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VwGH vom 15.11.2005, 2002/14/0051

VwGH vom 15.11.2005, 2002/14/0051

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der T in I, vertreten durch Greiter Pegger Kofler & Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 24, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. RV 271/1-T 5/01, betreffend Festsetzung von Aussetzungszinsen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom bewilligte das Finanzamt die Aussetzung der Einhebung von Kapitalertragsteuer in Höhe von insgesamt 55,662.403 S. Nach Verbuchung der Aussetzung erhöhte sich das auf dem Abgabenkonto der beschwerdeführenden Bank bestehende Guthaben auf rund 86 Mio. S. Mit Schreiben vom ersuchte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf ein "Guthaben von ATS 55,662.403,--" um Überweisung des Betrages auf ein näher bezeichnetes Bankkonto.

Noch vor Erledigung des Rückzahlungsantrages wurde am nach Ergehen einer abweisenden Berufungsvorentscheidung der Ablauf der Aussetzung der Einhebung verfügt und die ausgesetzt gewesenen Beträge am Steuerkonto rückbelastet. Gleichzeitig wurden für den Zeitraum vom bis Aussetzungszinsen in Höhe von 1,259.306 S festgesetzt.

Mit Bescheid vom wurde der Rückzahlungsantrag vom 3. August (eingebracht am 4. August) 2000 mit der Begründung abgewiesen, dass das zurückgeforderte Guthaben in Höhe der ausgesetzt gewesenen Kapitalertragsteuernachforderungen nicht mehr zur Verfügung stehe.

In ihrer Berufung gegen die Festsetzung der Aussetzungszinsen beantragte die Beschwerdeführerin, ab Stellung des Rückzahlungsantrages, somit für den Zeitraum vom bis (Aussetzungsablauf) keine Zinsen festzusetzen und die Zinsenvorschreibung aus diesem Grund auf 595.810,16 S zu reduzieren. Begründend vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, dass es nicht gerechtfertigt sei, für Zeiträume, für die ein Rückerstattungsantrag für ein nachweislich auf dem Abgabenkonto bestandenes Guthaben gestellt und trotz Urgenz nicht erledigt worden sei, Aussetzungszinsen festzusetzen. Da im Beschwerdefall ein Rückzahlungsantrag eingebracht worden sei, habe die Beschwerdeführerin nicht mehr die Möglichkeit gehabt, zugleich einen Antrag nach § 212a Abs. 8 BAO zu stellen. Aus der angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei abzuleiten, dass nur derjenige trotz Guthabens Aussetzungszinsen in voller Höhe zu tragen habe, der weder einen Antrag nach § 212a Abs. 8 BAO noch einen Verrechnungs- oder Rückzahlungsantrag stelle. Die Vorschreibung von Aussetzungszinsen sei als Äquivalent für den tatsächlich in Anspruch genommenen Zahlungsaufschub zu sehen. Vor diesem Hintergrund sei die Vorschreibung von Aussetzungszinsen in jenen Fällen unzulässig, in denen trotz gestellter Anträge für den Abgabepflichtigen kein auszugleichender Vorteil entstehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe der Bestimmungen des § 212a Abs. 8 und Abs. 9 lit. a und b BAO entgegnete die belangte Behörde den Berufungsausführungen, dass die Tilgung ausgesetzter Abgabenschuldigkeiten durch Verrechnung mit bestehenden Abgabenguthaben nur im Falle entsprechender Antragstellung erfolgen dürfe. Die Beschwerdeführerin habe unstrittig keine Verrechnungsverfügung im Sinne des § 212a Abs. 8 BAO getroffen. Es sei nicht Gegenstand des Verfahrens zu beurteilen, ob die am beantragte Rückzahlung "in der üblichen Zeit" durchgeführt worden sei. Selbst eine in unsachlicher Art und Weise verzögerte Bearbeitung des Rückzahlungsantrages ließe keine Rechtswidrigkeit in Ansehung der Festsetzung von Aussetzungszinsen erkennen. Die Verknüpfung wechselseitiger Zinsvorteile, je nachdem, ob bestehende Guthaben stehen gelassen, zurückbezahlt oder mit Aussetzungsbeträgen verrechnet würden, und innerhalb welcher Zeitspannen dies geschehe, sei für die hier zu entscheidende Frage der Rechtmäßigkeit der Vorschreibung von Aussetzungszinsen nach § 212a Abs. 9 BAO unerheblich.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom , B 479/01, ablehnte und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, Aussetzungszinsen nach § 212a Abs. 9 BAO nur insoweit entrichten zu müssen, als die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 212a Abs. 9 BAO sind Aussetzungszinsen für die Dauer des durch die Aussetzung bewirkten Zahlungsaufschubes, der gemäß § 212a Abs. 5 leg. cit. mit dem Ablauf der Aussetzung (oder ihrem Widerruf) endet, zu entrichten. Will der Abgabepflichtige Aussetzungszinsen vermeiden oder gering halten, kann er entweder von einer Antragstellung gemäß § 212a Abs. 1 BAO Abstand nehmen oder - wenn ihm über einen Antrag die Aussetzung bereits bewilligt wurde - den dadurch bewirkten Zahlungsaufschub jederzeit durch die im § 212a Abs. 8 BAO vorgesehene Tilgung beenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 97/14/0131, mwN).

