältern, das sind S 870.133,--, gewährt.

2. Die Kündigungsentschädigung wird entsprechend § 12 des Dienstvertrages in Höhe eines Jahresgehaltes, das sind

S 652.600,--, gewährt.

Die Beschwerdeführerin hatte ab dem bereits auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Dienstnehmers verzichtet, obwohl das Dienstverhältnis noch bis Monatsende bestand. Die Bezüge für diesen Monat wurden in ungekürzter Höhe ausgezahlt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid behandelte die belangte Behörde die ausgezahlte Kündigungsentschädigung im Gegensatz zur Beschwerdeführerin, die die Versteuerung gemäß § 67 Abs. 8 EStG 1972 mit dem sogenannten Belastungsprozentsatz vorgenommen hatte, als gemäß § 67 Abs. 6 EStG zu versteuernden sonstigen, bei der Beendigung des Dienstverhältnisses angefallenen Bezug.

Im Hinblick auf die hierin erblickte Rechtsverletzung beantragt die Beschwerdeführerin, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach den Bestimmungen des § 67 Abs. 6 EStG 1972 sind sonstige Bezüge zu versteuern, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen und nicht neben den laufenden Bezügen des Arbeitnehmers oder dessen Rechtsnachfolgers aus demselben Dienstverhältnis gewährt werden. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung hindert ein laufender Bezug, der letztmalig in dem Lohnzahlungszeitraum, in dem auch ein Bezug im Sinne dieses Absatzes ausgezahlt wird, oder unmittelbar danach zur Auszahlung gelangt, nicht die begünstigte Besteuerung.

Mit dem sogenannten Belastungsprozentsatz des § 67 Abs. 8 EStG 1972 - dies ist der Steuersatz, der tarifmäßig dem letzten laufenden Arbeitslohn entspricht - zu versteuern sind Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume sowie Nachzahlungen und nachträgliche Zahlungen von laufenden und sonstigen Bezügen für abgelaufene Kalenderjahre, die neben laufendem Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber oder in einem Konkursverfahren geleistet werden und nicht auf einer willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes beruhen. Ebenso sind auch Vergleichssummen zu behandeln, gleichgültig, ob diese auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen beruhen, und zwar auch dann, wenn sie nicht neben laufendem Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber gewährt werden.

Liegt einer der Fälle des § 67 Abs. 8 EStG vor, hat die Besteuerung mit dem Belastungsprozentsatz - und nicht gemäß § 67 Abs. 6 EStG - zu erfolgen, auch wenn ein Zusammenhang mit der Beendigung eines Dienstverhältnisses besteht, wie dies bei Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume und Vergleichssummen in der Regel der Fall sein wird.

Der belangten Behörde ist zunächst darin zuzustimmen, daß im Beschwerdefall keine Vergleichssumme im Sinne des § 67 Abs. 8 EStG bezahlt wurde. Bei einer solchen muß es sich um Zahlungen handeln, die sich zumindest auch aus der Bereinigung strittiger oder zweifelhafter Rechte auf in der Vergangenheit angehäufte Bezüge ergeben. Hievon kann aber nur die Rede sein, wenn sich die Vergleichssumme infolge der Streitigkeit oder Zweifelhaftigkeit der Zahlungen ansammelt. Die Vorschrift hat nämlich den Zweck, solche Lohnbestandteile zu erfassen, die über einen gewissen Zeitraum verteilt zu gewähren gewesen wären, tatsächlich aber nicht oder nicht in voller Höhe zur Auszahlung gelangten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/14/0077). Dies trifft aber jedenfalls auf die vorliegende, pro futuro bezahlte "Kündigungsentschädigung" nicht zu.

Zu einer Kündigung, wegen deren allfälliger Zeitwidrigkeit eine Entschädigung zu leisten gewesen wäre, ist es im Beschwerdefall nicht gekommen. Vielmehr hat sich der Dienstnehmer der Beschwerdeführerin - allerdings unter dem Eindruck einer bevorstehenden Kündigung - entschlossen, einer kurzfristigen einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zuzustimmen, wobei ihm das während der vertraglichen Kündigungsfrist sonst anfallende Jahresgehalt als "Kündigungsentschädigung" gewährt wurde.

Strittig ist nun, ob eine solche Zahlung "für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume" erfolgt ist. Der Gerichtshof ist der Auffassung, daß der Wortlaut der Bestimmung nicht dagegen spricht. Das Gesetz stellt nicht darauf ab, daß die weiteren Leistungen des Arbeitnehmers, auf die verzichtet wird, während des Weiterbestandes des Dienstverhältnisses zu erbringen wären, und daß die geleistete Zahlung nur Zeiträume bis zur tatsächlichen Beendigung des Dienstverhältnisses betreffen kann. Es macht "für den Verzicht auf Arbeitsleistungen" keinen Unterschied, ob bei gleichartiger Zahlung der Arbeitnehmer einer kurzfristigen einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses zustimmt, oder ob er gekündigt, während des Laufes der Kündigungsfrist aber "dienstfrei" gestellt wird. Der Gerichtshof hält es im Beschwerdefall auch vom Zweck der Regelung her für gerechtfertigt, die in Rede stehende Begünstigung zu gewähren, da es sich um zusammengeballte Einkünfte handelt, die in einem Lohnzahlungszeitraum anfallen - während Nachzahlungen, nachträgliche Zahlungen und Vergleichssummen vergangenheitsbezogen sind, ist die vorliegende Zahlung zukunftsbezogen. Er folgt demnach der Meinung von Hofstätter-Reichel (Kommentar zur Einkommensteuer § 67 Abs. 8 EStG 1972 Tz 1), wonach Zahlungen, die - wie hier - geleistet werden, um den Arbeitnehmer zur vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses zu bewegen, unter die genannte Bestimmung fallen.

Daß weitere Voraussetzungen des § 67 Abs. 8 EStG nicht gegeben wären, behauptet die belangte Behörde selbst nicht. Die strittige Zahlung wurde neben dem laufenden Dezemberbezug gewährt; Anhaltspunkte für eine willkürliche Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes haben sich nicht ergeben.

Somit war der angefochtene Bescheid wegen der aufgezeigten inhaltlichen Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Für die überzählige vierte Beschwerdeausfertigung ist kein Stempelgebührenersatz zuzusprechen.