Nach § 212a Abs. 8 BAO dürfen zur Entrichtung oder Tilgung von Abgabenschulden, deren Einhebung ausgesetzt ist, Zahlungen, sonstige Gutschriften (§ 213 Abs. 1) sowie Guthaben (§ 215 Abs. 4) nur auf Verlangen des Abgabepflichtigen verwendet werden.

Auf Grund der Bestimmung des § 212a Abs. 8 BAO haben Verrechnungen im Falle einer Aussetzung der Einhebung strittiger Abgaben nicht nach der Grundregel des § 214 Abs. 1 BAO auf die dem Fälligkeitstag nach ältesten verbuchten Abgabenschulden zu erfolgen, sondern nach der Sonderregelung des § 214 Abs. 3 letzter Satz BAO, wonach eine Verrechnung auf ausgesetzte Abgabenschulden nur über ausdrückliches Verlangen des Abgabepflichtigen vorgenommen werden darf. Im Rahmen der kontokorrentmäßigen Verrechnung gemäß §§ 213 ff BAO auftretende Gutschriften und Guthaben dürfen daher den ausgesetzten Betrag nur auf Antrag des Abgabepflichtigen tilgen oder mindern (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/14/0211).

Die Vorschreibung von Aussetzungszinsen entspricht selbst dann dem Gesetz, wenn während des Aussetzungszeitraumes ein Guthaben auf dem Abgabenkonto besteht, jedoch kein Antrag iSd § 212a Abs. 8 BAO gestellt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/15/0167).

Die Beschwerdeführerin bringt vor, nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 96/14/0132, stünden dem Abgabepflichtigen drei Möglichkeiten offen, seine Zinsenbelastung bei aufrechter Aussetzung zu verringern. Einerseits könne er einen Antrag nach § 212a Abs. 8 BAO stellen, womit er allerdings der Möglichkeit verlustig gehe, deretwegen die Aussetzung der Einhebung geschaffen worden sei, nämlich der Möglichkeit, die Rechtswirkungen einer negativen und potentiell rechtswidrigen Entscheidung hinauszuschieben. Andererseits könne er die Mittel, die andernfalls für die Abgabenentrichtung einzusetzen wären, dazu verwenden, damit andere Abgabenschulden zu begleichen. In diesem Fall erlange der Abgabepflichtige einen tatsächlichen - wenn auch mittelbaren - Zahlungsaufschub, weshalb die Vorschreibung von Aussetzungszinsen dem Gesetz entspreche. Habe der Abgabepflichtige keine Möglichkeit, das bestehende Abgabenguthaben mit anderen Abgaben zu verrechnen, bleibe ihm - wolle er die negativen Folgen einer potentiell rechtswidrigen Entscheidung bis zur Erledigung des Rechtsmittels von sich abwenden - lediglich der Rückzahlungsantrag. Im Falle eines Rückzahlungsantrages erlange der Abgabepflichtige aber erst dann einen tatsächlichen Zahlungsaufschub, wenn dem Rückzahlungsantrag entsprochen werde. Es wäre unsachlich, Aussetzungszinsen auch für solche Zeiträume vorzuschreiben, in denen mangels Rückzahlung ein tatsächlicher Zahlungsaufschub nicht besteht.

Dieses Vorbringen vermengt die Frage der Aussetzung einer strittigen Abgabenschuld mit jener der faktischen Wirksamkeit von Rückzahlungsanträgen. Im Beschwerdefall wurde die Einhebung der strittigen Kapitalertragsteuerbeträge antragsgemäß ausgesetzt. Diese Aussetzung bewirkte nach § 212a Abs. 5 BAO einen Zahlungsaufschub. Dieser endete im Beschwerdefall mit der Verfügung des Ablaufes der Aussetzung. Das am Abgabenkonto vorhandene Guthaben der Beschwerdeführerin durfte die Abgabenbehörde gemäß § 212a Abs. 8 BAO von Amts wegen nicht zur Tilgung der ausgesetzten Abgabenschulden verwenden. Dass die Beschwerdeführerin anders als in jenem Fall, der dem Erkenntnis vom zu Grunde lag, einen Rückzahlungsantrag hinsichtlich des bestehenden Guthabens gestellt hat, ändert an dem durch die Bewilligung des Aussetzungsantrages eingetretenen Zahlungsaufschub nichts.

Rückzahlungsanträge gemäß § 239 Abs. 1 BAO unterliegen - wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird - der Entscheidungspflicht im Sinne des § 311 Abs. 1 BAO. Weitere Rechtsfolgewirkungen sind mit der Antragstellung nicht verbunden. Im Zeitraum zwischen Einbringung des Rückzahlungsantrages und Durchführung der Rückzahlung befindet sich der Abgabepflichtige - abgesehen von der Möglichkeit, die Entscheidungspflicht der Behörde geltend zu machen - in der gleichen rechtlichen und faktischen Lage wie ein Abgabepflichtiger, der einen Rückzahlungsantrag trotz bestehenden Guthabens nicht gestellt hat. Auch der Abgabengläubiger ist in beiden Sachverhaltskonstellationen im Besitz eines Abgabenguthabens, das er nicht zur Tilgung der ausgesetzten Abgaben verwenden darf. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall insgesamt nicht von jenem, der dem Erkenntnis 96/14/0132 zu Grunde lag. Zu ergänzen bleibt, dass auch Anträge auf Rückzahlung von Abgabenguthaben, solange ihnen nicht entsprochen wurde, zurückgenommen werden können, weshalb es auch nicht zutrifft, dass der Abgabepflichtige mit der Einbringung eines Rückzahlungsantrages keine Möglichkeit mehr habe, eine Verrechnung des Guthabens mit den ausgesetzten Abgaben zu bewirken.

Es ist auch nicht zu erkennen, dass dem Abgabepflichtigen durch die Berechnung von Aussetzungszinsen trotz eingebrachten Rückzahlungsantrages die "faktische Mindesteffizienz von Rechtsschutzeinrichtungen" vorenthalten wird. Gerade die Bestimmung des § 212a Abs. 8 BAO eröffnet dem Abgabepflichtigen nämlich die Möglichkeit, mit Berufung bekämpfte Abgabennachforderungen auch dann nicht entrichten zu müssen, wenn der Abgabengläubiger auf Grund von Abgabengutschriften eine Tilgung des ausgesetzten Betrages vornehmen könnte. Dass die Inanspruchnahme dieser Möglichkeit - vor allem bei Erfolglosigkeit des eingebrachten Rechtsmittels - für den Abgabepflichtigen mit Nachteilen verbunden sein kann, macht die Festsetzung von Aussetzungszinsen noch nicht rechtswidrig.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am